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No more Limits: Das Schicksal einer britischen „Limited“ mit Sitz in Österreich nach dem Brexit
RA Mag. Georg Streit erläutert anhand aktueller Rechtsprechung, welcher Handlungsbedarf für Gesellschafter einer britischen „Limited“ mit Sitz in Österreich besteht, um unerwünschte Auswirkungen des Brexit zu vermeiden.
Aktuell finden sich immer noch 281 Unternehmen im österreichischen Firmenbuch, die die Bezeichnung „Limited“ im Firmenwortlaut führen. Dazu kommen 283 Unternehmen, deren Firma die Bezeichnung „Ltd“ enthält[1]. Der Brexit ist von diesen bislang übersehen oder ignoriert worden. Das Schicksal dieser Gesellschaften war bislang auch noch nicht Gegenstand klärender Rechtsprechung, anders als in Deutschland, wo schon vor über einem Jahr der BGH geurteilt hatte, dass sich britische „Limiteds“ seit dem 01.01.2021 nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit nach dem AEUV oder die „Gesellschaftsrechts-RL 2017/1132“ berufen können[2]. Nun liegt eine Klarstellung der Rechtslage durch den OGH vor.[3]
Nachdem das OLG München im vergangenen Sommer in Anwendung der „milden Form der Sitztheorie“ eine britische Limited mit Sitz in Deutschland „je nach tatsächlicher Ausgestaltung als gesellschaftsbürgerlichen Rechts, offene Handelsgesellschaft oder – bei nur einem Gesellschafter – als einzelkaufmännisches Unternehmen“ behandelt hatte[4], liegt nun auch eine recht ähnliche Entscheidung des OGH zu dieser Frage vor. So wie das OLG München beurteilt dieser den Wegfall der Rechtsfähigkeit britischer Limiteds in Deutschland allerdings nicht, dass sich diese „in Luft auflösen“ und gänzlich verschwinden. Vielmehr sind sie nach dem OLG München, bei allerdings nicht ganz identer (Gesellschafts-)Rechtslage je nach Ausgestaltung als Personengesellschaft oder Einzelunternehmen zu behandeln und nehmen in dieser Form weiterhin am Rechtsleben teil.
Erwähnenswert ist, dass der BFH eine britische Limited auch nach dem Brexit und unabhängig von den zivilrechtlichen Folgen des Brexits eine britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland weiterhin als Körperschaftssteuersubjekt und damit Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens betrachtet hat[5].
Der österreichische Anlassfall
Anlässlich der Klage einer in Cardiff (Wales) registrierten Limited mit Verwaltungssitz in Österreich, die auch zum Ablauf des Übergangszeitraums nach dem österreichischen Brexit-Begleitgesetz 2019[6] noch anhängig war, stellte der OGH nun die Rechtslage in Österreich klar. Unter Bezugnahme auf die rechtswissenschaftliche Literatur zu dieser Frage stellt der OGH zunächst klar, dass sich die Rechtsfähigkeit nach dem tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung richtet, also die „Sitztheorie“ zur Anwendung kommt. Für die Dauer der Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland in der EU war die[7] Sitztheorie von der Niederlassungsfreiheit nach dem AEUV „überlagert“ worden. Somit konnten britische Limiteds ihren Verwaltungssitz auch in Österreich haben, solange ihnen im Gründungsstaat Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit zukam.
Das Austrittsabkommen des Vereinigten Königreichs mit der EU enthält keine Bestimmungen über das weitere Schicksal britischer Limiteds mit Sitz in der EU. Daher hält der OGH explizit fest, „dass aus österreichischer Sicht in Folge des Brexits kein Rechtsgrund zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer britischen Limited Liability Company mit Hauptverwaltungssitz in Österreich mehr besteht.“. Da eine Gesellschaft, die in einem Staat außerhalb des EWR gegründet wurde und ihren Sitz nach Österreich verlegte, schon bisher keine Rechts- und Parteifähigkeit hatte[8], blieb zu klären, wie mit einer solchen Limited im Verfahren „fortzufahren ist“. Schon zur Wahrung von Gläubiger– und Gesellschafterinteressen löst sich eine in Österreich „ursprünglich anerkannte Limited mit inländischen Verwaltungssitz“ in Folge des Brexits nicht in Luft auf.
Britische „Limited“ wird zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Für den OGH spricht das dafür, dass eine „Brexit bedingt“ ihrer Rechtsfähigkeit verlustig gegangene Limited „nach österreichischem Gesellschafterstatut nunmehr als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen“ ist. Bei nur einem Gesellschafter wird die ehemalige Limited als Einzelunternehmen fortgeführt.
Weil eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach österreichischem Recht nicht rechts- und parteifähig ist[9], werden die Gesellschafter einer solchen Gesellschaft selbst daher im anhängigen Verfahren zu Prozessparteien. Klargestellt hat der OGH dabei, dass diesen kein Wahlrecht zukommt, ob sie das Verfahren fortführen möchten oder ein anhängiges Verfahren mit einer britischen Limited als Prozesspartei in Folge des Wegfalls der Rechtsfähigkeit derselben beendet wird. Denn sonst könnten sich diese allfälliger Zahlungspflichten entziehen.
Unbeschränkte Haftung der Gesellschafter
Im Ergebnis führt dies zum Wegfall des Schutzes der Haftungsbeschränkung, den eine britische Limited bot. Die Gesellschafter haften nun persönlich und direkt – mit ihrem Privatvermögen. Hatte die Limited noch Forderungen, müssen diese nun von den Gesellschaftern selbst (im eigenen Namen) geltend gemacht werden.
Spätestens nach dieser Klarstellung der Rechtslage durch den OGH wird es für Gesellschafter einer nach britischem Recht gegründeten Limited mit Verwaltungssitz in Österreich Zeit, eine neue Rechtsform zu finden, um für die Gesellschaft wieder Rechtsfähigkeit zu erlangen und unerwünschte Auswirkungen des Brexits zu vermeiden .
Den Gesellschaftern einer ehemaligen britischen Limited mit Sitz in Österreich, die nun selbst im Fokus von Gläubigerinteressen stehen könnten, sei angeraten, die wirtschaftliche Lage der „Gesellschaft“ genau zu prüfen, auch auf die Notwendigkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen, um nicht Gefahr zu laufen, selbst vom Brexit in die Krida gespült zu werden.
Autor
Mag. Georg Streit ist Partner bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
Link auf die Website: https://www.h-i-p.at/
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Fußnoten:
[1] Stand 07.06.2022. Davon sind 112 Unternehmen als „Ltd. & Co KG“ registriert und 17 Unternehmen als „Limited & Co KG“.
[2] BGH 16.02.2021, II ZB 25/17
[3] OGH 27.01.2022, 9 Ob 74/21d
[4] OLG München 05.08.2021, 29 U 2411/21 Kart
[5] BFH 13.10.2021, I B 31/21
[6] BreBeG 2019 – bis Ende 2020
[7] auf § 10 IPRG gründete
[8] OGH 6 Ob 45/06w, OGH 8 Ob 54/06h
[9] von Ausnahmen abgesehen