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Die Selbstanzeige im Finanzstrafverfahren
Gastautor Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. erläutert näher unter welchen Voraussetzungen die Selbstanzeige strafbefreiend wirkt. Welche Probleme können diesbezüglich in der Praxis auftreten?
Eine Besonderheit im Finanzstrafverfahren bildet der Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige (§ 29 FinStrG). Die Selbstanzeige ermöglicht es Betroffenen, sich trotz eines begangenes Finanzvergehens Straffreiheit zu sichern. Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige ist jedoch an strenge Bedingungen geknüpft, deren Erfüllung in der Praxis oft Probleme bereitet. Welche Voraussetzungen im konkreten Fall einzuhalten sind, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Einleitung
Die Voraussetzungen der Selbstanzeige können in positive und negative Voraussetzungen (also Ausschlussgründe) unterteilt werden. Die positiven Voraussetzungen sind die Nennung des Täters[1], die Darlegung der Verfehlung, gegebenenfalls die Offenlegung aller für die Feststellung der Abgabenverkürzung oder des Einnahmenausfalls bedeutsamen Umstände, die Entrichtung der verkürzten Abgabe und unter Umständen zusätzlich die Entrichtung einer Abgabenerhöhung. Die negativen Voraussetzungen werden durch komplexe Rechtzeitigkeitserfordernisse ausgestaltet.
All diese Voraussetzungen müssen kumuliert vorliegen, damit der Selbstanzeige ihre strafbefreiende Wirkung zukommt. Fehlt auch nur eine der Voraussetzungen, kommt eine Straffreiheit nicht mehr in Betracht.
Täternennung
Die Selbstanzeige wirkt nur für den Anzeiger und für jene Personen bzw Verbände strafbefreiend, für die sie erstattet wird. Diese Voraussetzung kann vor allem bei Verbänden (zB GmbH) zu Problemen führen: Die bloße Nennung des Verbandes führt nämlich nicht automatisch zur Strafbefreiung ihrer Organwalter (zB Geschäftsführer). Damit auch diese in den Genuss der Strafbefreiung gelangen, müssen diese ebenso in der Selbstanzeige genannt werden.
Darlegung der Verfehlung
In der Selbstanzeige ist zunächst die jeweilige Verfehlung offenzulegen. Die Verfehlung muss so präzise dargelegt werden, dass die Finanzstrafbehörde eine abgabenrechtliche Würdigung ohne weitreichende Nachfragen vornehmen kann und ihr somit eine rasche und richtige Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht wird (etwa welche Abgabe aus welchen Gründen verkürzt wurde, in welche Periode die Abgabe fällt, etc).[2]
Sofern die Selbstanzeige für mehrere Personen erstattet wird, müssen die Verfehlungen für jeden Täter individualisiert dargestellt werden.
Offenlegung bedeutsamer Umstände
War das gegenständliche Finanzvergehen mit einer Abgabenverkürzung oder mit einem Einnahmeausfall verbunden (sog „Verkürzungsdelikte“, wie zB Abgabenhinterziehung), muss neben der Darlegung der Verfehlung auch eine entsprechende Offenlegung der für die Feststellung der Verkürzung bzw des Einnahmeausfalls bedeutsamen Umstände (= steuerliche Bemessungsgrundlage) erfolgen. Zu diesem Zweck sind unterlassene Angaben nachzuholen, falsche Angaben zu berichtigen und unvollständige Angaben zu ergänzen.[3] Auch hier gilt, dass die Berichtigung falscher oder die Ergänzung unvollständiger Angaben so präzise zu erfolgen hat, dass der Finanzstrafbehörde die Grundlage für eine sofortige und richtige Entscheidung geliefert wird.[4] Handelt es sich daher etwa um Veranlagungsabgaben der ESt sind die Bemessungsgrundlagen, soweit mehrere Jahre von der Selbstanzeige betroffen sind, auf die einzelnen Jahre exakt aufzuteilen.[5]
Entrichtung der verkürzten Abgabe (Schadensgutmachung)
Neben der Offenlegung der bedeutsamen Umstände ist bei Verkürzungsdelikten die offene Abgabenschuld binnen einem Monat zu entrichten. Die Monatsfrist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben (zB Umsatzsteuervorauszahlungen) mit der Selbstanzeige, ansonsten ab Bekanntgabe des geschuldeten Betrags durch den (berichtigten) Abgabenbescheid. Dabei handelt es sich um eine materiellrechtliche Frist, für die keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist. Wird daher die Entrichtung der offenen Abgabenschuld binnen offener Frist nicht vorgenommen, kommt es nicht zur Strafbefreiung, selbst dann, wenn den Anzeiger an der Verspätung kein Verschulden trifft.
Ist es für den Anzeiger nicht möglich, die Abgabenschuld innerhalb der Monatsfrist zu entrichten, besteht aber die Möglichkeit der Erstreckung der Monatsfrist durch Zahlungserleichterungen (zB Stundung, Ratenzahlung) auf bis zu zwei Jahre.
Rechtzeitigkeit
Damit der Anzeiger in den Genuss der Straffreiheit gelangt, ist es zudem entscheidend, dass die Selbstanzeige rechtzeitig erstattet wird. In welchen Fällen es an der Rechtzeitigkeit mangelt, wird umfassend im Gesetz[6] geregelt:
- Eine Selbstanzeige ist zunächst bei Betreten auf frischer Tat nicht mehr rechtzeitig und somit ausgeschlossen.
- Eine Selbstanzeige ist zudem dann nicht mehr rechtzeitig, wenn zu ihrem Zeitpunkt bereits Verfolgungshandlungen gegen den Anzeiger, einen anderen Tatbeteiligten oder einen Hehler gesetzt wurden.
Unter einer Verfolgungshandlung ist jede nach außen erkennbare Amtshandlung ua eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Finanzstrafbehörde zu verstehen, die sich gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet. Eine Verfolgungshandlung ist daher etwa die Vorladung zur Vernehmung oder auch die Aufforderung zur schriftlichen Rechtfertigung. Eine bloße Betriebsprüfung stellt jedoch noch keine Verfolgungshandlung dar. - Des Weiteren liegt die geforderte Rechtzeitigkeit nicht mehr vor, wenn die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits entdeckt und dem Anzeiger bekannt war. Eine Tat ist dann entdeckt, wenn sich der Verdacht soweit verdichtet hat, dass bei vorläufiger Tatbeurteilung der Nachweis der Verwicklung des objektiven Tatbestands wahrscheinlich ist.[7] Auf die Entdeckung subjektiver Tatbestandsmerkmale kommt es sohin nicht an. Als Entdecker kommen dabei nicht nur die Finanzstrafbehörden in Betracht, sondern alle zur Anzeige nach §§ 80,81 FinStrG verpflichteten (Abgaben-)Behörden.
Eine Abweichung gibt es bei Zollvergehen: Bei solchen ist die Rechtzeitigkeit bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Entdeckung der Verletzung zollrechtlicher Verpflichtungen hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war (zB der Fluggast gibt an, keine zu verzollenden Waren mitzuführen, und wird daraufhin aufgefordert, seine Koffer zu öffnen). - Eine Besonderheit besteht zudem für vorsätzlich begangene Finanzvergehen im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung: Wird die Selbstanzeige anlässlich einer Betriebsprüfung nicht bereits zu Beginn eine Selbstanzeige erstattet, ist diese in weiterer Folge ausgeschlossen.
- Schließlich ist eine wiederholte Selbstanzeige für denselben Abgabenanspruch nicht möglich. Jeder Abgabenanspruch kann daher bloß ein einziges Mal Gegenstand einer Selbstanzeige sein. Ausgenommen davon sind nur Selbstanzeigen, die sich auf Vorauszahlungen beziehen (zB Umsatzsteuervoranmeldung)
Sonderfall Selbstanzeige bei Betriebsprüfung
Neben der besonderen Regelung der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige im Zuge einer Betriebsprüfung gibt es für solche Selbstanzeigen noch eine weitere Besonderheit: Als weitere Voraussetzung der Straffreiheit ist eine Abgabenerhöhung („Strafzuschlag“) zu entrichten. Die Vorschreibung erfolgt durch die Abgabenbehörde und ist binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten.
Die Höhe des Strafzuschlags beträgt grundsätzlich 5 % der Summe der Steuernachzahlung, steigt jedoch je nach Höhe der Steuernachzahlung progressiv auf bis zu 30 % an.
Bei welcher Behörde ist die Selbstanzeige einzubringen?
Die Selbstanzeige ist beim Finanzamt, sofern es sich um die Verletzung Abgaben- oder Monopolvorschriften des Zollamtes handelt, beim Zollamt einzubringen.
In welcher Form ist die Selbstanzeige einzubringen?
Formvorschriften für die Selbstanzeige gibt es nicht, sie kann daher schriftlich oder auch mündlich erstattet werden. Im Fall einer mündlichen Selbstanzeige sollte jedoch unbedingt darauf geachtet werden, dass in der aufzunehmenden Niederschrift die gesamte Darlegung der Voraussetzungen korrekt aufgenommen (etwa Bezeichnung sämtlicher Personen, für die die Selbstanzeige erstattet wird) und insbesondere auch der genaue Zeitpunkt der Selbstanzeige festgehalten wird.
Eine ausdrückliche Bezeichnung als Selbstanzeige ist nicht zwingend erforderlich.[8] Um etwaige Streitigkeiten zu vermeiden, ist es aber jedenfalls ratsam, die Selbstanzeige auch als solche zu bezeichnen.
Autor
Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. ist Rechtsanwaltsanwärter bei Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
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Fußnoten:
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird im Beitrag die männliche Form verwendet. Die Angaben beziehen sich aber natürlich auf Angehörige aller Geschlechter.
[2] OGH 14 Os 204/96.
[3] OGH 15 Os 97/96.
[4] OGH 15 Os 97/96.
[5] Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG, Rz 468.
[6] § 29 Abs 1 und Abs 3 FinStrG.
[7] OGH 11 Os 41/98.
[8] VwGH 92/13/0278.