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Enthebungsanspruch eines Notgeschäftsführers
Die vorzeitige Enthebung des Geschäftsführers ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses der Sachverhalt nachträglich ändert und ein wichtiger Grund vorliegt.
Geschäftszahl
OGH 23.01.2020, 6 Ob 190/19p
Norm
§ 15a GmbHG
Leitsatz
Quintessenz:
Die vorzeitige Enthebung des Geschäftsführers ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses der Sachverhalt nachträglich ändert und ein wichtiger Grund vorliegt. Die bloße Willensänderung des Notgeschäftsführers ist nicht ausreichend. Auch die Verweigerung der Entlohnung stellt dann keinen Enthebungsgrund dar, wenn die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten der GmbH bereits bei der Bestellung vorhersehbar waren oder sogar Grund für die Bestellung waren.
OGH: Nach stRsp ist es zwar grundsätzlich zulässig, den Tätigkeitsbereich des Notgeschäftsführers nach § 15a GmbHG auf einzelne dringend notwendig gewordene Rechtshandlungen zu beschränken, allerdings ist eine solche vom Firmenbuch verfügte Einschränkung des Tätigkeitsbereichs nur im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Notgeschäftsführer, nicht aber Dritten gegenüber wirksam und kann auch nicht im Firmenbuch eingetragen werden. Ist die Einschränkung des Tätigkeitsbereichs – wie im Anlassfall – nur in der Begründung, nicht aber im Spruch des Bestellungsbeschlusses enthalten, so wirkt sie nicht einmal im Innenverhältnis. Mangels (wirksamer) Einschränkung des Tätigkeitsbereichs des Notgeschäftsführers bei seiner Bestellung kann somit ein „Wegfall des Bestellungsgrundes“ keinen Enthebungsgrund darstellen.
Auch die bloße Willensänderung des Notgeschäftsführers allein, ohne dass es dafür einen triftigen Grund gibt, reicht dem OGH zufolge nicht für eine Enthebung aus. Dem steht nämlich die materielle Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses entgegen, in welche nur eingegriffen werden kann, wenn sich der Sachverhalt nachträglich ändert.
Die vorzeitige Enthebung ist auch nicht wegen der Verweigerung der Entlohnung durch die Gesellschafter gerechtfertigt. Ein Anspruch auf Entlohnung besteht grundsätzlich nur gegen die Gesellschaft und nicht gegen die Gesellschafter, es sei denn, es liegt eine entsprechende Vereinbarung mit den Gesellschaftern vor. Auf eine solche besteht allerdings kein Anspruch des Notgeschäftsführers.
Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung der Umstand, dass ein lediglich gegenüber der Gesellschaft bestehender Entlohnungsanspruch schwer durchsetzbar sein wird, vorhersehbar, wenn die Gesellschaft erkennbar schwerwiegende finanzielle Schwierigkeiten hat. Die Regelung der Kostenfrage vor Übernahme des Amtes ist demzufolge naheliegend.
Deshalb stellt aber auch im Anlassfall die „Verweigerung der Entlohnung durch die Gesellschafter“ keinen triftigen Enthebungsgrund, der bei der Bestellung nicht vorhersehbar gewesen wäre, dar. Es war dem Notgeschäftsführer nämlich bekannt, dass über die Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet werden könnte. Dieser Umstand war sogar der wesentliche Grund für seine Bestellung. Auf die Unkenntnis der Rechtslage kann er sich – gerade als Rechtsanwalt – nicht berufen.
Damit hat es aber bei der Rechtsprechung zu bleiben, wonach sich ein Notgeschäftsführer für seine Enthebung dann nicht darauf berufen kann, für seine Tätigkeit keine (angemessene) Entlohnung zu erhalten bzw diese nicht durchsetzen zu können, wenn er dies bei (uneingeschränkter) Zustimmung zu seiner Bestellung aufgrund der konkreten Umstände des Falles hätte vorhersehen können. Tritt dieser Umstand dann tatsächlich ein, so liegt keine nachträgliche Umstandsänderung im Sinne eines wichtigen Grundes für die Enthebung vor.