11.07.2022 | Arbeitsrecht | ID: 1118455

Teilzeit – Ausgewählte arbeitsrechtliche Fragen

Albert Scherzer

Sind Teilzeitbeschäftigte zu Mehrarbeit verpflichtet? Was gilt es bei Urlaub und Sonderzahlungen bei Teilzeit zu beachten? Antworten darauf erhalten Sie in diesem Beitrag.

Nach den gesetzlichen Regelungen liegt Teilzeitarbeit vor, wenn die gesetzliche oder kollektivvertragliche Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschritten wird. Durchrechnungsmodelle, Gleitzeit etc führen daher nicht zu Teilzeitarbeit. Dem ist gleichzuhalten, wenn eine durch Betriebsvereinbarung festgesetzte kürzere Normalarbeitszeit mit anderen Arbeitnehmern, für die kein Betriebsrat errichtet ist, einzelvertraglich vereinbart wird. Die Teilzeitbeschäftigung ist rechtlich keine eigenständige Form eines Dienstverhältnisses. Die Rechtsvorschriften für echte Dienstverhältnisse sind gleichermaßen auf Vollzeit- wie auf Teilzeitbeschäftigung anzuwenden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen liegt, unabhängig vom Ausmaß der Arbeitszeit, ein echtes Dienstverhältnis vor. Teilzeitbeschäftigte erhalten den ihrer Arbeitszeit entsprechenden Anteil am Mindestlohn.

Das Arbeitszeitausmaß als Kriterium

Das konkrete Ausmaß der Arbeitszeit findet sich in keinem Gesetz, sondern wird zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer frei vereinbart. Die rechtlichen Rahmenbedingungen legen lediglich Höchstgrenzen (gesetzliche oder kollektivvertragliche Normalarbeitszeit), nicht aber ein Mindestausmaß fest. Ist die Änderung des Ausmaßes der regelmäßigen Arbeitszeit erwünscht, ist dies nur schriftlich möglich. Dieses Schriftformgebot bezweckt Beweisprobleme zu verhindern in Bezug auf Mehrarbeit.

Das Gesetz stellt hinsichtlich Teilzeitarbeit darauf ab, dass die Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschritten wird. Auf ein bestimmtes Mindestausmaß des Unterschreitens kommt es dabei nicht an. Nach den in der EU angewandten statistischen Standards spricht man bei einer Wochenarbeitszeit von bis zu 35 Stunden von Teilzeitbeschäftigung. Das Teilzeit-Dienstverhältnis unterliegt denselben gesetzlichen Vorschriften wie ein Vollzeit-Dienstverhältnis. Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht sind somit anwendbar. Es bestehen allerdings einige Sonderregelungen.

Es gibt keinen Rechtsanspruch des Dienstnehmers auf ein bestimmtes Beschäftigungsausmaß, Teilzeit kann nicht einseitig vom Dienstnehmer verlangt werden.

Beschäftigungsausmaß als Gradmesser für Mehrarbeit

Als Mehrarbeit wird der Überhang der geleisteten Arbeit im Verhältnis zur individuell vereinbarten Teilzeit-Arbeitszeit bezeichnet. Erst bei Überschreiten der Normalarbeitszeit liegen Überstunden im rechtlichen Sinne vor.

Teilzeitbeschäftigte sind zur Leistung von Mehrarbeit jedoch nur dann verpflichtet, wenn

  • gesetzliche Bestimmungen, Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen oder der individuelle Arbeitsvertrag dies vorsehen
  • ein erhöhter Arbeitsbedarf vorliegt oder Vor- bzw Abschlussarbeiten notwendig sind und
  • berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Mehrarbeit nicht entgegenstehen.

Für Mehrarbeitsstunden besteht gem § 19d Abs 3a AZG nur dann ein Anspruch auf einen Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 %, sofern die Mehrarbeitsstunden nicht innerhalb eines Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums innerhalb von drei Monaten, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich 1:1 ausgeglichen wurden. Die Durchrechnung der Arbeitszeit von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, die keine Gleitzeitvereinbarung haben, über mehr als drei Monate, ist ohne kollektivvertragliche Regelung nicht geeignet, den Mehrarbeitszuschlag zu vermeiden.

Erhalten Teilzeitbeschäftigte Sonderzahlungen? 

Im Falle, dass Teilzeitbeschäftigte regelmäßig Mehrarbeit leisten, sind diese bei der Berechnung aller vom Ausmaß der Arbeitszeit abhängigen Ansprüche zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei der Bemessung der Sonderzahlungen. Der Durchrechnungszeitraum für die regelmäßig geleistete Mehrarbeit kann durch Kollektivvertrag festgelegt werden. In den Arbeitszeitregelungen wurde kein bestimmter Durchrechnungszeitraum für regelmäßig geleistete Mehrarbeit festgelegt.

Nichts Neues beim Urlaub

Auch bei Teilzeitbeschäftigung beträgt der Urlaubsanspruch fünf Wochen. Wird der Urlaub nicht in ganzen Wochen konsumiert, ist bei unregelmäßiger Arbeitszeit zu ermitteln, wie viele Tage ein teilzeitbeschäftigter Dienstnehmer in fünf Wochen arbeitet. Diese Anzahl von Urlaubstagen steht ihm dann zu.

Arbeitet ein teilzeitbeschäftigter Dienstnehmer etwa regelmäßig an zwei Tagen pro Woche je acht Stunden beträgt der Urlaubsanspruch daher fünf mal zwei Tage (zehn Tage pro Jahr, an denen er sonst arbeiten würde). Ein Teilzeitbeschäftigter, der an drei Tagen pro Woche arbeitet, erwirbt einen Jahresurlaubsanspruch von fünfzehn Tagen jährlich.

Achtung: Diskriminierungsverbot

Es ist unzulässig, teilzeitbeschäftigte Dienstnehmer wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Dienstnehmern zu benachteiligen. Eine unterschiedliche Behandlung ist aber bei sachlicher Rechtfertigung zulässig. Zusätzlich zu der im Arbeitszeitgesetz dezidiert angesprochenen Diskriminierung im Zusammenhang mit der Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen kommt vor allem der Benachteiligung in folgenden Bereichen Bedeutung zu:

  • Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung
  • Aufstiegschancen
  • Arbeitsbedingungen
  • Begründung des Arbeitsverhältnisses
  • Bemessung des Entgelts, Einbeziehung in betriebliche Altersversorgung
  • Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Ein niedrigerer Stundenlohn für Teilzeitbeschäftigte bei gleicher Qualifikation und gleichem Tätigkeitsniveau ist folglich nach dem Arbeitszeitgesetz nicht zulässig, sofern Vollzeitbeschäftigte darüber liegen sollten. Im Konfliktfall trägt der Dienstgeber die Beweislast. Er müsste nachweisen, dass eine Benachteiligung nicht aufgrund der Teilzeitbeschäftigung eines Dienstnehmers erfolgte, etwa aufgrund einer besseren Qualifikation.

Geringfügigkeitsgrenze und Teilzeitbeschäftigung

Aufgrund der Tatsache, dass die Geringfügigkeitsgrenze jährlich nach oben angepasst wird, kann die Situation eintreten, dass das Entgelt eines Teilzeitbeschäftigten unter die Geringfügigkeitsgrenze fällt. Der Teilzeitbeschäftigte bleibt in diesem Fall dennoch vollversichert. Der Teilzeitbeschäftigte hat allerdings die Option bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres das Ausscheiden aus der Vollversicherung bei der zuständigen Gebietskrankenkasse zu beantragen. Der Wechsel wird in diesem Fall mit dem auf den Antrag folgenden Kalendermonat wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer nur mehr unfallversichert, weshalb davon häufig abzuraten ist.

Ein Beispiel aus der Praxis

Verdient ein Teilzeitbeschäftigter im Jahr 2021 ein monatliches Bruttogehalt von EUR 480,–, liegt dieser unter der zu diesem Zeitpunkt geltenden Geringfügigkeitsgrenze von EUR 475,86. Da die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird, liegt eine Vollversicherung vor. Erhält der Teilzeitbeschäftigte im Jahr 2022 weiterhin ein monatliches Bruttogehalt von EUR 480,–, wobei die monatliche Geringfügigkeitsgrenze auf EUR 485,85 angewachsen ist, bleibt der Teilzeitbeschäftigte vollversichert, auch wenn die nunmehrige monatliche Geringfügigkeitsgrenze unterschritten wird. Es steht dem Dienstnehmer jedoch offen, bis 30.06.2022 einen Antrag auf Ausscheiden aus der Vollversicherung bei der zuständigen Kasse zu stellen. Der Wechsel wird mit dem auf den Antrag folgenden Kalendermonat wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist der Arbeitnehmer nur mehr unfallversichert.

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