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Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle (VRUN): Aktuelle Änderungen
Die VRUN bringt bedeutende Neuerungen im kollektiven Verbraucherschutz. Sie ermöglicht Qualifizierten Einrichtungen, Unterlassungs- und Abhilfeklagen gegen rechtswidrige Praktiken von Unternehmen zu bündeln und gerichtlich durchzusetzen.
VRUN – rechtlicher Hintergrund
Um in einem zunehmend globalisierten und digitalisierten Markt besser vor unerlaubten Praktiken abzuschrecken und den Schaden für die Verbraucher zu verringern, müssen die Verbandsklageverfahren zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher dahingehend gestärkt werden, dass sie sowohl Unterlassungsentscheidungen als auch Abhilfeentscheidungen umfassen.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die Richtlinie (EU) 2020/1828 die Zielsetzung, die Verbandsklageverfahren auf Unterlassungsentscheidungen und auf Abhilfeentscheidungen unionsweit in ihren Grundsätzen zu harmonisieren. Die vorliegende Verbandsklagen-Richtlinie soll sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Verstöße abdecken, insbesondere, wenn die von einem Verstoß betroffenen Verbraucher in einem anderen Mitgliedstaat leben als dem Mitgliedstaat, in dem der zuwiderhandelnde Unternehmer niedergelassen ist.
Das Qualifizierte-Einrichtungen-Gesetz (QEG)
Nach dem Grundkonzept der Richtlinie (EU) 2020/1828 sollen Verbandsklagen von so genannten Qualifizierten Einrichtungen, die von den Mitgliedstaaten benannt werden, erhoben werden können.
§ 1 QEG regelt die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Qualifizierten Einrichtung für grenzüberschreitende Verbandsklagen, § 2 QEG regelt die Anerkennung einer Qualifizierten Einrichtung für innerstaatliche Verbandsklagen und § 3 QEG sieht gesetzlich anerkannte Qualifizierte Einrichtungen vor.
Im Wesentlichen ist eine Qualifizierte Einrichtung nach dem QEG eine Organisation, die diese rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und deshalb befugt ist, Verbandsklagen im Interesse der Verbraucher zu erheben. Diese Einrichtungen müssen unter anderem die Interessen der Verbraucher als Satzungszweck haben, eine nicht gewinnorientierte Ausrichtung aufweisen und nicht unter dem Einfluss von Personen stehen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Erhebung einer Verbandsklage haben.
Verbandsklage auf Unterlassung
§ 5 Abs 1 und 3 QEG iVm §§ 619 ff ZPO sollen Qualifizierten Einrichtungen ermöglichen, gegen Rechtsverletzungen von Unternehmern, welche die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, mit einer Klage auf Unterlassung vorgehen zu können.
Schaffung eines parallelen Rechtsschutzweges
Die Verbandsklage auf Unterlassung soll den nach geltendem österreichischen Recht bereits vorhandenen Rechtsschutz durch Verbandsklagen nach anderen gesetzlichen Bestimmungen, etwa nach den §§ 28 ff KSchG und § 14 UWG, unberührt lassen. Vielmehr will die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 einen dazu parallelen Rechtsschutzweg ermöglichen, der den Qualifizierten Einrichtungen, sofern diese auch nach anderen gesetzlichen Regelungen zur Einbringung einer Verbandsklage legitimiert sind, die Wahl lässt, nach welchen Bestimmungen diese eine allfällige Klage erheben wollen. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass die bewährten Systeme bestehender Verbandsklagen und die dazu im Laufe der Jahre herausgebildete reichhaltige Rechtsprechung der Gerichte unbeeinträchtigt erhalten bleiben und die einschlägige Judikatur überall dort, wo sich das VRUN daran orientiert oder gleichlautende Regelungen vorsieht, auch für die nunmehr „neue“ Verbandsklage genutzt werden kann.
Sachlicher Anwendungsbereich
Das QEG erweitert den sachlichen Anwendungsbereich der Klagsbefugnis Qualifizierter Einrichtungen über die Mindestanforderungen der Richtlinie (EU) 2020/1828 hinaus. Es erlaubt diesen Einrichtungen, gerichtliche Unterlassungsansprüche nicht nur bei Verstößen gegen die in Anhang I der Richtlinie genannten EU-Rechtsakte geltend zu machen, sondern gegen jegliches rechtswidrige Verhalten von Unternehmen, sofern dieses die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht.
Verbandsklage auf Abhilfe
§ 5 Abs 2 sowie Abs 3 Z 1 lit b und Abs 3 Z 2 QEG iVm §§ 623 ff ZPO sollen Qualifizierten Einrichtungen ermöglichen, gegen Rechtsverletzungen von Unternehmern, die nicht nur die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, sondern bereits bei konkreten Verbrauchern Ansprüche auf Abhilfe entstehen haben lassen, die aber außergerichtlich bestritten werden, mit einer Klage auf Abhilfe vorgehen zu können. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass bereits mindestens 50 solcher Ansprüche bestehen und diese einen gemeinsamen Kern haben.
Neues Verfahrenskonzept erforderlich
Die Vorgaben der Verbandsklagen-Richtlinie erfordern ein völlig neues Verfahrenskonzept, weil einerseits Partei und Träger des Abhilfeverfahrens eine Qualifizierte Einrichtung sein soll, andererseits die einzelnen Verbraucher den Nutzen aus dem Verfahren ziehen sollen. An einer Verbandsklage auf Abhilfe sollen nur Verbraucher beteiligt sein, die sich dieser auch aktiv anschließen (opt-in). Die Qualifizierte Einrichtung kann Leistungsansprüche für alle Verbraucher, die der Klage beitreten, und im Rahmen einer Klage auf Abhilfe einen Zwischenfeststellungsantrag geltend machen, der sich auf die Klärung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses bezieht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, und das alle vom geltend gemachten Anspruch betroffenen Verbraucher in derselben Weise betrifft.
Änderungen der Zivilprozessordnung (ZPO)
Die Änderungen in der ZPO im Rahmen der VRUN führen zu wesentlichen Neuerungen im kollektiven Rechtsschutz. Insbesondere wurden die Bestimmungen in den §§ 619 ff ZPO neu gefasst, um Qualifizierten Einrichtungen die Geltendmachung von Unterlassungs- und Abhilfeansprüchen im Verbandsprozess zu ermöglichen. Dabei wird das Verfahren in mehrere Abschnitte unterteilt, beginnend mit der Prüfung der Zulässigkeit der Verbandsklage, gefolgt von möglichen Zwischenfeststellungsanträgen und abschließend der individuellen Entscheidung über die Ansprüche der Verbraucher. Diese Strukturierung soll die Prozessökonomie fördern und die kollektive Rechtsdurchsetzung vereinfachen. Zudem werden durch die Änderungen Regelungen zur Verjährungshemmung eingeführt, die es ermöglichen, dass sich Verbraucher auch während des laufenden Verfahrens noch anschließen können, ohne ihre Ansprüche zu verlieren.
Änderung des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) und des Rechtsanwaltstarifgesetzes (RATG)
Im Zuge der VRUN wurden auch das GGG und das RATG angepasst, um den neuen Anforderungen im Zusammenhang mit den erweiterten Klagemöglichkeiten durch qualifizierte Einrichtungen gerecht zu werden.
Im Gerichtsgebührengesetz wurden spezielle Gebührenregelungen für Verbandsklagen eingeführt, die darauf abzielen, die Prozesskosten für Verbraucherverbände kalkulierbar zu gestalten. Diese Regelungen berücksichtigen insbesondere die häufig hohe Anzahl von betroffenen Verbrauchern und die Komplexität der Verfahren.
Im Rechtsanwaltstarifgesetz wurden die Abrechnungsmodalitäten für Rechtsanwälte angepasst, die solche Verbandsklagen betreuen. Es wurden Honorartarife definiert, die der Bedeutung und dem Umfang der neuen Verfahren Rechnung tragen. Lediglich Verfahrenshandlungen, die sich nur auf Individualansprüche beziehen, sind nach den für diese geltenden generellen Regelungen des RATG zu entlohnen.
Inkrafttreten
Das QEG trat am 18.07.2024 in Kraft. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen anderer gesetzlicher Bestimmungen, die von der VRUN betroffen sind, ist den jeweiligen Gesetzen zu entnehmen.