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Einstweilige Verfügung bei vertragswidrigem Gesellschafterausschluss?
Dr. Stefan Schermaier und Mag. Florian Schönberg erläutern anhand aktueller Judikatur, ob bei Verstößen gegen einen Syndikatsvertrag zur Sicherstellung der Rechtsposition eines Gesellschafters eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann.
In seiner Entscheidung vom 25.02.2022 zu 6 Ob 211/21d beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof eingehend mit der Frage, ob ein dem Syndikatsvertrag widersprechender Gesellschafterausschluss nach § 1 GesAusG das Erlassen einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt, um die Rechtsposition des betroffenen Gesellschafters sicherzustellen.
1. Sachverhalt
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt kann abgekürzt dargestellt werden wie folgt: A GmbH und B S.a.r.l. sind Gesellschafter der C GmbH (im Folgenden kurz die „Gesellschaft“). A GmbH ist am Stammkapital der Gesellschaft mit 90,01 % beteiligt. B S.a.r.l. hält dementsprechend 9,99 % des Stammkapitals der Gesellschaft.
A GmbH und B S.a.r.l. vereinbarten in einem Syndikatsvertrag, dass Geschäftsanteile durch A GmbH nur nach Zustimmung durch B S.a.r.l. übertragen werden können und Strukturänderungen bzw Umstrukturierungen nur unter der Voraussetzung erfolgen dürfen, dass B S.a.r.l. zustimmt. Umstrukturierungen wurden demonstrativ definiert: Verschmelzung, Spaltung, Veräußerung oder Verpfändung von wesentlichen Vermögenswerten, Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Syndikatsvertrages war beabsichtigt, dass B S.a.r.l. Mehrheitsgesellschafterin mit einem Geschäftsanteil von 50,01 % an der Gesellschaft werden soll und wurde dies wenige Monate nach Abschluss des Syndikatsvertrags auch schriftlich in einem Nachtrag festgehalten. Auch wurde bereits vereinbart, dass die Gewinnverteilung künftig im Verhältnis 50:50 erfolgen soll. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch der Gesellschaftsvertrag eine ähnliche Bestimmung enthält, welche aber vom OGH zur rechtlichen Beurteilung nicht herangezogen wurde.
Mehr als zwei Jahre danach wurde eine Generalversammlung der Gesellschaft einberufen, in welcher A GmbH den Ausschluss von B S.a.r.l. aus der Gesellschaft auf Grundlage von § 1 GesAusG anstrebte und ihr Stimmrecht entsprechend ausüben wollte. B S.a.r.l. beantragte sohin zur Sicherung ihres Anspruchs auf Unterlassung von Handlungen, die zu ihrem Ausschluss als Gesellschafterin aus der Gesellschaft führen, A GmbH anzuweisen, es zu unterlassen, 1a) Beschlüsse zu veranlassen oder zu fassen, mit denen B S.a.r.l. als Gesellschafterin ausgeschlossen werden soll, 1b) in der anberaumten Generalversammlung für den Gesellschafterausschluss von B S.a.r.l. zu stimmen, 1c) sonst etwas zu unternehmen, was dazu führen würde, dass B S.a.r.l. aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann.
A GmbH brachte im wesentlich gegen den Antrag von B S.a.r.l. vor, dass weder der Gesellschaftsvertrag noch der Syndikatsvertrag einen Ausschluss der Anwendung des GesAusG vorsehen und im Übrigen auch keine Gefährdung vorliegen würde. Weiters wurde bestritten, dass überhaupt ein Schaden eintreten würde. Darüber hinaus würde die Übertragung des Anteils erst durch die Eintragung im Firmenbuch wirksam. Gemäß § 5 Abs 2 GesAusG müsste das Firmenbuchgericht ohnehin nach § 19 Firmenbuchgesetz (FBG) vorgehen.
2. Erster und zweiter Rechtsgang
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß und sprach aus, dass die einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die zu sichernden Unterlassungsansprüche von B S.a.r.l. wirksam sei. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und Argumentierte die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass eine Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein müsse, dass auch eine Überprüfung im Rahmen der exekutiven Durchsetzung möglich sei. Die allgemein gehaltenen Provisorialbegehren des Sicherungsantrags seien vor diesem Hintergrund jedenfalls zu unbestimmt. Hinsichtlich des Begehrens Punkt (1b) sei ein zu sichernder Anspruch außerdem nicht erkennbar, weil dieser sich weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus dem Syndikatsvertrag ableiten ließe.
3. Entscheidung des OGH
3.1. Beschwer
In der Generalversammlung wurde zwischenzeitlich ein Beschluss über den Ausschluss von B S.a.r.l. nach § 1 GesAusG unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung der einstweiligen Verfügung gefasst. Dieser wurde von B S.a.r.l. nach § 41 GmbHG angefochten und erging diesbezüglich – nicht rechtskräftig – ein abweisendes erstinstanzliches Urteil. Dass dadurch, wie von A GmbH vorgebracht, die Beschwer von B S.a.r.l. weggefallen ist, war für den OGH nicht erkennbar.
3.2. Bestimmtheit des Unterlassungsbegehrens
Darüber hinaus erachtete der OGH das Unterlassungsbegehren jedenfalls für ausreichend bestimmt. Mit verweis auf die ständige Rechtsprechung wurde klargestellt, dass es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben und eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots meist schon deshalb notwendig ist, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen. Dies auch schon deshalb, weil es ohnehin in der Entscheidung des Exekutionsbewilligungsrichter liegen würde, ob bei einer Exekutionsführung die von der betreibenden Partei behauptete Zuwiderhandlung als Verstoß gegen den Exekutionstitel gewertet werden kann. Der in Rede stehende Spruchpunkt 1a) würde außerdem eine spezifische Beschlussfassung auf Ausschluss von B S.a.r.l. aus der Gesellschaft betreffen und sei dieser schon deshalb notwendig, weil ansonsten der auf die die anberaumte Generalversammlung bezogene Spruchpunkt 1b) einfach umgangen werden könnte, indem der Beschluss auf Ausschluss von von B S.a.r.l. aus der Gesellschaft in einer anderen Generalversammlung gefasst werden könnte.
3.3 Gefährdung von B S.a.r.l.
Betreffend die Gefährdung von B S.a.r.l. stellte der OGH grundsätzlich klar, dass einer drohenden Verletzung eines Syndikatsvertrags mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden kann und dieser durch einstweilige Verfügung sicherbar ist. Anders als von A GmbH vorgebracht, zählt der OGH, verweisend auf die allgemeine Rechtspraxis, Beschlüsse über den Ausschluss eines Gesellschafters nach dem GesAusG – nicht anders als jene betreffend eine Verschmelzung, Spaltung oder Umwandlung – sehr wohl zu den „strukturändernden“ Beschlüssen und geht im gegenständlichen Fall lediglich von einer demonstrativen Aufzählung der Umstrukturierungsmaßnahmen im Syndikatsvertrag aus. Gemeinsam mit der im Nachtrag zum Syndikatsvertrag festgehaltenen Absicht, dass B S.a.r.l. künftig Mehrheitsgesellschafter sein soll und auch eine entsprechende Gewinnverteilung bereits vereinbart wurde, sei davon auszugehen, dass der Syndikatsvertrag den Zweck hat, die Rechtsposition von B S.a.r.l. als künftige Mehrheitsgesellschafterin abzusichern. Dieser Zweck könnte aber nur erreicht werden, wenn davon auch ein Gesellschafterausschluss nach dem GesAusG umfasst ist.
3.4. Weitere Voraussetzung nach § 381 Z 2 EO
Ferner sind nach Ansicht des OGH im gegenständlichen Fall die übrigen in § 381 Abs 2 EO normierten Voraussetzungen gegeben. Ein unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO drohe schon aufgrund des drohenden Gesellschafterausschlusses.
Daran würde auch der Umstand nichts ändern, dass gemäß § 5 Abs 4 GesAusG die Anteilsübertragung und sohin der Gesellschafterausschluss erst durch Eintragung in das Firmenbuch wirksam wird und das Firmenbuchgericht nach § 19 FBG vorzugehen hat, falls bei der Anmeldung des Ausschlusses bzw der neuen Beteiligungsverhältnisse keine Erklärung vorgelegt wird, dass eine Klage auf Anfechtung, Feststellung der Nichtigkeit oder Nichtigerklärung des Beschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung nicht erhoben oder zurückgenommen worden oder dass auf eine solche verzichtet worden ist.
Gemäß § 19 Abs 1 FBG kann das Firmenbuchgericht anordnen, dass ein Verfahren so lange unterbrochen wird, bis in Ansehung eines strittigen Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt. Diesbezüglich verweiset der OGH aber darauf, dass gemäß § 19 Abs 2 FBG das Firmenbuchgericht von einer Unterbrechung abzusehen hat, wenn das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung erheblich überwiegt. Darüber hinaus kann die Entscheidung über das Unterbrechen bzw Nicht-Unterbrechen nicht angefochten werden. Eine Unterbrechung ist laut OGH daher in das (pflichtgemäße) Ermessen des Gerichts gestellt, wobei dieses im Rahmen einer alle Umstände berücksichtigenden Interessensabwägung darüber zu entscheiden hat, ob die sachlichen Gründe im Einzelfall für das Abwarten einer Entscheidung des Prozessgerichts sprechen oder ob das Interesse an einer raschen Erledigung prävaliert. Die von B S.a.r.l. dargestellte Gefährdung würde daher nicht beseitigt werden.
3.5. Conclusio
Mit zahlreichen Verweisen auf die ständige Rechtsprechung stellte der OGH im gegenständlichen Urteil klar, dass bei Verstößen gegen einen Syndikatsvertrag zur Sicherstellung der Rechtsposition eines Gesellschafters eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann. Dies insbesondere dann, wenn mit dem Verstoß derartig weitreichende Konsequenzen (Gesellschafterausschluss) einhergehen. Alleine die Vorgehensweise nach § 19 FBG führt nicht zum Wegfall einer Gefährdung bei einem drohenden Gesellschafterausschluss. Dies schon deshalb, weil durchaus Sachverhaltskonstellationen denkbar sind, bei denen das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung erheblich jenem, nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, überwiegt.
Über die Autoren
Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Florian Schönberg Rechtsanwalt bei TONNINGER | SCHERMAIER & Partner Rechtsanwälte (http://www.ts.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.