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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Welche Schritte müssen Dienstgeber setzen?
Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M., gibt praktische Tipps, mit welchen Maßnahmen Dienstgeber auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz reagieren sollten, um Mitarbeiter zu schützen und Schadenersatzansprüche zu vermeiden.
Ein leider immer noch präsentes Thema in der Arbeitswelt ist jenes der sexuellen Belästigung. Opfer von sexueller Belästigung sind vor allem Frauen. Eine Studie der Statistik Austria hat ergeben, dass 26,59 % aller zumindest einmal berufstätigen Frauen zwischen 18 und 74 Jahren von sexueller Belästigung betroffen waren. Am aktuellen Arbeitsplatz haben 2,46 % der befragten Frauen sexuelle Belästigungen erlebt.[1] Um Dienstnehmer vor sexueller Belästigung zu schützen, sind vor allem Dienstgeber gefragt. Diese sind gesetzlich verpflichtet, Dienstnehmer vor derartigen Eingriffen zu schützen und Abhilfe zu leisten. Doch welche Maßnahmen müssen Dienstgeber überhaupt setzten? Was droht ihnen, wenn sie dem nicht nachkommen?
Sexuelle Belästigung – Definition
Eine sexuelle Belästigung ist ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde beeinträchtigt, das für die betroffene Person unerwünscht ist und die Schaffung eines negativen Arbeitsumfelds oder einer Karrierebehinderung schafft. Das Tatbestandsmerkmal des „Verhaltens“ ist weit zu interpretieren und umfasst jede bewusste Lebensäußerung, körperliche Handlung sowie verbale und non-verbale Verhaltensweise.[2]
Entscheidend ist, dass das inkriminierende Verhalten der „sexuellen Sphäre“ zugehörig ist, also entweder ausdrücklich sexuelle Sachverhalte angesprochen werden oder mit der jeweiligen Handlung auf das Geschlecht und/oder die Intimsphäre des Betroffenen abgezielt wird.
Die Erscheinungsformen von sexueller Belästigung sind vielseitig und reichen von freizügigen Witzen, über anzügliche Bemerkungen (unerheblich ob diese als „Komplimente“, etwa über die Figur, gemeint waren), unerwünschten Einladungen mit eindeutigen Absichten, dem Versenden von Nachrichten, bis hin zu „zufälligen“ Körperberührungen, „begrapschen“ und aufgedrängten Küssen.[3]
Fürsorgepflicht des Dienstgebers
Dienstgeber trifft eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Dienstnehmern. Die Fürsorgepflicht umfasst den Schutz des Lebens, der Gesundheit sowie insbesondere auch den Schutz der Würde und Integrität des Dienstnehmers. Dies schließt auch den Schutz vor sexuellen Belästigungen mit ein. Dienstgeber haben dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, die sexuelle Integrität und Intimsphäre der Dienstnehmer nicht gefährdet wird.[4]
Welche Maßnahmen müssen Dienstgeber setzen?
Damit der Dienstgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommt, hat er alle angemessenen Maßnahmen zu setzen, um Dienstnehmer vor Eingriffen in den genannten Bereichen zu schützen.[5] Die Maßnahmen sind unverzüglich zu setzen, damit Betroffene nicht weiter der Gefahr der sexuellen Belästigung ausgesetzt werden und sich der Dienstgeber nicht dem Vorwurf aussetzt, nicht für geeignete Abhilfe gesorgt zu haben (dazu sogleich).[6]
Eine Faustregel, welche Maßnahmen unter welchen Umständen zu setzen sind, gibt es nicht, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. In der Wahl der Mittel ist der Dienstgeber grundsätzlich frei.[7] Als möglichen Abhilfehandlungen kommen die Abmahnung, die Versetzung oder auch die Entlassung des Täters in Betracht.[8]
Bei bloß einmaligen unangebrachten Bemerkungen („Du schaust aus, wie waunst 14 Tage durchgeschnackslt hättest“) ist eine Entlassung nicht gerechtfertigt, und eine Abmahnung ausreichend.[9] Bei schwerwiegenden Fällen (z.B: Wenn ein Mitarbeiter einer hockenden Mitarbeiterin mit dem Fuß zwischen die Beine fährt und nach oben drückt sowie ihr in die Latzhose fasst) ist eine Entlassung gerechtfertigt bzw geboten.[10]
Bei der Wahl der Mittel haben Betroffene grundsätzlich kein Mitspracherecht. Der Betroffene kann daher beispielsweise nicht fordern, dass der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit dem Täter beendet.[11]
Präventive Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Damit Dienstgeber ihrer Fürsorgepflicht ausreichend nachkommen, sollten diese nicht nur im Einzelfall (richtig) reagieren. Dienstgeber sind gut beraten, präventiv eine solche Kultur im Unternehmen zu schaffen, dass es möglichst gar nicht erst zu sexuellen Belästigungen kommt. Die möglichen Schritte sind hier vielfältig:
- Sinnvoll sind in erster Linie Schulungen der Mitarbeiter, in denen diese über sämtliche Umstände im Zusammenhang mit sexuellen Belästigungen aufgeklärt werden (z.B: Ab wann liegt eine solche vor? Welches Verhalten ist unangebracht? Wie kann ich mich dagegen wehren?).
- Daneben sollte eine Ansprechperson für Betroffene eingerichtet werden. Dies kann grundsätzlich jede beliebige Person im Betrieb sein (z.B: Betriebsratsmitglied), wichtig ist aber, dass Betroffene das notwendige Vertrauen zu dieser Person haben, die Vorfälle auch tatsächlich bei dieser zu melden.
- Schließlich könnte ein Code of Conduct (allenfalls in Form einer Betriebsvereinbarung) erstellt werden, in dem die wichtigsten Grundsätze des Vorgehens bzw der Folgen bei sexuellen Belästigungen festgehalten werden (z.B: Wie ist bei sexueller Belästigung vorzugehen, wo können sich Betroffene Unterstützung holen, welche Konsequenzen drohen dem Täter, etc)
Was droht dem Dienstgeber, wenn er seinen Pflichten nicht (ausreichend) nachkommt?
Kommt der Dienstgeber seiner Verpflichtung, Abhilfe zu schaffen nicht (ausreichend) nach, wird dieser schadenersatzpflichtig.[12] Ein Verschulden liegt bereits dann vor, wenn der Dienstgeber zwar nichts von den sexuellen Belästigungen wusste, jedoch davon wissen hätte müssen.[13] Die Haftung des Dienstgebers besteht kumulativ neben jener des Täters, beide haften daher unabhängig voneinander.
Der erlittene Schaden des Betroffenen kann einerseits in einer Vermögenseinbuße liegen (z.B: Kosten einer Psychotherapie oder Kosten für Medikamente) und/oder in einer erlittenen persönlichen Beeinträchtigung. Der Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung ist abhängig von der Dauer, Art und Intensität der sexuellen Belästigungen, beträgt gemäß § 12 Abs 11 Gleichbehandlungsgesetz jedoch mindestens EUR 1.000,–.
Im Fall eines Kusses des Geschäftsführers zunächst auf den Hinterkopf des Betroffenen sowie einem anschließendem, die Überraschung ausnutzenden Kuss auf den Mund, hat das Gericht einen Schadenersatzbetrag von EUR 2.000,–zugesprochen.[14] Bei über eineinhalb Jahre anhaltenden sexuellen Übergriffen gegen eine erst 15 Jahre alte Auszubildende, die aufgrund der Übergriffe psychische Beeinträchtigungen in Form von Nervosität, Depressionen, Ess- und Schlafstörungen sowie andere psychosomatische Beschwerden (Waschzwang, Ekelgefühle) erlitt, wurde ein Betrag von EUR 4.360,– zugesprochen.[15]
Die Konsequenzen für den Dienstgeber können nicht nur in einer allfälligen Schadenersatzpflicht bestehen. Ist für den Betroffenen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses infolge einer sexuellen Belästigung nicht mehr zumutbar, insbesondere weil der Dienstgeber keine (ausreichende) Abhilfe schafft, ist der Betroffene zum vorzeitigen Austritt berechtigt.[16] Dienstgeber laufen daher auch Gefahr, einen zuverlässigen Dienstnehmer zu verlieren.
Fazit
Sexuelle Belästigungen sind leider immer noch ein häufiges Thema in der Arbeitswelt. Zum Schutz der Betroffenen sind in erster Linie Dienstgeber gefragt. Diese müssen bei Vorfällen unverzüglich Abhilfe schaffen, um die Betroffenen bestmöglich zu schützen. Halten Dienstgeber ihre Verpflichtungen nicht ein, drohen ihnen nicht nur Schadenersatzansprüche des Betroffenen, sondern auch dessen Austritt aus dem Dienstverhältnis.
Autor
Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. ist Rechtsanwaltsanwärter bei Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
Link auf die Kanzlei-Homepage:
https://www.law-in-austria.at/
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Fußnoten:
Zur besseren Lesbarkeit wird im Beitrag die männliche Form verwendet. Die Angaben beziehen sich aber natürlich auf Angehörige aller Geschlechter.
Der Artikel behandelt den Fall, dass die sexuelle Belästigung nicht durch den Dienstgeber selbst, sondern von Mitarbeitern erfolgt. Fälle, bei denen der Dienstgeber selbst Täter ist, werden hier nicht behandelt.
[1] Statistik Austria, Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Österreich, Jede vierte Frau betrifft sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz)
[2] Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 6 GlBG Rz3; GBK 142.920/14-SG III/2a/00
[3] Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 6 GlBG Rz 5.
[4] OGH 9 ObA 292/99b.
[5] Mosler in Neumayr/Reissner, ZellKomm § 18 AngG Rz 27 und Rz 131.
[6] OGH 9 ObA 143/03z.
[7] OGH 9 ObA 16/13p.
[8] Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 6 GlBG Rz3; OGH 9 ObA 13/10t; OGH 9 ObA 163/01p;
9 ObA 64/04h.
[9] OGH 9 ObA 13/10t.
[10] OGH 9 ObA 132/15z.
[11] OGH 9 ObA 131/11x.
[12] Der Dienstgeber wird natürlich auch schadenersatzpflichtig, wenn er den Betroffenen selbst belästigt.
[13]Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 6 GlBG Rz9.
[14] ASG Wien 27 Cga 74/05g; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG, § 12 GlBG E 48.
[15] OLG Wien 9 Ra 66/03x; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG, § 12 GlBG E 48.
[16] OGH 9 ObA 112/05v.