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6 Ob 164/16k; OGH; 26. September 2017
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden,
die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klaus Schiller als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** GmbH, *****, gegen die beklagten Parteien 1. J***** F*****, 2. J*****, beide vertreten durch Puttinger Vogel Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen EUR 269.059,34 sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Juni 2016, GZ 4 R 50/16z-58, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 22. Jänner 2016, GZ 2 Cg 72/14m-54, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Beklagten sind Gesellschafter und seit 12.08.2009 selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der H***** GmbH (Schuldnerin), die mit Gesellschaftsvertrag vom 05.08.2009 gegründet wurde.
Mit Kaufvertrag vom 30.09.2009 erwarb die Schuldnerin einen Teilbetrieb (Schlachthof) der R***** H***** GmbH, den sie danach betrieb. Die fristgerechte Zahlung des Kaufpreises für den Schlachthof war der Schuldnerin im Herbst 2009 nicht möglich. Man vereinbarte Ratenzahlung. Letztendlich wurde der Schuldnerin die Zahlung des pfandrechtlich sichergestellten Kaufpreises gestundet, bis es schließlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 16.04.2012 kam.
Die insolvenzrechtlich relevante Überschuldung der Schuldnerin lag zum 31.07.2011 vor.
Eine Vermögensverminderung oder Vermögensverschlechterung trat zwischen 31.07.2011 und 31.01.2012 nicht ein. Vielmehr ergab sich eine Verbesserung in Höhe von etwa EUR 38.000,–.
Eine Vermögensverminderung trat zwischen 31.07.2011 und 31.03.2012 nicht ein.
Ein Vergleich der drei Liquidationsbilanzen zeigt keine Verschlechterung des Vermögensstatus im Zeitraum vom 31.07.2011 bis 31.03.2012, anhand welcher ein – im Pauschalvergleich bestehender – tatsächlicher Nachteil aus der Fortführung des Unternehmens errechnet werden könnte. Lediglich vom 31.01.2012 bis 31.03.2012 ist ein weiterer Verfall in Höhe von etwa EUR 35.000,– erkennbar.
Die Beklagten veranlassten in der Zeit vom 01.03. bis 03.04.2012 im Einzelnen festgestellte Zahlungen der Klägerin im Gesamtausmaß von EUR 269.059,34, darunter eine Zahlung an die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und mit „Schlachtabrechnungen/Lieferanten“ bezeichnete Zahlungen im Gesamtbetrag von rund EUR 213.857,–.
Der Kläger begehrt von den Beklagten gestützt auf § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG die Zahlung dieses Betrags samt Zinsen. Für die Beklagten sei per 31.07.2011 klar erkennbar gewesen, dass die Zahlungsunfähigkeit und insolvenzrechtlich relevante Überschuldung eingetreten sei. Die Beklagten hätten es trotzdem unterlassen, eine Fortbestehensprognose zu erstellen. Sie wären verpflichtet gewesen, einen Insolvenzantrag bei Gericht zu überreichen, weil Sanierungsmaßnahmen nicht eingeleitet worden seien. Der Umfang des Schadens entspreche der Summe der Zahlungsbeträge, weil die Weiterführung des Unternehmens einen diesen Zahlungen entsprechenden Betriebsgewinn nicht erbracht habe.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Zahlungsunfähigkeit sei frühestens am 29.03.2012, vermutlich aber erst am 06.04.2012 eingetreten. Selbst wenn die Zahlungsunfähigkeit früher eingetreten wäre, wäre der Klägerin kein Schaden entstanden. Das Unternehmen sei bis zur Insolvenzeröffnung positiv geführt und damit die Insolvenzmasse nicht geschmälert worden. Die Fortführung habe die Quote nicht verschlechtert. Zahlungen an Lieferanten, die im Gegenzug Waren geliefert hätten, seien nicht zu berücksichtigen. Selbst bei einer verspäteten Antragstellung seien die Aktiva der Masse nicht verringert, sondern erhöht worden. Die eingekauften Schweine und Rinder seien geschlachtet und zerlegt und die Teile weiterverkauft worden. Die Schuldnerin habe ab 01.03.2012 Zahlungen von insgesamt EUR 406.010,73 geleistet. Zum 08.05.2014 habe das Masseguthaben rund EUR 248.000,– betragen. Addiere man diesen Betrag zu den ab 01.03.2012 getätigten Zahlungen und vergleiche man diese Summe mit den anerkannten Forderungen von EUR 576.290,02 ergebe sich, dass die der Klage zugrundeliegenden Zahlungen nicht den Schaden darstellen können. Per 01.03.2014 habe der Kontostand EUR –388.108,15 und am 03.04.2014 nur noch EUR –342.151,13 (Anm des Senats: gemeint wohl jeweils 2012) betragen, weil auch Eingänge erfolgten. Seit Juli 2011 seien Zahlungen in Höhe von EUR 3 Mio geleistet worden. Würde dieser Betrag der Schaden sein, dann betrüge die Masse rund EUR 3,25 Mio Entsprechend den anerkannten Forderungen ergäbe sich eine Insolvenzquote von rund 560 %. Die Beklagten wendeten eine Gegenforderung von EUR 10.000,– ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass die Gegenforderung nicht zu Recht besteht.
Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, dass mit 31.07.2011 die insolvenzrechtlich relevante Überschuldung vorgelegen sei. Das Klagebegehren sei nach § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG berechtigt. Die eingewandte Gegenforderung bestehe nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Urteil des Erstgerichts auf. Es verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Unter das in § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG angeführte Zahlungsverbot fielen nur solche masseschmälernden Zahlungen, die das Gebot der Gläubigergleichbehandlung verletzten, was zwar bei Zahlungen an Altgläubiger, nicht aber bei Eingehen neuer (auch besicherter) Verbindlichkeiten der Fall sei. Zwischen 31.07.2011 und 31.03.2012 sei keine Verschlechterung des Vermögensstatus eingetreten und damit kein Betriebsverlust entstanden. Damit sei aber für die Beklagten – sollte es sich um Zahlungen an Altgläubiger handeln – nichts gewonnen, weil die durch die ungerechtfertigten Zahlungen erfolgte Schmälerung der Insolvenzmasse nicht ausgeglichen wäre. Ein Betriebsgewinn im Umfang der Zahlungen sei nicht festgestellt worden. Insofern wäre die Masse um die unzulässigen Zahlungen grundsätzlich geschmälert. Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren herausstellen, dass die Beklagten tatsächlich gegen das Zahlungsverbot an Altgläubiger verstießen, sei auch zu beachten, dass sich der Schaden der Gläubiger um diejenige Quote verringere, die der vom Geschäftsführer unstatthafterweise befriedigte Gläubiger im Konkurs ohnedies erhalten würde. Durch die unstatthafterweise geleisteten Zahlungen würde die Insolvenzmasse aber dann nicht geschmälert, wenn die Überweisungen von einem debitorischen Konto erfolgten. Das Erstgericht werde auch diesen Aspekt mit den Parteien zu erörtern und ihnen Möglichkeit zu weiterem Vorbringen zu geben haben.
Die Masse mindernd sei eine Zahlung nur insofern, als nicht eine mit ihr verknüpfte Gegenleistung an die Gesellschaft geflossen sei, also Gegenleistungen zu Gunsten des Geschäftsführers zu veranschlagen seien. Eine Vorleistung des Gläubigers sei allerdings grundsätzlich nicht zu Gunsten des Geschäftsführers anzurechnen, weil der Wert dieser Leistung auch ohne Zahlung in der Masse verblieben wäre, die Deckungshandlung daher im maßgeblichen Zahlungszeitpunkt in voller Höhe massemindernd gewesen sei. Dass anrechenbare Gegenleistungen vorlägen, hätten die Beklagten beweisen müssen. Dies sei ihnen nicht gelungen.
Ab 31.07.2011 habe eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung und damit ab diesem Zeitpunkt die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer bestanden. Die in § 84 Abs 2 Satz 2 AktG statuierte Beweislastumkehr sei auf den Geschäftsführer einer GmbH analog anzuwenden. Die Beklagten hätten weder behauptet noch bewiesen, dass ihr Verhalten weder subjektiv noch objektiv sorgfaltswidrig gewesen sei. Auf fehlendes Verschulden könnten sich nunmehr die Beklagten nicht berufen.
Das Berufungsgericht sprach aus, der Rekurs sei zulässig, weil aktuelle oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Schadensberechnung nach § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG, vor allem zur Frage inwieweit die hypothetische Insolvenzquote des Zahlungsempfängers bei der Schadensfeststellung zu berücksichtigen sei, nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der von den Beklagten beantwortete Rekurs des Klägers ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1.1. Als Sonderfall der in § 25 Abs 2 GmbHG normierten verschuldensabhängigen Organhaftung der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, die ihre Obliegenheiten verletzen, auf Ersatz des daraus entstandenen Schadens bestimmt § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG, dass Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet sind, wenn nach dem Zeitpunkt, in dem sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu begehren verpflichtet waren, Zahlungen geleistet werden. In der Insolvenz der Gesellschaft ist zur Geltendmachung des Schadens der Insolvenzverwalter berufen, weil der Ersatzanspruch Teil der Insolvenzmasse ist (stRsp zB 5 Ob 38/72 SZ 45/46 mwN; 9 ObA 416/97k).
§ 25 Abs 3 Z 2 GmbHG bringt auch das Gebot zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags (§ 69 Abs 2 und 3 IO) zum Ausdruck (5 Ob 38/72; Schummer, Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen Konkursverschleppung – ebenfalls ein Irrweg? in FS Koppensteiner, 211 [215]).
1.2. Die aktienrechtliche Parallelbestimmung § 84 Abs 3 Z 6 AktG verbietet grundsätzlich (vgl 1.3) Zahlungen, „nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat“, also nach Eintritt der materiellen Insolvenz. Nach zu teilender herrschender Auffassung der Lehre ist es im Hinblick auf den übereinstimmenden Zweck der beiden Normen sachgerecht (Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1167 [FN 85]; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/47; U. Torggler/Trenker, Zur Organhaftung für Gläubigerbevorzugung gemäß § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG, § 84 Abs 3 Z 6 AktG, JBl 2013, 613 [624 mwN]), in analoger Erweiterung auch bei der GmbH das Zahlungsverbot grundsätzlich mit dem Eintritt der materiellen Insolvenz beginnen zu lassen und nicht unter Umständen erst 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§ 69 Abs 2 iVm Abs 4 IO). Die der Klage zugrunde liegenden Zahlungen sind im Übrigen lange nach dem Ablauf der 60-Tage-Frist geleistet worden.
1.3. Nach dem 2. Halbsatz des § 84 Abs 3 Z 6 AktG sind Zahlungen, die auch nach Eintritt der materiellen Insolvenz mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, vom Zahlungsverbot ausgenommen. Nach herrschender Auffassung ist dieser Ausnahmetatbestand analog im GmbH-Recht anzuwenden (Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall 234 f; Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1167 f; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 25 Rz 9; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/47 mwN; U. Torggler/Trenker, aaO, JBl 2013, 613 [626]).
Unter diese Ausnahme fallen – wie schon das Berufungsgericht festhielt – zB Zahlungen an ohnehin voll zu befriedigende Aus- oder Absonderungs- oder Aufrechnungsberechtigte in Höhe des Werts des Aussonderungs-/Sicherungsguts bzw der Gegenforderung oder Zahlungen innerhalb der Antragsfrist (§ 69 IO), die zur Unternehmensfortführung notwendig sind, etwa Zahlungen in Erfüllung zweckmäßiger Zug-um-Zug-Geschäfte (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 68 mwN; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [626 f]). Im Hinblick auf die strafrechtliche Sanktionierung des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB) und auf die Haftung des Geschäftsführers für Beitragsschuldigkeiten (§ 67 Abs 10 ASVG; vgl VwGH 2005/08/0129; Ra 2015/08/0040) sind unter die Ausnahme auch die Zahlung von Dientsnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung zu zählen (U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [626 f]). Unter diesem Gesichtspunkt wird im fortzusetzenden Verfahren auch die festgestellte Zahlung an die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse zu erörtern sein.
2.1. Nach Wortlaut und Systematik (§ 25 Abs 3 Z 2 GmbHG als Sondertatbestand dessen Abs 2) handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch aus Insolvenzverschleppung (vgl 5 Ob 38/72; 8 Ob 624/88; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613). Zahlungen nach Insolvenzreife führen zwar nicht zu einem Betriebsverlust (Schaden) der Gesellschaft (vgl 5 Ob 38/72; Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 68; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [614]; auch bilanziell handelt es sich bei der Zahlung einer Schuld um einen erfolgsneutralen Vorgang, der lediglich zu einer Bilanzverkürzung, nicht aber zu einer Erhöhung der Überschuldung führt [Dellinger aaO]).
In Wahrheit sind die Gläubiger der Gesellschaft die Geschädigten, denn durch jeden Abgang von Aktiven verringern sich die Befriedigungschancen der verbleibenden Gläubiger und damit deren Insolvenzquote (U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [614]). Der Haftungstatbestand ermöglicht die Abwicklung des den Gläubigern durch die Masseschmälerung entstehenden Schadens über das Gesellschaftsvermögen (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 68; „Haftungskanalisierung“: S.-F. Kraus/U. Torggler in Torggler, GmbHG § 25 Rz 12; Artmann/Rüffler, Gesellschaftsrecht Rz 964). Der Zweck dieses Zahlungsverbots besteht darin, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (9 ObA 138/12b; Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1168, 1171).
2.2.1. Der aus unzulässigen Zahlungen des Geschäftsführers nach Eintritt der materiellen Insolvenz der Gesellschaft entstandene Schaden besteht nach der Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 38/72 (vgl RIS-Justiz RS0059751; Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 68; vgl ders, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall 237 f; Schuhmacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 § 69 KO Rz 163; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/50) darin, dass durch die verspätete Insolvenzanmeldung und die inzwischen geleisteten „Zahlungen“ das als Insolvenzmasse verteilbare Gesellschaftsvermögen geschmälert wurde. Der Ersatzanspruch steht der Gesellschaft zu. Es wird demnach an einen Gesamtschaden im Sinn einer Masseschmälerung während der Insolvenzverschleppungsphase angeknüpft und nicht auf einen Ersatz jeder einzelnen unzulässigen Zahlung abgestellt (anders die herrschende Meinung [insbesondere jene des deutschen Bundesgerichtshofs] zu § 64 Satz 1 dGmbHG, der nicht als Schadenersatznorm, sondern ua im Hinblick auf den Wortlaut [„zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet“] als „Erstattungsanspruch eigener Art“ verstanden wird [ablehnend Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG11 § 64 Rz 9 ff und Rz 61 ff mN, nach dessen Ansicht § 64 Satz 1 dGmbHG nur eine Darlegungs- und Beweiserleichterung für den durch Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen angerichteten Gesamtschaden der Gläubiger enthält]).
2.2.2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind auch Zahlungen an Gläubiger tatbestandsmäßig, die ihre Forderungen aus der Zeit nach Eintritt der materiellen Insolvenz erworben haben, können doch auch Zahlungen an Neugläubiger das verteilungsfähige Gesellschaftsvermögen schmälern. Die Schmälerung verringert die Insolvenzquote sowohl der Alt- als auch der Neugläubiger. Die Gleichbehandlung aller (Insolvenz-)Gläubiger wird durch die Beseitigung der Masseverschmälerung bewirkt (vgl Schummer, Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen Konkursverschleppung – ebenfalls ein Irrweg? in FS Koppensteiner, 211 [215]; S.-F. Kraus/U. Torggler, GmbHG § 25 Rz 14). Der Ersatz durch den Geschäftsführer kommt sowohl den Gläubigern aus der Zeit vor der materiellen Insolvenz („Altgläubiger“) als auch den Neugläubigern zugute, die beide sonst insoweit infolge der Insolvenzverschleppung einen „Quotenschaden“ erleiden (vgl 2 Ob 117/12p; ErläutRV 124 BlgNR 22. GP 24; Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 74).
2.3.1. Den aus der unzulässigen Zahlung der Gesellschaft entstandenen Schaden hat die Gesellschaft im Prozess gegen den Geschäftsführer darzutun (5 Ob 38/72; 9 ObA 416/97k).
2.3.2. U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613, 614, 617, vertreten im Hinblick auf den Normzweck des § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG, der nicht darin bestehe, den Geschäftsführer unabhängig von einer Gläubigerbenachteiligung zur Haftung heranzuziehen, die Auffassung, der Schadensumfang in Höhe des massemindernden Vermögensabflusses durch einzelne Zahlungen werde widerleglich vermutet (vgl Artmann/Rüffler, Gesellschaftsrecht Rz 964).
2.3.3. Diese Auffassung stimmt im Ergebnis mit der Entscheidung 5 Ob 38/72 überein. Darin wurde ausgesprochen, der Schaden in dem zugrundeliegenden Fall entspreche der Summe der verbotenen Zahlungen, weil die Weiterführung des Unternehmens einen diesen Zahlungen entsprechenden Betriebsgewinn nicht erbracht habe, diese Gläubiger im Insolvenzverfahren nicht zum Zug gekommen wären und eine Anfechtung der Zahlungen nicht mehr möglich sei.
Demnach reicht es für den Erfolg der Klage desjenigen, der für die Gesellschaft den Ausgleich des Gesamtgläubigerschadens begehrt, wenn er die verbotenen Zahlungen darlegt und gegebenenfalls beweist. Damit wird der Gesellschaft bzw ihrem Insolvenzverwalter die schwierige Darlegung und Beweisführung hinsichtlich des Insolvenzverschleppungsschadens erleichtert (vgl Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG11 § 64 Rz 16, 63 und 68).
2.3.4. Im Hinblick auf den Zweck des Haftungstatbestands des § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG vertritt auch der erkennende Senat, dass die Höhe des der Gesellschaft entstandenen Schadens in Höhe der verbotenen Zahlungen widerleglich vermutet wird, wie dies bereits in der Entscheidung 5 Ob 38/72 implizit zum Ausdruck kommt.
2.3.5. Der Geschäftsführer kann den Gegenbeweis führen, dass die für die Erreichung der hypothetischen Quote bei rechtzeitigem Insolvenzantrag erforderliche Zahlung, also der Gesamtgläubigerschaden, geringer als die eingeklagte Summe ist. Der Gesamtgläubigerschaden entspricht dem Betrag, um den die Insolvenzmasse zur Herbeiführung der ohne Insolvenzverschleppung erzielbaren Quote erhöht werden muss (vgl Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG11 § 64 Rz 69).
2.4. Die erfolgreiche Anfechtung einer Zahlung (§§ 27 ff IO) vermindert den Schaden, sodass insoweit eine Haftung des Geschäftsführers entfällt (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 69). Nach herrschender Rechtsprechung (5 Ob 38/72; RIS-Justiz RS0059751) hat der Geschäftsführer ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn und solange die Zahlung gegenüber dem Leistungsempfänger noch anfechtbar ist (vgl Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG11 § 64 Rz 70; abl U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613, 619). Zur Kritik an dieser Rechtsprechung muss nicht Stellung genommen werden, weil die Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht nicht einwendeten.
2.5.1. Der Schaden verringert sich nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre um die Quote, die der vom Geschäftsführer unzulässigerweise befriedigte Gläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte (RIS-Justiz RS0059751; Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall 235; ders in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 69; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/51 mwN; Adensamer/Oelkers/Zechner, Unternehmenssanierung zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht 38; Schuhmacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht4 § 69 KO Rz 171; Reisch/Winkler in Lichtkoppler/Reisch, Unternehmenssanierung 20).
2.5.2. Abweichender Ansicht sind Koppensteiner/Rüffler (GmbHG³ § 25 Rz 21) und U. Torggler/Trenker (JBl 2013, 613 [616 f]). Sie vertreten die Auffassung, dem Normzweck entspreche eine Anrechnung der fiktiven Quote auf den Schaden nicht. Die herrschende Meinung führe dazu, dass der Insolvenzverwalter mit der Geltendmachung seines Anspruchs bis zur Ermittlung der exakten Quote zuwarten müsste. Der Geschäftsführer müsse daher zunächst den vollen Betrag an die Masse zahlen. Um aber deren Bereicherung zu vermeiden, sei ihm ein Gegenanspruch in Höhe der Quote einzuräumen, wie sie dem von ihm befriedigten Gläubiger zugestanden wäre (Koppensteiner/Rüffler aaO). Nach Auffassung von U. Torggler/Trenker vermindert die fiktive Quote des befriedigten Gläubigers den Ersatzanspruch nur, wenn der Geschäftsführer deren Höhe beweisen kann. Gelinge ihm dieser Beweis nicht, könne er aufgrund einer Gesamtanalogie zu §§ 896, 1042, 1358, 1422 ABGB und §§ 17, 41 IO eine mit dem Anspruch des befriedigten Gläubigers identische Forderung in der Insolvenz der Gesellschaft anmelden, andernfalls die Insolvenzmasse ohne sachliche Berechtigung bereichert wäre.
2.5.3. Die Entscheidungen 5 Ob 38/72 und 9 ObA 416/97k gehen stillschweigend davon aus, dass der beklagte Geschäftsführer die Insolvenzquote, die dem Leistungsempfänger im Insolvenzfall zugefallen wäre, zu behaupten und zu beweisen hat. Daran ist festzuhalten, handelt es sich doch um eine den Anspruch mindernde Tatsache, für die nach allgemeinen Regeln der Beklagte beweispflichtig ist (RIS-Justiz RS0106638). Jedenfalls insofern besteht Übereinstimmung mit U. Torggler/Trenker.
3.1. Das Tatbestandsmerkmal „Zahlungen“ wird nach herrschender Auffassung weit verstanden (Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1168; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/48 mwN; J. Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG § 25 Rz 140; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [625 f mwN]). Letztlich sollen alle zahlungsähnlichen Handlungen tatbestandsmäßig sein, mit denen die Insolvenzmasse geschmälert wird (Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1168; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/48 mwN).
Die bloße Begründung neuer Verbindlichkeiten ist aber keine „Zahlung“ (Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 68; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [625]; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/49; Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1169).
3.2.1. Eingänge von Schuldnern der Gesellschaft auf einem debitorischen Konto der Gesellschaft sind nach herrschender Lehre als Zahlungen im Sinn des § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG anzusehen, weil sie die Kreditverbindlichkeit verringern (Karollus in Feldbauer-Durstmüller/Schlager, Krisenmanagement – Sanierung – Insolvenz² 1168; Binder in Ratka/Rauter, Geschäftsführerhaftung² Rz 3/47 f mwN; Feltl/Told in Gruber/Harrer, GmbHG § 25 Rz 113; Dellinger in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 69 KO Rz 68; vgl aber ders, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall 236 f: einer Zahlung „ähnlich“).
3.2.2. Hingegen werden Überweisungen von einem debitorischen Bankkonto der Gesellschaft an einzelne Gesellschaftsgläubiger nicht zu den „Zahlungen“ gezählt, schmälern sie doch weder die Insolvenzmasse, noch gehen sie zum Nachteil der Gläubigergesamtheit, sondern handelt es sich vielmehr um eine Zahlung mit Kreditmitteln, die einen bloßen, masseneutralen Gläubigertausch zur Folge hat, wenn die Bank über keine diese deckenden Gesellschaftssicherheiten verfügt (vgl BGH II ZR 258/08; J. Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG § 25 Rz 141; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [625]; Karsten Schmidt, Debitorisches Bankkonto und Insolvenzverschleppungshaftung: Ist Geben seliger denn Nehmen?, ZIP 2008, 1401).
3.2.3. Die Masseschmälerung bei Einzahlungen von Kunden der Gesellschaft und Auszahlungen der Bank vom debitorisch geführten Konto besteht aber nicht in Höhe der gesamten in das Kontokorrentverhältnis eingestellten Forderungen der Gesellschaft (vermindert um die hypothetische Quote der dadurch getilgten Verbindlichkeiten). Denn der laufenden Zahlung von Kunden entspricht eine laufende Neuausschöpfung des Kreditrahmens, deren Zulassung durch die Bank mit den Zahlungen der Kunden in einer Art Zug-um-Zug-Verhältnis steht (Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung 238). Masseschmälernd wirkt nur die Verringerung des Schuldsaldos vom Eintritt der materiellen Insolvenz bis zur Insolvenzeröffnung (Dellinger, Vorstands- und Geschäftsführerhaftung 238; U. Torggler/Trenker, JBl 2013, 613 [615]; vgl Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG11 § 64 Rz 42; vgl oben Punkt 2.3.3.).
3.3. Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers hat das Berufungsgericht die Frage der Zahlung von einem debitorischen Konto nicht aufgrund einer unzulässigen Neuerung in der Berufung thematisiert; auch liegen in diesem Punkt entgegenstehende Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht vor. Die Frage, ob eine Zahlung die verteilungsfähige Insolvenzmasse schmälert, ist eine Rechtsfrage. Die Beklagten brachten in erster Instanz vor (ON 17 S 9 f = AS 61 f), dass die Zahlungen von einem debitorischen Konto erfolgt seien und der Schaden nicht mit den Zahlungen gleichzusetzen sei. Ihrem Vorbringen lässt sich zudem entnehmen, dass der Zahlungsverkehr der Gesellschaft über ein bestimmtes Bankkonto, das stets im Debet war und auf das Eingänge von Kunden gutgebucht wurden, abgewickelt wurde. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Punkt aufgehoben, weil aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung Feststellungen fehlen. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen das Parteienvorbringen zu erörtern, zu relevanten strittigen Tatsachenbehauptungen geeignete Beweise aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Leitsätze
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Zahlungsverbot ab Eintritt der materiellen Insolvenz einer GmbH
Das Zahlungsverbot ab Eintritt der materiellen Insolvenz gem § 84 Abs 3 Z 6 AktG gilt analog auch für die GmbH. Für Zahlungen nach diesem Zeitpunkt, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, haftet der Geschäftsführer. Das Tatbestandsmerkmal „Zahlung“ verlangt die Verminderung der Insolvenzmasse, so sind Zahlungen von einem debitorischen Konto der GmbH an einzelne Gläubiger keine Zahlung iSd Zahlungsverbotes.WEKA (ffa) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 164/16k | OGH vom 26.09.2017 | Dokument-ID: 971949