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6 Ob 186/08h; OGH; 6. November 2008
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.–Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.–Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch DDr. Harald Schröckenfuchs, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Rohregger Rechtsanwalt GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G*****, vertreten durch 1. Kerres Rechtsanwalts GmbH in Wien, 2. Mag. Peter Melicharek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung gemäß § 41 GmbHG, über den Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 9. Mai 2008, GZ 2 R 53/08s–30, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19. Juli 2007, GZ 40 Cg 36/07f–22, abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
1.
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
2.
Die angefochtene Entscheidung wird ersatzlos behoben und das Verfahren ab einschließlich der Klagezustellung für nichtig erklärt.
3. Der von der Nebenintervenientin, vertreten durch Mag. Peter Melicharek, Rechtsanwalt in Wien, eingebrachte weitere Schriftsatz vom 13.08.2008, eingelangt beim Obersten Gerichtshof am 14.08.2008, wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.
Begründung
Die Klägerin ist zu 50 % am Stammkapital der beklagten GmbH beteiligt. Der Alleingesellschafter und einzige Geschäftsführer der Klägerin Mag. Hans–Georg W***** ist zugleich selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beklagten. Seit 03.10.2006 kann die Beklagte auch durch den weiteren kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer Eberhard K***** gemeinsam mit der Gesamtprokuristin Petra N***** vertreten werden. Mit der vorliegenden Anfechtungsklage begehrt die Klägerin (zusammengefasst) die Nichtigerklärung von in der Generalversammlung der Beklagten am 12.02.2007 gefassten Beschlüssen, womit a) dem Geschäftsführer die Weisung erteilt wurde, das Schiedsverfahren (die Schiedsklage) namens der Gesellschaft unter Anspruchsverzicht zurückzuziehen und das Verfahren einzustellen, und b) die Gesellschafter zur Kenntnis nehmen, dass der Gesellschaftsvertrag in seiner Urfassung vom 13.09.1999 weiterhin in Geltung ist, insbesondere auch Punkt 5 Abs 13, der am 03.10.2006 scheinbar geändert wurde; in eventu wird zu beiden Punkten die Feststellung begehrt, dass derartige Beschlüsse nicht gefasst wurden; weiters begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, das Schiedsverfahren (die Schiedsklage) gegen die G***** unter Anspruchsverzicht zurückzuziehen und das Verfahren einzustellen. Die Generalversammlung der Beklagten habe rechtswidrige Beschlüsse und Scheinbeschlüsse gefasst. Drei von ihnen habe die Klägerin bereits in einem anderen Verfahren angefochten, das Verfahren sei durch Anerkenntnisurteil vom 27.02.2007 erledigt. Die zweite zu 50 % an der Beklagten beteiligte Gesellschafterin ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei beigetreten.
Die Klage wurde über ausdrückliche Anordnung des Erstgerichts an den kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten Eberhard K***** zugestellt. Als Vertreterin der beklagten GmbH schreitet die im Spruch genannte Rechtsanwalt GmbH ein; sie erstattete Klagebeantwortung. Nach Aufforderung des Erstgerichts, einen Vollmachtsnachweis vorzulegen, berief sich die beklagte Partei auf eine von ihrem selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer Mag. Hans–Georg W***** in ihrem Namen erteilte Vollmacht vom 20.11.2006. Darin hatte sie die Rechtsanwalt GmbH „zur Vertretung der Vollmachtgeberin in allen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren und Belangen sowie zur Führung aller gerichtlichen Prozesse bevollmächtigt und ermächtigt". Sie sei „ermächtigt, nach eigenem Ermessen selbstständig für die Vollmachtgeberin einzuschreiten und zu handeln“ – und weiter – „Die vorliegende Vollmacht umfasst auch eine Prozessvollmacht gemäß § 31 ZPO. Vollmacht und Ermächtigung erstrecken sich insbesondere auf das vor dem Handelsgericht Wien zu 11 Cg 183/06h bereits anhängige Verfahren einschließlich des Provisorialverfahrens sowie auf alle sonstigen, auch zukünftigen, gesellschaftsrechtlichen, firmenbuchrechtlichen und sonstigen Verfahren. Vollmacht und Ermächtigung sind jederzeit widerruflich“. Das Erstgericht ging angesichts der Vollmachtserteilung durch den selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Beklagten, der zugleich auch einziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin ist, von einem Mangel der gesetzlichen Vertretung aus und forderte die Beklagte auf, binnen vierzehn Tagen eine ordnungsgemäße Vollmacht vorzulegen, wie etwa die Bevollmächtigung durch einen Gesellschafterbeschluss oder durch den Aufsichtsrat. Die Beklagte vertrat daraufhin den Standpunkt, ihr Geschäftsführer habe die Beklagtenvertreterin mit Vollmacht vom 20.11.2006 zu ihrer Vertretung in allen gerichtlichen Verfahren bevollmächtigt und ermächtigt, ein Widerruf der Vollmacht sei nicht erfolgt. Dass der Geschäftsführer der Beklagten seine Handlungsfähigkeit in einzelnen Angelegenheiten zwischenzeitig verloren habe, habe keinen Einfluss. Mit Schriftsatz vom 10.08.2007 beantragte die Nebenintervenientin die Bestellung eines Prozesskurators, in eventu eines Notgeschäftsführers. Bei Mag. Hans–Georg W***** trete eine Interessenkollision auf, wodurch er als gesetzlicher Vertreter der Beklagten von deren Vertretung im Verfahren auf Nichtigerklärung von Generalversammlungsbeschlüssen der Beklagten ausgeschlossen sei. Das Erstgericht wies die Klagebeantwortung und einen Schriftsatz der Beklagten vom 28.08.2007 zurück (Punkt 1), wies den Antrag der Nebenintervenientin auf Bestellung eines Prozesskurators „als unzulässig“ zurück (Punkt 2) und trat den Antrag der Nebenintervenientin auf Bestellung eines Notgeschäftsführers an das sachlich zuständige Handelsgericht Wien als Firmenbuchgericht zur weiteren Erledigung ab (Punkt 3). Der Geschäftsführer der Klägerin habe als Geschäftsführer der Beklagten der Beklagtenvertreterin Prozessvollmacht in einem Verfahren erteilt, das Weisungen an ihn selbst bzw deren Beseitigung zum Gegenstand habe. In einem derartigen Verfahren sei er nicht vertretungsbefugt. Seine mangelnde Postulationsfähigkeit sei von Amts wegen zu prüfen. Die Beklagte habe trotz Aufforderung die aus der Personalunion entstandene Interessenkollision nicht beseitigt. Voraussetzung für die Bestellung eines Prozesskurators sei allerdings ein Antrag des Prozessgegners, nämlich der klagenden Partei. Für die Bestellung eines Notgeschäftsführers sei das Firmenbuchgericht zuständig. Die Beklagte bekämpfte Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses und gab anlässlich ihres Rekurses bekannt, dass sie – vertreten durch den weiteren Geschäftsführer Eberhard K***** und die (Gesamt–)Prokuristin Petra N***** – am 09.01.2008 der Beklagtenvertreterin neuerlich Vollmacht zum Einschreiten in allen gerichtlichen Verfahren erteilt habe; die Beklagtenvertreterin berufe sich auf diese Vollmacht. Vertreten durch Eberhard K***** und Petra N***** habe die Beklagte die bisherige Prozessführung durch die Beklagtenvertreterin am 09.01.2008 genehmigt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und hob den Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1 (Zurückweisung der Klagebeantwortung und des Schriftsatzes der Beklagten vom 28.08.2007) ersatzlos auf. Im Verfahren auf Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses werde die beklagte Gesellschaft durch die Geschäftsführer vertreten. Klage jedoch ein Geschäftsführer selbst, so werde die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten. Sei in einem solchen Fall weder ein Aufsichtsrat noch ein anderer Vertreter der Gesellschaft vorhanden, habe das Gericht einen Kurator zu bestellen. Eine nicht ausreichende Vertretung durch andere Geschäftsführer sei nur dann anzunehmen, wenn die Vertretung weder durch die Geschäftsführer noch durch Geschäftsführer gemeinsam mit Prokuristen möglich sei.
Das Rekursgericht ging – vom Vorbringen der Beklagten und dem Inhalt der Vollmachtsurkunde abweichend – davon aus, dass die ursprüngliche Vollmachtserteilung durch den selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer am 30.04.2006 stattgefunden habe; somit zu einem Zeitpunkt, zu dem Mag. Hans–Georg W***** nur gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer hätte vertreten können. Demnach sei – nach Auffassung des Rekursgerichts – die von ihm allein erteilte Prozessvollmacht schwebend unwirksam. Eine Sanierung sei dadurch erfolgt, dass der zweite Geschäftsführer und die gemeinsam mit ihm vertretungsbefugte Gesamtprokuristin am 09.01.2008 Prozessvollmacht erteilt und die Prozessführung genehmigt hätten. Dass sich die Beklagte erst im Rekurs auf eine derartige Genehmigung berufen habe, schade nicht, weil andernfalls das Rekursgericht einen entsprechenden Auftrag hätte erteilen müssen. Das Gericht habe nämlich den Mangel der gesetzlichen Vertretung in jeder Lage des Rechtsstreits – auch noch im Rechtsmittelverfahren – von Amts wegen zu berücksichtigen und die zu seiner Beseitigung erforderlichen Aufträge zu erteilen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000,– übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Vertretung gemäß § 42 Abs 1 GmbHG „durch andere Geschäftsführer“ eine organschaftliche Vertretung erfordere oder auch eine gemischte Gesamtvertretung durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen möglich sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Nebenintervenientin ist zulässig und berechtigt.
1. Ein Gesellschafter, der gemäß § 42 Abs 5 GmbHG dem Verfahren auf Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beitritt, wird als streitgenössischer Nebenintervenient im Sinn des § 20 ZPO behandelt. Die Hauptpartei kann deshalb im Anfechtungsprozess Prozesshandlungen des Nebenintervenienten nicht zurücknehmen; der Nebenintervenient kann insoweit auch im Widerspruch zur Hauptpartei tätig werden (RIS–Justiz RS 0036021; 9 Ob 64/03g = SZ 2003/74).
Davon abgesehen macht die Nebenintervenientin inhaltlich erneut geltend, die Beklagte sei im Verfahren nach § 42 Abs 1 GmbHG nicht vertreten. Ihr Vorbringen enthält einen Nichtigkeitsvorwurf im Sinn des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO. Sie will damit die Hauptpartei davor bewahren, von einer nicht vertretungsbefugten Person vertreten zu werden. Materiell unterstützt somit ihr Einwand und das Begehren, den Beschluss des Rekursgerichts ersatzlos zu beheben und das gesamte Verfahren für nichtig zu erklären, auch die Interessen der Hauptpartei im Sinn des § 19 ZPO.
Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs der Nebenintervenientin zulässig, obgleich er jenen Beschluss des Rekursgerichts bekämpft, den die Hauptpartei erwirkt hatte.
2.1. Gemäß § 42 Abs 1 GmbHG wird die Gesellschaft im Verfahren auf Nichtigerklärung eines Beschlusses ihrer Gesellschafter durch die Geschäftsführer (in vertretungsbefugter Zahl), wenn Geschäftsführer aber selbst klagen, durch den Aufsichtsrat vertreten. Ist im Fall einer Klage eines Geschäftsführers weder ein Aufsichtsrat noch ein „anderer Vertreter der Gesellschaft“ vorhanden, so hat das Gericht einen Kurator zu ernennen. Sind mehrere zeichnungsberechtigte Geschäftsführer bestellt, von denen nur einer als Kläger auftritt, kann die Gesellschaft im Anfechtungsverfahren durch die weiteren (nicht klagenden) Geschäftsführer in vertretungsbefugter Zahl vertreten werden (NZ 1989, 249; Gellis, GmbHG6 § 42 Rz 1; Reich–Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 396; Rüffler/Koppensteiner, GmbHG³ § 42 Rz 3). Der klagende Gesellschafter-Geschäftsführer ist von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen (Reich–Rohrwig aaO). Gleiches gilt für den Geschäftsführer und Alleingesellschafter jener Gesellschafterin, die als Anfechtungsklägerin auftritt. Auch er ist wegen der durch die Klageführung bewirkten Interessenkollision von der Vertretung der beklagten Gesellschaft im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen.
2.2. Dass der Ausschluss des Gesellschafter-Geschäftsführers von der Vertretung der Beklagten im Anfechtungsverfahren auch für seinen Vertreter gilt, deshalb auch nicht durch die Bestellung eines Rechtsvertreters umgangen werden kann und es nicht darauf ankommt, ob der Vertreter hinsichtlich der Ausübung seiner Vertretungsmacht instruiert wurde, hat der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 6 Ob 28/08y (und ihr folgend 6 Ob 98/08t) und jüngst – eine Schwestergesellschaft der hier beklagten GmbH betreffend – 6 Ob 158/08s erkannt.
An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Dass der selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Beklagten in deren Namen Prozessvollmacht vor Einbringung der Anfechtungsklage erteilte, konnte den durch die Klageführung hervorgerufenen Konflikt zwischen seinen Interessen als Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin und jenen der gleichfalls von ihm vertretenen Beklagten schon deshalb nicht verhindern, weil er sich als Vollmachtgeber die jederzeitige Widerrufbarkeit der Prozessvollmacht vorbehalten hatte.
3. Das Rekursgericht ist aufgrund des Vorbringens der Beklagten in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss davon ausgegangen, dass der zweite kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführer gemeinsam mit der Gesamtprokuristin der Beklagtenvertreterin am 09.01.2008 (neuerlich) Vollmacht erteilt und deren bisherige Prozessführung genehmigt hatten.
Entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin sind Vollmachtserteilung und Genehmigung der Prozessführung auch im Rechtsmittelverfahren noch grundsätzlich möglich. Diese Vorgangsweise dient nämlich der Beseitigung eines in jeder Lage des Verfahrens aufzugreifenden Mangels der gesetzlichen Vertretung einer Partei im Sinn des § 477 Abs 1 Z 5 iVm § 477 Abs 2 ZPO. Die Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung ist auch noch im Rechtsmittelverfahren möglich (RIS–Justiz RS 0035555 [T2]). Sie muss aber durch jenes Organ erfolgen, das die GmbH im Anfechtungsstreit vertreten kann.
4.1. Es ist daher zu prüfen, ob der kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführer der Beklagten gemeinsam mit der Gesamtprokuristin im Anfechtungsstreit wirksam vertreten und demnach der Beklagtenvertreterin namens der beklagten GmbH wirksam Prozessvollmacht erteilen und deren bisherige Prozessführung genehmigen konnte.
4.2. Die Erteilung kollektiver Zeichnungsberechtigung an einen Geschäftsführer zur gemeinsamen Vertretung mit Gesamtprokuristen (sogenannte gemischte oder unechte Gesamtvertretung) wird als zulässig angesehen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht (§ 18 Abs 3 GmbHG) und sichergestellt ist, dass die GmbH von einem oder mehreren Geschäftsführern auch ohne Mitwirkung von Prokuristen vertreten werden kann (Gellis, GmbHG6 § 18 Rz 14; Pöltner, Notgeschäftsführer 8 f; Reich–Rohrwig, Das österreichische GmbH–Recht I² Rz 2/203 und 204; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 18 Rz 22; Wünsch, Zur Ausübung der Vertretungsmacht durch GmbH-Geschäftsführer, GesRz 1992, 229 [234]).
Als unzulässig wird die Vertretung durch einen Geschäftsführer nur gemeinsam mit einem Prokuristen angesehen (stRsp RIS–Justiz RS 0059956; Gellis aaO; Koppensteiner/Rüffler aaO; Wünsch, GesRz 1992, 229 [234]).
Im Fall unechter Gesamtvertretung richten sich die Befugnisse des Gesamtprokuristen – über den Umfang der in § 49 UGB umschriebenen Prokura hinaus – nach dem Umfang der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters (Geschäftsführers) des betreffenden Rechtsträgers, mit dem er gemeinsam vertritt (6 Ob 224/01m = SZ 74/169; RIS–Justiz RS 0059950; Reich–Rohrwig aaO, Rz 2/204; Koppensteiner/Rüffler aaO; Schinko in Straube, HGB I³ § 48 Rz 24; Umlauft, GmbHG Rz 295 f; Wünsch, GesRz 1992, 235 f).
4.3. Die Frage, ob eine GmbH in einem von ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer angestrengten Verfahren auf Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses durch den zweiten, nur gemeinsam mit einer Prokuristin vertretungsbefugten Geschäftsführer vertreten werden kann, war bisher noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
Die Nebenintervenientin macht geltend, die Prokuristin sei durch den von der Vertretung im Anfechtungsverfahren ausgeschlossenen Geschäftsführer bestellt und ihm weisungsunterworfen. Sie sei dessen verlängerter Arm. Eine Vertretung der Gesellschaft durch sie und dem kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer Eberhard K***** wahre die Interessen der Gesellschaft nicht ausreichend. Die Vollmachtserteilung an den Beklagtenvertreter und die Genehmigung seiner bisherigen Prozessführung habe deshalb keine Sanierung herbeigeführt.
4.4. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im Zusammenhang mit der Prüfung eines Insichgeschäfts (vor In–Kraft–Treten der Absätze 5 und 6 des § 18 GmbHG idF EU-GesRÄG 1996) ausgesprochen, dass dessen Unzulässigkeit nicht dadurch umgangen werden kann, dass die einzige Geschäftsführerin der GmbH das für die Gesellschaft ungünstige Geschäft mit einem von ihr zur Vertretung der GmbH bestellten Einzelprokuristen abschließt (3 Ob 2106/96v = SZ 71/27). In einer weiteren Entscheidung (10 Ob 216/02s = ecolex 2003/376) hat der Oberste Gerichtshof diesen Grundsatz erneut aufgegriffen. Er hat die Befugnis eines Prokuristen zum Abschluss eines Vertrags namens der Gesellschaft mit deren Geschäftsführerin unter Hinweis auf seine Abhängigkeit von der Geschäftsführerin verneint. Angesichts der mangelnden Befugnis des Prokuristen, den Vertrag namens der Gesellschaft abzuschließen, sei aber auch eine spätere Genehmigung des Geschäfts durch ihn wirkungslos.
4.5. Eine vergleichbare Abhängigkeitssituation tritt aber auch dann ein, wenn der Prokurist berechtigt wäre, die GmbH in einem Verfahren auf Nichtigerklärung von Generalversammlungsbeschlüssen – wenngleich in unechter Gesamtvertretung mit einem kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer – zu vertreten, wenn der Geschäftsführer der GmbH, der ihn bestellte und zu seiner Abberufung berechtigt ist, in diesem Verfahren auf Klagsseite einschreitet. In einem solchen Fall besteht nämlich die Möglichkeit einer faktischen Einflussnahme des klagenden Geschäftsführers auf den Prokuristen, weshalb eine unbeeinflusste adäquate Vertretung der Interessen der Gesellschaft nicht gewährleistet erscheint (vgl Koppensteiner/Rüffler aaO, § 35 Rz 39, wonach die Bestellung eines Prozessvertreters auch dann geboten ist, wenn die Gesellschaft zwar organschaftlich vertreten werden kann, im Einzelfall aber nicht mit einer adäquaten Wahrung ihrer Interessen zu rechnen ist).
Aus diesen Überlegungen ergibt sich zusammenfassend:
Tritt der Geschäftsführer einer GmbH im Verfahren auf Nichtigerklärung eines Beschlusses ihrer Gesellschafter als Kläger auf, so kommt eine unechte Gesamtvertretung der Gesellschaft durch einen weiteren Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen nicht in Betracht. In einem solchen Fall kann die Gesellschaft nur durch weitere (nicht auf Klagsseite einschreitende) Geschäftsführer in vertretungsbefugter Zahl, durch den Aufsichtsrat, einen von den Gesellschaftern bestellten Vertreter zur Prozessführung (§ 35 Abs 1 Z 6 letzter Satz GmbHG) oder durch einen vom Gericht bestellten Kurator oder einen Notgeschäftsführer vertreten werden.
5. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die beklagte Gesellschaft nach wie vor eines Vertreters im Verfahren nach § 42 GmbHG entbehrt (§ 477 Abs 1 Z 5 ZPO).
Ihr selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer war als klagender Gesellschafter–Geschäftsführer von der Vertretung ausgeschlossen. Dieser Ausschluss gilt nach dem oben Gesagten auch für die von ihm bestellte Rechtsvertreterin, die die Interessen der Gesellschaft nicht unabhängig von den Interessen des von der Vertretung ausgeschlossenen Geschäftsführers führen konnte (6 Ob 158/08s; 6 Ob 28/08y). Dass die Vollmachtserteilung durch den selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer vor Klageeinbringung erfolgte, wirkt sich hier nicht aus, weil der Ausschluss des klagenden Geschäftsführers von der Vertretung der beklagten GmbH auch seinen Vertreter unabhängig vom Zeitpunkt seiner Bestellung erfasst. Die Bestellung der Beklagtenvertreterin konnte den Konflikt zwischen den Interessen des Vollmachtgebers, der zugleich Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin ist, nicht beseitigen, weil dieser sich – wie sich aus der von der Beklagten selbst vorgelegten Vollmachtsurkunde ergibt – die jederzeitige Widerruflichkeit der Vollmacht vorbehalten hatte. Auch daraus wird deutlich, dass die Vertretungstätigkeit der Beklagtenvertreterin für die GmbH nicht völlig unabhängig von den Interessen des Alleingesellschafters und Alleingeschäftsführers der Klägerin geführt werden kann. Der weitere, bloß kollektivvertretungsbefugte Geschäftsführer Eberhard K***** ist nur passiv vertretungsberechtigt, er kann die Beklagte im Anfechtungsprozess nicht aktiv vertreten. Die Zustellung der Klage erfordert jedoch aktives Handeln namens der GmbH, zu dem weder er, noch der als Geschäftsführer der Anfechtungsklägerin einschreitende weitere Geschäftsführer berechtigt sind. In einem solchen Fall ist – mangels Vorhandensein eines gesetzlichen Vertreters der beklagten Partei - schon die Zustellung der Klage unwirksam.
6. Dem Revisionsrekurs der Nebenintervenientin war somit Folge zu geben, die angefochtene Entscheidung war ersatzlos aufzuheben und das Verfahren ab einschließlich Klagezustellung für nichtig zu erklären.
7. Der weitere Schriftsatz der Nebenintervenientin, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peter Melicharek musste unter Beachtung des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels zurückgewiesen werden.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 51 Abs 2 ZPO. Das Verschulden an der Nichtigkeit trifft nicht eine Partei allein.
Leitsätze
-
Unechte Gesamtvertretung bei nichtigen Beschlüssen
Wenn der Geschäftsführer einer GmbH im Verfahren auf Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses als Kläger auftritt, kommt eine unechte Gesamtvertretung eines anderen Geschäftsführers mit einem Prokuristen, der vom klagenden Geschäftsführer bestellt wurde, nicht in Betracht.Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 186/08h | OGH vom 06.11.2008 | Dokument-ID: 250293