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16.05.2022 | Arbeitsrecht | ID: 1115329

Arbeitsrechtliche Fakten zur geringfügigen Beschäftigung

Cornelia Perzinger - WEKA (red)

Was es beim Abschluss einer geringfügigen Beschäftigung zu beachten gilt, erfahren Sie in diesem Beitrag: Von der Geringfügigkeitsgrenze 2022, über Fragen zu Mehrstunden und Überstunden, bis hin zur Kündigung.

Echtes Dienstverhältnis

Ein Dienstverhältnis entsteht, wenn sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet (§ 1151 Abs 1 ABGB).

Dienstnehmer ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird (§ 4 Abs 2 ASVG). Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Ors ganismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 47 Abs 2 EStG).

Echtes geringfügiges Dienstverhältnis

Ein geringfügiges Dienstverhältnis liegt vor, wenn die Höhe des Entgelts aus einem Beschäftigungsverhältnis einen jährlich neu definierten Grenzbetrag („Geringfügigkeitsgrenze“) nicht übersteigt.

Geringfügigkeitsgrenze 2022

Ein echtes oder freies Beschäftigungsverhältnis gilt als geringfügig, wenn die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von EUR 485,85 nicht überschritten wird. Eine Vollversicherung tritt daher nur dann ein, wenn der Dienstnehmer aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen ein Entgelt bezieht, das die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschreitet.

Eine geringfügige Beschäftigung liegt nicht vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze deshalb nicht übersteigt, weil die Beschäftigung im Laufe des betreffenden Kalendermonates begonnen oder geendet hat oder unterbrochen wurde.

Hinweis:

Liegt aber zB kein Hinweis auf eine umfangreichere Arbeitspflicht bei einem vereinbarten früheren Beginn des Dienstverhältnisses im betreffenden Monat bzw auf einen damit verbundenen höheren Entgeltanspruch vor, so ist es nicht zulässig, das erzielte Entgelt auf den gesamten Monat fiktiv hochzurechnen (vgl VwGH Ra 2019/08/0156, Ro 2016/08/0005).

Fallweise Beschäftigte sind Personen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben Dienstgeber beschäftigt werden und die Beschäftigung für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist (maximal vier Tage bei einer Fünf-Tage-Woche). Auch für fallweise Beschäftigte gilt die monatliche Geringfügigkeitsgrenze.

Beitragszeitraum

Der Beitragszeitraum ist einheitlich mit dem Kalendermonat (= 30 Tage) festgelegt. Dies gilt auch für geringfügig Beschäftigte. In Fällen geringfügiger Beschäftigung kann gem § 58 Abs 8 ASVG vereinbart werden, dass die Beiträge bis zum 15. Jänner des Folgejahres zu entrichten sind.

Ermittlung Geringfügigkeit

Sonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Bilanzgeld etc sind bei der Ermittlung der Geringfügigkeit nicht einzubeziehen. Dies gilt auch für Urlaubsersatzleistungen. Die Geringfügigkeitsgrenze richtet sich ausschließlich nach dem laufenden Bezug. Vorsicht bei deutlich überhöhten Sonderzahlungen. Diese könnten bei einer Lohnabgabenprüfung als verdeckter laufender Bezug gewertet werden. Einmalprämien werden als laufender Bezug behandelt und nicht als Sonderzahlung.

Teilversicherung

Liegt ein geringfügiges Dienstverhältnis vor, dann besteht für den Dienstnehmer nur eine Teilversicherung in der Unfallversicherung. Der Unfallversicherungsbeitrag ist ausschließlich vom Dienstgeber zu leisten.

Überschreiten Geringfügigkeitsgrenze

Bei der Prüfung der Geringfügigkeit ist das gesamte Arbeitsentgelt, welches in einem Kalendermonat erzielt wurde, heranzuziehen.

Beispiel: Eintritt der Vollversicherung im selben Monat

Von 01. bis 10.06. wurde eine geringfügige Beschäftigung (vereinbart auf unbestimmte Zeit) ausgeübt. Das Entgelt betrug EUR 150,–. Ab 11.06. wird beim selben Dienstgeber eine Vollbeschäftigung angetreten. Das monatliche Entgelt beträgt EUR 1.200,–.

Entgelt von 01.06. bis 10.06.

150,00 : 30 x 10

EUR

50,00

Entgelt von 11.06. bis 30.06.

1.200,00 : 30 x 20

EUR

800,00

 

EUR

850,00

Die Vollversicherung tritt für den Dienstnehmer bereits mit Beginn des laufenden Beitragszeitraumes (in diesem Fall mit 01.06.) ein.

Beispiel: Eintritt der Vollversicherung im Folgemonat

Von 01. bis 25.06. wurde eine geringfügige Beschäftigung (vereinbart auf unbestimmte Zeit) ausgeübt. Das Entgelt betrug EUR 150,–. Ab 26.06. wird beim selben Dienstgeber eine Vollbeschäftigung angetreten. Das monatliche Entgelt beträgt EUR 1.200,–.

Entgelt von 01.06. bis 25.06.

150,00 : 30 x 25

EUR

125,00

Entgelt von 26.06. bis 30.06.

1.200,00 : 30 x 5

EUR

200,00

 

EUR

325,00

Das monatliche Gesamtentgelt liegt im Juni unter der Geringfügigkeitsgrenze. Die Vollversicherung tritt für den Dienstnehmer daher erst mit 01.07. ein.

Änderungsmeldungen

Der Wechsel von einer geringfügigen Beschäftigung zu einer Vollversicherung (oder umgekehrt) ist für einen Beitragszeitraum zu melden, für den noch keine mBGM abgegeben wurde.

Arbeitslosengeld

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist ausgeschlossen, wenn zwischen dem Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung beim selben Dienstgeber nicht ein Zeitraum von mehr als einem Monat liegt (vgl § 12 Abs 3 lit h AlVG; VwGH 2011/08/0138, Ra 2017/08/0048). Liegt zwischen Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung beim selben Dienstgeber mehr als ein Monat (Abmeldung nicht vergessen!), dann gilt der Dienstnehmer als arbeitslos und hat Anspruch auf das Arbeitslosengeld.

Wird jedoch im Rahmen einer Lohnabgabenprüfung festgestellt, dass die Geringfügigkeitsgrenze in nur einem Monat überschritten wurde, so können sich daraus hohe Rückzahlungsverpflichtungen ergeben. In diesem Fall sind bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze alle Arbeitslosengeldbezüge ab dem Monat der Vollversicherung bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zurückzuzahlen (vgl VwGH Ra 2017/08/0048).

Kündigung

Für geringfügig beschäftigte Angestellte gibt es keine speziellen Kündigungsbestimmungen mehr. Es gilt die sechswöchige Kündigungsfrist, die sich sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate erhöht. Eine Kündigungs am Fünfzehnten oder am Letzten eines Kalendermonats ist nur nach Vereinbarung möglich (vgl § 20 AngG)

Das geringfügige Arbeitsverhältnis eines Arbeiters kann nach den Bestimmungen des jeweiligen Arbeiterkollektivvertrages gekündigt werden.

Hinweis:

Die Anpassung der Kündigungsbestimmungen der Arbeiter an die Angestellten trat nun – nach mehrmaliger Verschiebung - mit 01.10.2021 in Kraft.

Urlaub

Geringfügig Beschäftigte haben wie Vollbeschäftigte Anspruch auf fünf Wochen bzw nach 25 Dienstjahren auf 6 Wochen Urlaub pro Arbeitsjahr. Bei geringfügig Beschäftigten richtet sich der Urlaubsanspruch nach den Arbeitstagen pro Kalenderwoche. Wird zB an 2 Tagen pro Woche gearbeitet, beträgt der Urlaubsanspruch pro Jahr 10 Arbeitstage, nach 25 Dienstjahren 12 Arbeitstage.

Entgeltfortzahlung

Geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung jedoch erschöpft, dann ist der geringfügig Beschäftigte bei der Österreichischen Gesundheitskasse abzumelden.

Feiertage

Ein auf einen Feiertag fallender Krankenstandstag erhöht die Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung (Feiertag hat Vorrang gegenüber Krankenstand). Voraussetzung ist, dass dieser Tag ein Arbeitstag ist. Dieser Grundsatz gilt laut ständiger Judikatur sowohl für Arbeiter, Angestellte als auch für Lehrlinge. Kollektivvertraglich geregelte „Feiertage“ (zB dienstfreier 24.12 und 31.12) gelten nicht als Feiertage. Sie verlängern somit nicht die Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung.

Entgeltfortzahlung

Angestellte und Arbeiter haben bereits nach einjähriger Dauer des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf 8 Wochen volle und 4 Wochen halbe Entgeltfortzahlung. Die Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte lässt sich somit folgendermaßen darstellen:

Dienstjahre

Anspruch bei Krankheit

Anspruch bei Arbeitsunfall/Berufskrankheit

0.–1.

6 Wochen voll + 4 Wochen halb

8 Wochen

2.–15.

8 Wochen voll + 4 Wochen halb

8 Wochen

16.–25.

10 Wochen voll + 4 Wochen halb

10 Wochen

Ab 26.

12 Wochen voll + 4 Wochen halb

10 Wochen

Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs 1 AngG nicht ausgeschöpft ist, dh bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres kommt es zu einer Zusammenrechnung der Anspruchszeiten. Erst mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres entsteht ein neuer Fortzahlungsanspruch.

Angestellte erhalten seit 01.07.2018 einen eigenständigen Anspruch bei Arbeitsunfällen (Berufskrankheiten), dh der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht pro Anlassfall ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung.

Seit 01.07.2018 kann auch bei Angestellten durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung vereinbart werden, dass sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht am Arbeitsjahr, sondern am Kalenderjahr orientiert.

Mehrarbeit, Überstunden

Unter Mehrarbeit wird jene Arbeitszeit verstanden, die zwischen der vertraglich vereinbarten (zB 30 Stunden) bzw der kollektivvertraglich verkürzten Arbeitszeit (zB 38,5 Stunden) und der gesetzlichen Normalarbeitszeit (zB 40 Stunden/Woche) liegt. Geringfügig Beschäftigte sind nur dann zur Mehrarbeit verpflichtet, wenn

  • gesetzliche Bestimmungen, Kollektiv- oder Arbeitsvertrag dies vorsehen,
  • erhöhter Arbeitsbedarf vorliegt oder die Mehrarbeit im Rahmen von Vor- und Abschlussarbeiten anfällt und
  • keine berücksichtigungswürdigen Interessen des Arbeitnehmers (zB Öffnungszeiten eines Kindergartens, Horts etc) einer Mehrarbeit entgegenstehen.

Geringfügig Beschäftigten gebührt für Mehrarbeit ein gesetzlicher Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 %, wenn diese nicht innerhalb des Kalendervierteljahres oder eines anderen, im Vorhinein festgelegten 3-Monats-Zeitraumes durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen wird. Zudem ist es erlaubt, mit dem Arbeitnehmer generell Zeitausgleich als Abgeltung für die Mehrarbeit zu vereinbaren. Für diesen gelten allerdings dieselben Regeln wie für die Abgeltung in Geldleistung: Sofern keine der Ausnahmebestimmungen Platz greift, muss der Zeitausgleich im Ausmaß 1:1,25 erfolgen oder der 25%ige Zuschlag muss gesondert ausbezahlt werden. Bei Gleitzeit gilt die vereinbarte Gleitzeitperiode als Ausgleichszeitraum.

Es ist kein Mehrarbeitszuschlag zu leisten, wenn bei Gleitzeit die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode im Durchschnitt nicht überschritten wird. Bestehende Zeitguthaben können auch in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden, wenn Gleitzeitvereinbarung oder Kollektivvertrag dies vorsehen. In diesem Fall fällt auch kein Mehrarbeitszuschlag an.

Erhält der geringfügig Beschäftigte die Mehrarbeit entlohnt und werden die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten, so liegt keine geringfügige Beschäftigung mehr vor. Regelmäßig geleistete Mehrarbeit erhöht auch die Sonderzahlungen.

Elternkarenz

Eine geringfügige Beschäftigung ist während der Elternkarenz möglich, entweder beim eigenen Arbeitgeber, zu dem das karenzierte Arbeitsverhältnis besteht, oder zu einem anderen Arbeitgeber. Die geringfügige Beschäftigung kann über die gesamte Karenzdauer ausgeübt werden, ohne dass dadurch der Kündigungsschutz des karenzierten Arbeitsverhältnisses gefährdet wird.

Abfertigung

So wie alle anderen Dienstnehmer haben auch geringfügig Beschäftigte Anspruch auf die Abfertigung neu. Sofern ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis länger als einen Monat dauert, ist ein BV-Beitrag in Höhe von 1,53 % des monatlichen Entgelts zu leisten. Der erste Monat ist auf alle Fälle beitragsfrei. Die Bestimmungen der Abfertigung neu gelten für Beschäftigungsverhältnisse, die nach dem 31.12.2002 begonnen haben. Die Abfuhr des BV-Beitrages erfolgt monatlich. Die Beiträge sind bis zum 15. des Folgemonats an die ÖGK zu entrichten.

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