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Überstundenpauschale richtig vereinbaren
Geleistete Überstunden sind grundsätzlich einzeln abzurechnen. In der Praxis werden allerdings häufig Vereinbarungen getroffen, welche eine pauschale Abgeltung von Überstunden vorsehen. Was gilt es zu beachten, um Strafen zu vermeiden?
Echte und unechte Überstundenpauschale
Man unterscheidet zwischen der
- echten Überstundenpauschale, bei der neben dem Grundlohn ein bestimmter ziffernmäßig bestimmter Betrag zur Abgeltung der Überstunden gesondert ausgewiesen oder die Abgeltung einer bestimmten Anzahl von Überstunden zugesagt wird und der
- unechten Überstundenpauschale, bei der eine überkollektivvertragliche Entlohnung oder eine sonstige, zB für Mehrleistungen vereinbarte Zulage auch als Überstundenpauschale gewidmet ist (VwGH 21.12.2005, 2004/08/0228; VwSlg 16794 A/2005, ARD 5668/12/2006).
Pauschalierungsentlohnungsklauseln wurden von der Rechtsprechung – nicht nur bei leitenden Angestellten – als zulässig angesehen (RIS-Justiz RS0051519).
Ohne Widerrufsvereinbarung muss die Pauschale grundsätzlich auch dann weitergezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer in einzelnen Verrechnungsperioden wesentlich weniger Überstunden leistet als ursprünglich gedacht oder die Notwendigkeit der Leistung von Überstunden infolge geänderter Umstände zur Gänze wegfällt (RIS-Justiz RS0051648).
Formvorschriften für Überstundenpauschalen
Eine bestimmte Form ist für eine Pauschalierungsvereinbarung nicht erforderlich: Sie kann durch Einzelvertrag entweder ausdrücklich oder schlüssig getroffen werden, ohne dass es auf deren Bezeichnung ankäme (OGH 9 ObA 218/90). Dem Arbeitnehmer muss aber bei Vertragsabschluss erkennbar sein, was mit der gewährten Pauschale abgegolten sein soll (zB Normallohn und Überstundenzuschlag nach § 10 AZG) und dass es sich um eine Pauschalierungsvereinbarung handelt (RIS-Justiz RS0051519).
Allein aus der überkollektivvertraglichen Entlohnung kann für sich genommen nicht auf eine Pauschalierungsvereinbarung betreffend die Überstunden geschlossen werden (Pfeil in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht [2011], Rz 19 zu § 10 AZG, Seite 1165). Die Zahl der zu leisteten Überstunden muss in der Pauschalierungsvereinbarung nicht genannt werden (Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³, Rz 25 zu § 10 AZG, S 296).
Wird eine Überstundenpauschale ohne Vorbehalt des Widerrufs konkludent vereinbart, so wird diese zum fester Entgeltbestandteil. Ein einseitiger Widerruf durch den Arbeitgeber ist in diesem Fall unzulässig (vgl OLG Wien 9 Ra 16/21w).
Vorgaben für Überstundenpauschalen
Zu berücksichtigen ist, dass ein Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes durch eine Pauschalierungsvereinbarung nur besser, aber nicht schlechter gestellt werden darf, als er ohne Pauschalierung, dh bei Einzelverrechnung der Überstunden, stünde. Von § 10 AZG darf zulasten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden, da es sich um eine relativ zwingende Regelung handelt (vgl beispielsweise OGH 9 ObA 11/13b, Pfeil in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht [2011], Rz 2 zu § 10 AZG, S 1161).
Hinweis:
Die Überstundenpauschale darf aber im Durchschnitt eines längeren Zeitraums nicht geringer sein als die zwingend zustehende Überstundenvergütung (vgl OGH 8 ObA 29/10p). Der Durchrechnungszeitraum für Überstundenpauschale ist (mangels abweichender Vereinbarung) das Kalenderjahr (vgl OGH 9 ObA 28/17h).
Mindestansprüche und Nachforderungen durch den Arbeitnehmer
Mindestansprüche können sich zudem aus anderen Rechtsquellen (zB aus Kollektivverträgen) ergeben, denen der betroffene Arbeitnehmer unterliegt.
- Ist daher also weder Arbeitszeitgesetz noch ein bestimmter Kollektivvertrag anwendbar, ist eine Pauschalierungsvereinbarung grundsätzlich unproblematisch.
- Bei Arbeitnehmern, die nur einem Kollektivvertrag, nicht aber dem AZG unterliegen, ist bei Bemessung der Höhe der Pauschale zu beachten, dass die kollektivvertraglichen Mindestansprüche abgedeckt werden.
- Unterliegt der Arbeitnehmer dem Arbeitszeitgesetz und einem Kollektivvertrag, sind Pauschalierungsvereinbarungen nur nach Maßgabe der zwingenden Ansprüche des Arbeitszeitgesetzes (zum Beispiel der Bezahlung eines Überstundenzuschlages gem § 10 AZG) zulässig. Überdies sind die kollektivvertraglichen Mindestansprüche zu beachten, die oftmals zugunsten des Arbeitnehmers über die gesetzlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinausgehen.
Soweit die Pauschale die gesetzlich oder kollektivvertraglich zustehenden Mindestansprüche nicht abdeckt, kann der Arbeitnehmer Nachforderungen stellen und über die Pauschalentlohnung hinausgehende Ansprüche erheben (RIS-Justiz RS0051519). Pauschalvereinbarungen bieten daher keine absolute Sicherheit vor Nachforderungen des Arbeitnehmers betreffend Mehr- und Überstunden.
Pauschalierungsvereinbarungen sind daher für den Arbeitgeber oftmals nur beschränkt vorteilhaft (idS auch Ch. Klein in Cerny/Heilegger/Klein/Schwarz, AZG-Kommentar³ [2008], Erl 4 zu § 10, S 274; Heilegger, Zur rechtlichen Zulässigkeit und Interpretation von All-In-Vereinbarungen, DRdA 2012, S 21): Der Arbeitgeber muss die Pauschale auch dann leisten, wenn der Arbeitnehmer weniger Überstunden leistet, als die Überstundenpauschale abdeckt. Wenn der Arbeitnehmer mehr Überstunden leistet, als die Pauschale hergibt, kann er Nachforderungen stellen. Der Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber ist im Regelfall meist nicht reduziert, da der Arbeitgeber bei Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes zur Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen gem § 26 AZG verpflichtet bleibt. Überdies besteht bei einer zu geringen Pauschalierungsvereinbarung die Gefahr, dass strafbares Lohndumping vorliegt (Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar [2015]³, Rz 5 zu § 10 AZG, S 287). Selbstverständlich können durch eine Pauschalentlohnungsvereinbarung auch die gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen und Mindestruhezeiten nicht ausgehebelt werden.
Erlaubtheit der Überstundenleistung
Seit 01.09.2018 bestehen durch die Arbeitszeitnovelle 2018 folgende Überstundengrenzen:
- Pro Woche sind maximal 20 Überstunden zulässig. Ein Jahres-Kontingent an Überstunden, welches nicht überschritten werden darf, besteht nicht mehr.
- Es darf eine Tagesarbeitszeit von zwölf Stunden nicht überschritten werden (statt vorher 10 Stunden).
- Gem § 8 AZG neu kann die Arbeitszeit zur Vornahme von Vor- und Abschlussarbeiten unter gewissen Voraussetzungen um eine weitere halbe Stunde ausgedehnt werden.
- Die maximale Wochenarbeitszeit beträgt gem § 9 AZG grundsätzlich 60 Stunden (statt vorher im Regelfall 50 Stunden).
- § 7 Abs 2, 4 und 4a AZG wurden ersatzlos gestrichen, § 7 Abs 5 geändert.
- Überstunden setzen – wie bisher – einen erhöhten Arbeitsbedarf voraus.
- Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten (wie bisher).
Praxistipp:
Ob die oben beschriebenen neuen Arbeitszeitgrenzen im Einzelfall tatsächlich ausgeschöpft werden können, ist davon abhängig, was im Arbeitsvertrag des betroffenen Dienstnehmers, dem anwendbaren Kollektivvertrag und in den maßgeblichen Betriebsvereinbarungen vereinbart wurde.
§ 32c Abs 10 AZG sieht nämlich vor, dass Regelungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, durch die Änderungen des BGBl I 53/2018 nicht berührt werden.
Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Überstundenarbeit?
Arbeitnehmer dürfen wie bisher zur Überstundenarbeit gem § 6 Abs 2 AZG nur dann herangezogen werden,
- wenn diese nach dem AZG zugelassen ist und
- berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Überstundenarbeit nicht entgegenstehen.
Darüber hinaus steht Arbeitnehmern seit 01.09.2018 ein besonderes Ablehnungsrecht zu. Es steht ihnen gem § 7 Abs 6 AZG frei, Überstunden nach § 7 und § 8 Abs 1 und 2 AZG ohne Angaben von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, dies gerechnet netto ohne Ruhepausen (vgl Schrank in Arbeitszeit Kommentar [2018]5, Rz 20 zu § 7 AZG).
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen wegen dieses besonderen Ablehnungsrechts nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung.
Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten. § 105 Abs 5 des ArbVG gilt sinngemäß.
Anpassung der Pauschale bei Gehaltserhöhungen?
Überstundenpauschalen, bei denen eine bestimmte Stundenzahl an Überstunden abgedeckt werden soll, sind bei (kollektivvertraglichen) Gehaltserhöhungen anzupassen.
Unechte Überstundenpauschalen, die auf einen bestimmten Eurobetrag lauten, erhöhen sich demgegenüber bei Gehaltserhöhungen im Regelfall nicht, außer bei solchen kollektivvertraglichen Ist-Lohn-Erhöhungen, die auch Pauschalierungen erfassen (Schrank, Arbeitszeit Kommentar [2018]5, Rz 24 zu § 10 AZG, Seite 305). Es kann allerdings der Fall eintreten, dass bei entsprechender Unterdeckung weniger Überstunden abgedeckt sind (Schrank, Arbeitszeit Kommentar [2018]5, Rz 24 zu § 10 AZG, S 305).
Ausweisung des Grundgehalts oder -lohnes im Arbeitsvertrag bzw Dienstzettel
Gem § 2g AVRAG ist bei Pauschalentgeltvereinbarungen, die ab dem 01.01.2016 geschlossen werden, im Arbeitsvertrag oder dem Dienstzettel Grundgehalt – oder -lohn – iSd § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG betragsmäßig anzuführen.
Unterbleibt eine Angabe, hat der Arbeitnehmer zwingend Anspruch auf Grundgehalt oder -lohn einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, welche am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühren.
Dies kann zu einer nicht unbeträchtlichen Verteuerung der Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber führen und ist vor allem für die Prüfung einer Unterdeckung von Relevanz:
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Grundgehalt oder -lohn einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, welche am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühren, im Regelfall deutlich höher sein werden als das kollektivvertragliche Mindestgehalt oder der Mindestlohn, welche bei All-In-Entgelten regelmäßig zur Prüfung einer Unterdeckung herangezogen werden. Die Nachforderungsansprüche des Arbeitnehmers können daher deutlich höher sein, wenn die (zwingenden) Mindestansprüche auf dieser Basis berechnet werden.