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Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft – Konkurrenz zu Drittgläubigern und Schadenshöhe
MMag. Dr. Florian Linder und Dr. Lukas Schenk erläutern in diesem Beitrag zwei aktuelle OGH-Entscheidungen zu wichtigen Haftungsfragen, die den Abschlussprüfer einer Gesellschaft treffen können.
Die Rechtsprechung befasst sich immer wieder mit der Haftung des Abschlussprüfers (siehe WEKA-Newsletter Gesellschaftsrecht vom 14.11.2022). In zwei rezenten Entscheidungen klärte der OGH offene Fragen des Verhältnisses der Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft zur Haftung gegenüber Drittgläubigern sowie zur Schadenshöhe, für die der Abschlussprüfer haftet.
Der Abschlussprüfer steht (nur) mit der geprüften Gesellschaft in einem Vertragsverhältnis und haftet dieser gegenüber für eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung (Innenhaftung). § 275 UGB enthält für den Abschlussprüfer einer prüfpflichtigen Gesellschaft eine besondere Haftungsbestimmung. Für fahrlässige Prüffehler enthält § 275 Abs 2 UGB gestaffelte Haftungshöchstsummen, die sich an der Größe der geprüften Gesellschaft orientieren (für Bankprüfer gilt die Sondervorschrift des § 62a BWG).
Zur Außenhaftung gegenüber Drittgläubigern
Daneben trifft den Abschlussprüfer eine Außenhaftung gegenüber geschädigten (Dritt-) Gläubigern der Gesellschaft, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erlitten haben (vgl WEKA-Newsletter Gesellschaftsrecht vom 14.11.2022). Die Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern wird darauf gestützt, dass der Vertrag zwischen Gesellschaft und Abschlussprüfer als Vertrag zugunsten Dritter angesehen wird, nämlich aller (potenziellen) Gläubiger der Gesellschaft, die mit der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen. Die Haftungshöchstgrenzen des § 275 Abs 2 UGB gelten auch gegenüber Drittgläubigern.
Es stellt sich die Frage, wie sich die Haftungshöchstsummen des § 275 Abs 2 UGB auf die Haftung des Abschlussprüfers auswirken, wenn mehrere geschädigte Gläubiger miteinander konkurrieren, deren Ansprüche in Summe höher als die Haftungshöchstsummen sind.
Im Verhältnis mehrerer geschädigter Drittgläubiger untereinander gilt nach der Rechtsprechung das Prioritätsprinzip (OGH 8 Ob 94/16f; 9 Ob 70/16h). Der Abschlussprüfer muss und darf die Gläubiger, die ihre Forderung zuerst geltend machen, voll befriedigen und kann nach Erschöpfung des Haftungsfonds weitere Zahlungen verweigern. Die Erschöpfung der Haftungshöchstsummen kann im Titelprozess als anspruchsvernichtender Einwand und im Exekutionsverfahren im Weg der Oppositionsklage geltend gemacht werden.
Aktuelle OGH-Entscheidung zum Verhältnis Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft vs Haftung gegenüber Drittgläubigern
Der OGH hat in der E vom 21.06.2023, 3 Ob 58/23k nun geklärt, was zu gelten hat, wenn Ansprüche der geschädigten Gesellschaft mit Ansprüchen von Drittgläubigern konkurrieren. Das Höchstgericht entschied sich im Sinn der überwiegenden Lehrmeinungen für einen Vorrang von Ansprüchen der geprüften Gesellschaft gegenüber den Schadenersatzansprüchen von Drittgläubigern. Begründet wird dies vor allem mit der Zweckbestimmung des § 275 Abs 2 UGB, wonach der Abschlussprüfer primär im Auftrag und zum Schutz der geprüften Gesellschaft tätig wird. Der geschädigte Dritte kann zwar parallel zur Gesellschaft seinen Haftungsanspruch gegenüber dem Abschlussprüfer im Weg einer Schadenersatzklage geltend machen, und zwar auch dann, wenn über die geprüfte Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Eine analoge Anwendung der „Durchsetzungssperre“ des §§ 69 Abs 5 IO wurde vom OGH abgelehnt. Dem Abschlussprüfer steht allerdings der (anspruchsvernichtende) Einwand bzw Oppositionsgrund des Vorrangs der Ansprüche der geschädigten Gesellschaft zu, der spätestens mit der Zahlung an die Gesellschaft entsteht.
Unklar ist die Anwendung dieses Prinzips lediglich in dem (praktisch wohl seltenen) Fall, dass ein Drittgläubiger vor der geprüften Gesellschaft einen vollstreckbaren Titel hat und Exekution gegen den Abschlussprüfer führt.
In praxi könnten mehrere bei einem Gericht anhängige Titelklagen gemäß § 187 ZPO verbunden werden, um eine solche Situation zu vermeiden. Sollte der Fall dennoch eintreten, dann könnte – um dem Vorrang der Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen – unseres Erachtens erwogen werden, einen Impugnationsgrund gem (oder analog) § 36 Abs 1 Z 1 EO anzunehmen, nämlich dass der Anspruch des Drittgläubigers derzeit noch nicht fällig oder vollstreckbar ist. Sollte die Gesellschaft in der Zukunft einen vollstreckbaren Titel erlangen, dann würde mit Zahlung an die Gesellschaft der Anspruch des Gläubigers erlöschen und dieser Umstand könnte dann als Oppositionsgrund geltend gemacht werden. Sollte die Klage der Gesellschaft hingegen abgewiesen werden oder Verjährung eintreten, dann würde auch der Impugnationsgrund wegfallen und dann – aber eben erst zu diesem Zeitpunkt – könnte der Drittgläubiger Exekution führen. Solange die Gesellschaft die Schadenersatzklage betreibt, sollte der Drittgläubiger nicht Exekution führen können, bis feststeht, ob die Gesellschaft ebenfalls einen vollstreckbaren Titel erlangt, der dann vor dem Titel des Drittgläubigers Vorrang genießt.
Aktuelle OGH-Entscheidung zur Berechnung der Schadenshöhe
In der weiteren Entscheidung vom 24.03.2023, 6 Ob 135/22d, klärte der OGH offene Fragen zur Berechnung der Schadenshöhe, für die der Abschlussprüfer der geprüften Gesellschaft gegenüber haftet. Der ersatzfähige Schaden ist grundsätzlich nach der Differenzmethode zu ermitteln. Die Gesellschaft ist unter Berücksichtigung ihres Gesamtvermögens so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Dabei wird der Unterschied der Aktiva minus Passiva berechnet, dh es wird nicht nur eine Verringerung der Aktiva, sondern auch das Entstehen von Verbindlichkeiten berücksichtigt. Der Abschlussprüfer hatet somit für den „Betriebsverlust“ im Zeitraum der Insolvenzverschleppung, dh vom Zeitpunkt der hypothetisch gebotenen Insolvenzantragstellung bis zur tatsächlichen Insolvenzeröffnung.
Diese Schadensberechnung ist nicht Deckungsgleich mit dem „Quotenschaden“, den die (Alt-) Gläubiger der Gesellschaft bei Insolvenzeröffnung geltend machen können, sondern kann im Einzelfall höher oder niedriger sein. Die Ersatzpflicht des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft ist auch nicht mit dem Quotenschaden der Gläubiger begrenzt.
Ferner hat der OGH in dieser Entscheidung geklärt, dass in dieser Schadensberechnung auch nachrangige Verbindlichkeiten (wie eigenkapitalersetzende oder vertraglich nachrangig gestellte Forderungen) zu berücksichtigen sind, weil auch diese von der Gesellschaft zu befriedigende Schulden darstellen.
Autoren
MMag. Dr. Florian Linder
MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien/Mödling. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.
Dr. Lukas Schenk
Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.
Link auf Website: https://www.vbsn.at/