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Update zum neuen HinweisgeberInnenschutzgesetz
Am 1. Februar 2023 wurde das langersehnte HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) im Nationalrat beschlossen. Damit kommt Österreich der europarechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung der sog. „Whistleblower-Richtlinie“ nach.
Ziel der Whistleblower-Richtlinie und des HSchG
Die Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden) ist die unmittelbare Reaktion des Europäischen Gesetzgebers auf diverse medial breit diskutierte Fälle wie etwa Edward Snowden oder Chelsea Manning. HinweisgeberInnen (sog. „Whistleblower“) verfügen über besondere Kenntnis von unternehmensinternen Informationen und wollen mit ihrem Hinweis einen Beitrag zur Aufdeckung und Bekämpfung von Missständen leisten. Das können beispielsweise aktuelle oder ehemalige Arbeitnehmer:innen, aber auch Bewerber:innen, unbezahlte Praktikant:innen oder Lieferant:innen sein. Whistleblower müssen oftmals schwerwiegende persönliche oder berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Zum Schutz von Hinweisgebenden hat der Unionsgesetzgeber im Jahr 2019 die Whistleblower-Richtlinie erlassen.
Österreich hätte die „Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden" (kurz „Whistleblower-Richtlinie“) bis zum 17. Dezember 2021 umsetzen, also geeignete nationale Rechtsvorschriften erlassen müssen.
Das primäre Ziel der Whistleblower-Richtlinie und des HSchG ist die Schaffung von geeigneten Kanälen und Verfahren zur Ermöglichung von Meldungen über Missstände und Rechtsverstöße sowie ein starker gesetzlicher Schutz von hinweisgebenden Personen.
Anwendungsbereich des HSchG
Der persönliche Anwendungs- und Schutzbereich des HSchG erfasst Personen (Hinweisgeber:innen), die aufgrund beruflicher Verbindung zu einem Rechtsträger des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts Informationen über Rechtsverletzungen erlangt haben, wie insbesondere Arbeitnehmer:innen, Bewerber:innen, Mitglieder eines Vertretungs- oder Aufsichtsorgans eines Rechtsträgers sowie Lieferant:innen. Die Schutzbestimmungen gelten ferner auch für natürliche Personen, die im Umkreis des Hinweisgebenden stehen sowie für juristische Personen, welche im Eigentum des Hinweisgebenden stehen oder für welche die hinweisgebende Person tätig ist.
Vom sachlichen Geltungsbereich des HSchG sind juristische Personen des öffentlichen Sektors und Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmer:innen erfasst. Im Unterschied zur Whistleblower-Richtlinie gilt nach dem HSchG die Arbeitnehmerschwelle auch im öffentlichen Sektor.
Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mit mindestens 250 Arbeitnehmer:innen müssen der Verpflichtung zur Einrichtung von Meldesystemen binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten des HinweisgeberInnenschutzgesetzes nachkommen. Für Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts mit weniger als 250 Beschäftigten gelten entsprechende Verpflichtungen erst ab 18. Dezember 2023.
Die Vorschriften des HSchG beziehen sich ferner nur auf die Verletzung von Rechtsvorschriften in folgenden ausgewählten Rechtsbereichen:
- öffentliches Auftragswesen (Vergabeverfahren),
- Konsumentenschutz,
- Datenschutz,
- Finanzdienstleistungen,
- Umweltschutz,
- Produktsicherheit,
- Verkehrssicherheit,
- Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
- Korruptionsstrafrecht.
Verpflichtungen gemäß HSchG
Das Gesetz sieht Verpflichtungen zur Einrichtung von geeigneten unternehmensinternen Meldesystemen sowie Verfahren zur Erstattung von Hinweisgebermeldungen vor. Die Meldesysteme müssen außerdem gewissen Mindeststandards entsprechen. Bei der Umsetzung in der betrieblichen Praxis dürfen sowohl datenschutzrechtliche als auch arbeitsrechtliche Erfordernisse nicht außer Acht gelassen werden.
Die Verpflichteten haben interne Meldekanäle zu errichten, welche Hinweisgeber:innen zusätzlich zu externen bzw behördlichen Meldeeinrichtungen zur Verfügung stehen. Das unternehmensinterne Meldeverfahren bzw die für Meldungen zuständige Person oder Abteilung muss unparteiisch und weisungsunabhängig sein. Das Meldesystem muss eine schriftliche und/oder mündliche Meldungserstattung ermöglichen.
Jeder Hinweis ist auf seine Stichhaltigkeit zu prüfen. Offenkundig falsche oder irreführende Hinweise sind zurückzuweisen.
Die Entgegennahme jeder Meldung ist zu bestätigen. Es ist eine umfassende Information und Beratung des Hinweisgebenden zu gewährleisten. Spätestens nach drei Monaten ist dem Hinweisgeber bzw der Hinweisgeberin bekanntzugeben, welche Folgemaßnahmen die interne Stelle ergriffen hat oder zu ergreifen beabsichtigt bzw aus welchen Gründen der Hinweis nicht weiterverfolgt wird.
Schutzmaßnahmen
Das HSchG normiert gesetzliche Maßnahmen zum Schutz der Hinweisgebenden. Die Schutzmaßnahmen umfassen insbesondere die Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung der Identität der Hinweisgebenden.
Darüber hinaus sieht das Gesetz diverse Vorschriften vor, um Vergeltungsmaßnahmen gegenüber der hinweisgebenden Person zu verhindern, wie insbesondere:
- das Verbot von Repressalien, wie etwa Suspendierung, Kündigung oder Entlassung, Herabstufung, Einleitung eines Disziplinarverfahrens, vorzeitige Vertragsbeendigung etc;
- den Anspruch von Hinweisgebenden auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, Ersatz des Vermögensschadens sowie auf Entschädigung für erlittene persönliche Beeinträchtigung,
- die Befreiung von Hinweisgebenden von der Haftung für tatsächliche oder rechtliche Folgen eines berechtigten Hinweises; sowie
- Beweiserleichterungen für Hinweisgebende.
Rechtliche Folgen
Die Nichteinhaltung der Verpflichtungen gemäß HSchG begründet Verwaltungsübertretungen, welche Verwaltungsstrafen bis zu EUR 20.000,–, im Wiederholungsfall bis zu EUR 40.000,– nach sich ziehen können.
Conclusio
Die Idee und die Schutzziele der Whistleblower-Richtlinie und des HinweisgeberInnenschutzgesetzes sind aus rechtlichen bzw Compliance-Gründen zu begrüßen. Die Auswirkungen und die tatsächliche Anwendung in der Praxis bleibt es abzuwarten.
Autorinnen
Mag. Milka Milicic und Mag. Carla Zimmermann, LL.B. sind Rechtsanwältinnen bei GIBEL ZIRM Rechtsanwälte in Wien und Autorinnen von zahlreichen Publikationen. Sie betreuen nationale und internationale Mandate in allen Bereichen des Unternehmens- und Wirtschaftsrechtes.
Link auf die Kanzlei: https://www.gibelzirm.com/de