© WEKA Business Solutions GmbH
A-1200 Wien, Dresdner Straße 45
E-Mail: kundenservice@weka.at
Rufbereitschaft – was ist erlaubt und wo liegen deren Grenzen?
Gastautor Johann Schöffthaler erläutert in diesem Beitrag, was unter Rufbereitschaft zu verstehen und was gesetzlich erlaubt ist. Zählt Rufbereitschaft zur Arbeitszeit und wo liegen arbeitsschutzrechtlich deren Grenzen?
Begriffsdefinition
Die Ruferreichbarkeit bzw die Rufbereitschaft ersetzt die Arbeitsbereitschaft mit Anwesenheitspflicht des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin am Arbeitsort und ist eine reguläre Form der Arbeitnehmerverpflichtung, die in das Arbeitsrecht integriert ist (vgl. OGH 9 ObA 71/04p). Rufbereitschaft ist Flexibilisierung, wobei nicht nur Anpassungsfähigkeit in der Dauer und der Lage der Arbeitszeit besteht, sondern die Zuordnung ein und desselben Zeitraums zur Privatsphäre oder zur Arbeitssphäre nicht klar abgegrenzt wird. Diese Form der Flexibilisierung hängt damit zusammen, dass immer mehr Vorgänge in der Produktion, aber auch im Dienstleistungssektor automatisiert ablaufen und eine Überwachung am Ort selbst nicht notwendig ist, sondern nur ein Störungsdienst. Andererseits ist auch die Rufbereitschaft Ausdruck des Bestrebens von Unternehmen, Kosten dadurch zu sparen, das nicht jede Zeit, die sich ein oder eine Arbeitnehmer/in zur Arbeit bereithalten muss, auch als Arbeitszeit zu werten und damit zu bezahlen ist.
Woran erkennt man Rufbereitschaft und was ist erlaubt?
Der oder die Arbeitnehmer/in halten sich an einem von ihm oder ihr selbst gewählten Ort auf und ist bereit jederzeit die Arbeit aufzunehmen. Der oder die Arbeitnehmer/in hat bei Rufbereitschaft die Pflicht, sich zur Aufnahme der Arbeit in zumutbarer Zeit bereit zu halten. Er oder sie muss also arbeitsfähig sein und darf zB während der Rufbereitschaft Alkohol nur in solchen Mengen zu sich nehmen, dass ein Arbeitsantritt nicht beeinträchtigt wird. Weitere Verpflichtungen gibt es nicht, man kann auch schlafen. Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist kein/e Arbeitnehmer/in verpflichtet, rufbereit zu sein (vgl. OGH 8 ObA 321/01s). Für eine solche Verpflichtung bedarf es einer Rechtsgrundlage, wie zB einer Einzelvereinbarung. Ohne eine solche Vereinbarung hat der Arbeitgeber bzw die Arbeitgeberin kein Recht, Rufbereitschaft anzuordnen. Die Übernahme einer solchen Arbeitsverpflichtung erfolgt freiwillig, es gebührt dafür Entgelt, das allerdings geringer sein kann als das Entgelt für die Arbeitsleistung selbst (vgl. OGH 8 ObA 321/01s, Arb 12.266; OLG Wien 8 Ra 11/08h, ARD 5960/9/2009).
Was ist so besonders an der Rufbereitschaft?
Bereitschaftsdienst in Form der Rufbereitschaft ist eine besondere Form der Arbeitsverpflichtung, die nicht durch die Treuepflicht geboten ist. Die Vereinbarung von Unentgeltlichkeit für die verpflichtende Ruferreichbarkeit ist nur zulässig, wenn besondere Umstände wie hohe pauschale Vergütungen für Führungskräfte vorliegen, mit denen auch Rufbereitschaft abgegolten ist. Sieht der Kollektivvertrag eine pauschale Abgeltung der Ruferreichbarkeit vor, so sind damit aber Zeiten nicht abgegolten, die über das gesetzlich zulässige Ausmaß hinausgehen (vgl. OGH 9 ObA 71/04p, ASoK 2005, 373).
Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist Unentgeltlichkeit für die Rufbereitschaft keinesfalls anzunehmen (vgl. OGH 9 ObA 53/92, infas A 122/92), weil nicht davon auszugehen ist, dass eine Verpflichtung wie die Rufbereitschaft ohne Gegenleistung eingegangen wird. Die Betriebsvereinbarung hat ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Kollektivvertrag nicht die Möglichkeit, Rufbereitschaft für einzelne Arbeitnehmer/innen verbindlich festzulegen. Da die Rufbereitschaft nicht zur Arbeitszeit gehört, sondern es sich um eine besondere Arbeitsverpflichtung des/der Arbeitnehmers/in handelt, kann das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) nicht als Grundlage für eine normativ wirksame Betriebsvereinbarung herangezogen werden, die den/die Arbeitnehmer/in zur Rufbereitschaft verpflichtet (vgl. § 97 Abs 1 ArbVG Z 2 und Z 13). Die Betriebsvereinbarung kann nur Rahmenbedingungen für den Fall bestimmen, dass Rufbereitschaft einzelvertraglich (oder ausnahmsweise gesetzlich oder kollektivvertraglich) festgelegt ist. Solche Rahmenbedingungen können als Ordnungsvorschrift normative Wirkung haben (siehe § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG).
Ist Rufbereitschaft Arbeitszeit?
Rufbereitschaft ist nicht als Arbeitszeit zu werten, sondern als besondere Art der Arbeitsverpflichtung (vgl. OGH, 9 ObA 71/04p). Es werden nur Zeiten während vereinbarter Rufbereitschaft auf die arbeitszeitrechtlichen Grenzen angerechnet, in denen tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wird (dazu gehören auch Telefonate, nicht aber zB die Wartezeit auf Anrufe).
Die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern/innen, die Rufbereitschaft vereinbart haben, ergibt sich aus diesem Mischverhältnis zwischen Arbeit und Freizeit: Durch die Einfügung des § 20a durch die AZG-Novelle 1997 (BGBl I 1997/46) wird klar geregelt, dass durch Vereinbarungen über die Rufbereitschaft die ungetrübte Freizeit des/der Arbeitnehmers/in in einem bestimmten Mindestausmaß gewahrt bleiben muss und dass Arbeitseinsätze während der Rufbereitschaft nicht unbegrenzt zulässig sind.
Die Ruhezeit wird unterbrochen, wenn der oder die Arbeitnehmer/in während der Rufbereitschaft zur Arbeit gerufen wird oder telefonisch arbeitsbezogene Informationen geben muss oder aufnimmt. Mit der Wegzeit in den Betrieb beginnt die Arbeitszeit. Die Wegzeit ist zwar nicht auf die in § 20a Abs 2 Z 1 AZG genannte Tagesarbeitszeit anzurechnen, doch ist sie vom/von der Arbeitgeber/in mangels ausdrücklicher anderer Vereinbarung zu vergüten, weil sie nach einem außerordentlichen Ruf zur Arbeit der Arbeitssphäre zugehört, vom Weisungsrecht des/der Arbeitgebers/in umfasst ist und nicht wie der Weg zur normalen Tagesarbeit der persönlichen Sphäre zugerechnet werden kann.
Gibt es Begrenzungen der Rufbereitschaft?
Nach dem Ende der Tagesarbeitszeit wird üblicherweise für einen bestimmten Teil der Arbeitnehmer/innen Rufbereitschaft für den Fall vereinbart, dass Störungen oder besondere Anforderungen von Kunden/innen oder Geschäftspartnern/innen auftreten. Das heißt, dass durch solche Rufbereitschaften die Ruhezeit beeinträchtigt wird. Daher gibt es für solche Rufbereitschaften gesetzliche Grenzen, die nicht überschritten und nur durch den Kollektivvertrag flexibilisiert werden dürfen. Vereinbarungen über die Rufbereitschaft müssen in gewissem Mindestmaß die ungetrübte Privatsphäre des/der Arbeitnehmers/in respektieren (vgl. OGH 9 ObA 71/04p), was ein volles Ausschöpfen der gesetzlichen Grenzen bei besonders belastenden Bereitschaftsdiensten mit häufigen Störungen problematisch macht.
Außerhalb der Arbeitszeit und ohne abweichende kollektivvertragliche Regelung darf Rufbereitschaft nur an zehn Tagen pro Monat vereinbart werden. Gemeint sind nicht Kalendertage, sondern zusammenhängende Bereitschaftszeiten nach oder vor der täglichen Normalarbeitszeit. Wenn also vereinbart ist, dass ein/e Arbeitnehmer/in vom Arbeitsende am Montag bis zum Arbeitsbeginn am Dienstag früh rufbereit zu sein hat, so ist das ein Tag Rufbereitschaft. Wenn die Rufbereitschaft vom Arbeitsende am Freitag bis zum Arbeitsbeginn am Montag dauert, so sind das drei (und nicht vier) Tage Rufbereitschaft.
Der Kollektivvertrag darf diese Begrenzung in Summe nicht ausweiten, er kann aber zulassen, dass die in drei Monaten höchstens erlaubten 30 Rufbereitschaftstage gebündelt und unabhängig von Monatsgrenzen festgelegt werden. Diese drei Monate müssen in der Vereinbarung genau bezeichnet sein, es darf keine Überlappungen geben.
Mehr zum Thema am Portal
Produkttipp
Mehr Informationen zum Thema Rufbereitschaft und zu Arbeitszeit finden Sie in unserem Neuwerk: Handbuch Arbeitszeitrecht – Infos zum Produkt und Bestellmöglichkeit |