Haftung des aufsichtspflichtigen Elternteils wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht bei Schiunfall seines Sohnes?
In einer wichtigen OGH-Entscheidung wurde zur Frage entschieden, ob der Vater wegen Verletzung der Aufsichtspflicht haftet, wenn der Sohn beim Schifahren verunfallt.
Geschäftszahl
OGH 26.02.2020, 3 Ob 226/19k
Norm
§ 1309 ABGB
Leitsatz
Quintessenz:
Die Auswahl eines bestimmten Geländes kann dem Schilehrernur dann zum Verschulden zugerechnet werden, wenn zwischen dem schiläuferischen Können des Schülesr und dem Schwierigkeitsgrad des zu befahrenden Geländes ein krasses Missverhältnis besteht. Diese Grundsätze gelten auch für die Frage der Haftung des Beklagten wegen allfälliger Verletzung seiner Aufsichtspflicht. Mangels Verletzung einer Aufsichtspflicht iSd § 1309 ABGB besteht der Schadenersatzanspruch schon dem Grunde nach nicht.
OGH: Der vorliegende Fall hatte einen Unfall zwischen der Klägerin und dem acht Jahre alten Sohn des Beklagten zum Gegenstand. Für die Frage, ob die am Unfall schuldlose Klägerin Anspruch auf Ersatz ihrer Schäden hat, war entscheidend, ob der Beklagte seine Aufsichtspflicht iSd § 1309 ABGB verletzt hatte. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Beschädigte die Unterlassung der Obsorge und der Aufsichtspflichtige seine Schuldlosigkeit beweisen. Das Maß der Aufsichtspflicht bestimmt sich danach, was angesichts des Alters, der Eigenschaft und der Entwicklung des Aufsichtsbedürftigen vom Aufsichtsführenden vernünftigerweise verlangt werden kann (RS0027339; RS0027400). Für die Obsorgepflicht iSd § 1309 ABGB ist daher entscheidend, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihre Kinder zu verhindern (RS0027353).
Die Auswahl eines bestimmten Geländes kann dem Schilehrer regelmäßig nur dann zum Verschulden gereichen, wenn zwischen dem schiläuferischen Können der Schüler und dem Schwierigkeitsgrad des zu befahrenden Geländes ein krasses Missverhältnis besteht (9 Ob 38/13y mwN; RS0023693). Diese Grundsätze gelten auch für die Frage der Haftung des Beklagten wegen allfälliger Verletzung seiner Aufsichtspflicht.
Im gegenständlichen Fall stand fest, dass der steile Unfallbereich für den Sohn des Beklagten zu schwer war und der Beklagte, der die Piste bereits vor dem Unfall mit seinem Sohn befahren hatte, musste diesen Schwierigkeitsgrad auch kennen. Allerdings war ihm aus demselben Grund auch der flache Bereich auf der Seite der Piste bekannt, der ein Befahren des steilen Hanges auf der anderen Seite gar nicht notwendig machte. Dem Beklagten kann daher die Auswahl dieser Piste nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil sie im Hinblick darauf, dass das Steilstück nicht zwingend zu befahren war, jedenfalls den Kriterien einer blauen (also leichten) Piste entsprach. Der Beklagte hatte seinem Sohn eine Fahrlinie vorgegeben, indem er ihn aufgefordert hatte, seinem Bruder nachzufahren und dort stehen zu bleiben, wo dieser anhält. Er selbst fuhr hinter dem Sohn. Dies sei ausreichend; er hätte die von dem Sohn einzuhaltende Fahrlinie nicht auf andere Weise vorgeben müssen und es sei nicht ersichtlich, auf welche Weise der Beklagte sonst konkret hätte verhindern können, dass sein Sohn die Kontrolle über seine Schi verliert, deshalb nicht mehr hinter seinem Bruder anhalten kann und so in den steilen Unfallbereich gerät. Inwiefern er in dieser Situation doch noch hätte bremsen können, wenn sich der Beklagte noch näher bei ihm gewesen wäre, sei nicht nachvollziehbar. Der OGH sprach aus, dass der Schadenersatzanspruch mangels Verletzung seiner Aufsichtspflicht durch den Beklagten schon dem Grunde nach nicht berechtigt ist.