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Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen wird ausgeweitet
Welche Neuerungen bringt das BGBl. I Nr. 99/2023 in Bezug auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse? Mag. Alina Alavi Kia und Mag. Nikolaus Sauerschnig erläutern die wichtigen Änderungen, die am 01.09.2023 in Kraft getreten sind.
Um sich dauerhaft in einem kompetitiven Markt durchzusetzen, spielen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (nachfolgend zum leichteren Verständnis nur als "Geschäftsgeheimnis" bezeichnet) eine entscheidende Rolle. Wenig verwunderlich ist daher, dass Unternehmen einen hohen Aufwand betreiben, um ihre Geschäftsgeheimnisse vor Eingriffen von Mitbewerbern zu schützen. Weitere Unterstützung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erhalten Unternehmen jetzt durch das am 01.09.2023 in Kraft getretene BGBl I Nr 99/2023. Welche Neuerungen das BGBl I Nr 99/2023 konkret bringt, erfahren Sie im folgenden Beitrag1:
Allgemeines
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen und die Verfolgung von deren Missbrauch ist zweifach geregelt:
Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthält sowohl zivil-2 als auch strafrechtliche Rechtsbehelfe, um gegen den Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen vorzugehen. Daneben enthält auch das Strafgesetzbuch (StGB) Regelungen zur Sanktion des Missbrauchs von Geschäftsgeheimnissen. Durch BGBl I Nr 99/2023 wurden nun die strafrechtlichen Regelungsbereiche des UWG und des StGB mehreren Neuerungen unterzogen.
Was sind Geschäftsgeheimnisse?
Bevor auf die Änderungen des BGBl I Nr 99/2023 eingegangen wird, ist zu klären, was überhaupt unter einem Geschäftsgeheimnis zu verstehen ist.
Während das UWG für die zivilrechtlichen Rechtsbehelfe durch die Umsetzung der Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows3 eine EU-weit vereinheitliche Definition des Geschäftsgeheimnisses erhalten hat,4 fehlt sowohl für die strafrechtlichen Bestimmungen des UWG (§§ 11f UWG) als auch des StGB (§§ 122ff StGB) eine gesetzliche Definition.
Nach bisheriger Rsp5 braucht es für das Vorliegen eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses iSd § 11 UWG folgende kumulative Voraussetzungen: Es muss sich um unternehmensbezogene Tatsachen handeln, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, diese Tatsachen müssen dem Willen der Geheimhaltung unterliegen und es muss ein wirtschaftliches Interesse an deren Geheimhaltung bestehen.6
Das strafrechtliche Begriffsverständnis (StGB) ergibt sich aus einer Kombination des allgemeinen Geheimnisbegriffs und seines wirtschaftlichen Bezugs, wobei hier auch die für zivilrechtliche Rechtsbehelfe einschlägige Definition des § 26b UWG als (zusätzliche) Grundlage herangezogen wird. Als Geschäftsgeheimnis gelten daher unternehmensbezogene geschäftliche und/oder technische Tatsachen mangelnder Offenkundigkeit, an denen der Berechtigte Geheimhaltungswillen und -interesse hat.7
Straftatbestände des UWG
Nach dem UWG macht sich strafbar, wer
- „als Bediensteter8 eines Unternehmens“ (= Sonderdelikt iSd § 14 StGB) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm im Rahmen seines Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt anderen zu Zwecken des Wettbewerbs mitteilt (§ 11 Abs 1 UWG);
- Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu Zwecken des Wettbewerbs rechtswidrig verwertet (§ 11 Abs 2 UWG); Sowohl Abs 1 als auch Abs 2 erfordern daher ein Handeln „zu Zwecken des Wettbewerbs“. Hierfür notwendig sind ein Wettbewerbsverhältnis und die Absicht, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern. Eine solche Wettbewerbsabsicht liegt etwa dann vor, wenn ein Bediensteter einen Mitbewerber seines Arbeitgebers über ein Geheimnis informiert. Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn lediglich der Empfänger der Mitteilung zu Wettbewerbszwecken handelt und nicht bereits der verräterische Bedienstete;9
- die ihm im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen (zB Bilder, Zeichnungen) oder Vorschriften technischer Art (zB technische Beschreibungen) zu Zwecken des Wettbewerbs unbefugt verwertet oder anderen mitteilt (§ 12 UWG).
Straftatbestände des StGB
Strafbar iSd StGB macht sich, wer ein Geschäftsgeheimnis
- offenbart oder verwertet, das ihm bei seiner Tätigkeit in Durchführung einer durch Gesetz oder behördlichen Auftrag vorgeschriebenen Aufsicht, Prüfung oder Erhebung anvertraut bzw zugänglich geworden ist (Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses gem § 122 StGB);
- mit dem Vorsatz auskundschaftet, es selbst zu verwerten, einem anderen zur Verwertung zu überlassen oder der Öffentlichkeit preiszugeben (Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses gem § 123 StGB) oder
- mit dem Vorsatz auskundschaftet, es im Ausland zu verwerten, verwenden oder auszuwerten oder ein ihm zur Wahrung anvertrautes Geschäftsgeheimnis der Verwertung, Verwendung oder Auswertung im Ausland preisgibt (Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands gemäß § 124 StGB).
Neuerungen durch das BGBl I Nr 99/2023
Durch das BGBl I Nr 99/2023, in Kraft getreten am 01.09.2023, hat der Gesetzgeber mehrere Änderungen bei den oben erwähnten Bestimmungen des UWG und des StGB vorgenommen. Diese lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:
- Erhöhung der Strafdrohungen
- Änderung der Zuständigkeitsregelung
- Änderung der Verfolgungsart
Erhöhung der Strafdrohung
Die erste Änderung betrifft die Strafdrohungen der Tatbestände des UWG und des StGB, die teilweise sehr signifikant sind.
Betrug die Strafdrohung der §§ 11f UWG beispielsweise noch bis zu drei Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, hat sich der nun geltende Strafrahmen sogar vervierfacht. Die Strafdrohung wurde auf eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen angehoben.
Ähnlich beträchtliche Verschärfungen erfuhren auch die Straftatbestände des StGB:
Die Strafdrohung des Grunddelikts des § 122 StGB wurde von einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen auf eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren erhöht. Ist die Qualifikation des § 122 StGB Abs 3 erfüllt,10 beträgt die Strafdrohung nun drei Jahre Freiheitsstrafe und nicht mehr Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen.
Die Strafdrohung des § 123 StGB beträgt nun bis zu drei statt bislang bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, jene des § 124 StGB Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren statt bislang bis zu drei Jahren.
Änderung der Zuständigkeit
Mit der Erhöhung der Strafdrohung einhergehend kommt es auch zu Änderungen bei der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts. Nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln der StPO war – wegen der niedrigen Strafdrohung – bei Erfüllung des Tatbestands der §§ 11f UWG bisher das Bezirksgericht für das Hauptverfahren sachlich zuständig.11 Im Zuge der Novellierung hat der Gesetzgeber in § 11 Abs 3 (bzw § 12 Abs 3) UWG eine Sonderzuständigkeit normiert, wodurch nun das Landesgericht als Einzelrichter zuständig ist. Ein solcher „Bündelungseffekt“ ist nicht ungewöhnlich, zumal in den wesentlichsten Bereichen des Wettbewerbs- und Immaterialgüterrechts (zB UrhG, MarkenSchG, PatG und MuSchG) ebenfalls eine solche sachliche Sonderzuständigkeit des Landesgerichts normiert ist. Dies ist auch nachvollziehbar, nachdem die Verfahren betreffend die Verletzung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen eine gewisse Komplexität beinhalten. Demnach sind Einzelrichter des Landesgerichts häufiger mit derartigen Verfahren konfrontiert, weshalb sie in der Praxis vermehrt über einschlägige Fachkenntnisse verfügen.12
Umwandlung in Ermächtigungsdelikt
Die letzte wesentliche und wohl auch für die Praxis weitreichendste Änderung betrifft die Art der Verfolgung. Waren die dargelegten Tatbestände des UWG und des StGB in verfahrensrechtlicher Hinsicht noch Privatanklagedelikte, so handelt es sich nun um Ermächtigungsdelikte. Dies bringt für Betroffene bedeutsame Erleichterungen: Während sie bislang zeit- und kostenintensiv selbst den anklagereifen Sachverhalt aufarbeiten mussten, sind strafrechtliche Missbräuche nun – nach Ermächtigung des Betroffenen – von Amts wegen zu verfolgen. Zudem sind sie vom Kostenrisiko einer Privatanklage befreit. Im Privatanklageverfahren muss der Privatankläger nämlich die Kosten des Strafverfahrens tragen, wenn es nicht mit Schuldspruch endet; eine derartige Regelung gibt es im Offizialverfahren nicht.
Conclusio
Während das BGBl I Nr 99/2023 vor allem eine Strafverschärfung von Missbräuchen von Geschäftsgeheimnissen betrifft, bringt es für Betroffene auch eine erfreuliche Änderung: Durch die Umwandlung von Privatanklagedelikten in von Amts wegen zu verfolgende Ermächtigungsdelikte bleibt Betroffenen in Zukunft die (kosten-)intensive Aufarbeitung des anklagereifen Sachverhalts erspart.
Diese Änderung wird wohl auch Auswirkungen auf die bislang geringe Anzahl der Verurteilungen in diesem Bereich haben: Im Jahr 2022 gab es lediglich eine Verurteilung nach § 124 StGB und eine nach § 11 UWG. Auch in den Jahren zuvor hielt sich die Zahl der Verurteilungen in Grenzen. Durch die Umwandlung zu Ermächtigungsdelikten ist wohl davon auszugehen, dass es zu einem Anstieg der Verurteilungen kommen könnte.13
Autoren
Mag. Alina Alavi Kia ist Rechtsanwältin bei Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH (Wien).
Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
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Fußnoten:
1 Zur besseren Lesbarkeit wird im Beitrag die männliche Form verwendet. Die Angaben beziehen sich aber natürlich auf Angehörige aller Geschlechter.
2 Der gegenständliche Beitrag setzt sich in Anbetracht der Änderungen durch das BGBl I Nr 99/2023 ausschließlich mit den strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten auseinander, nicht hingegen mit den zivilrechtlichen Sanktionen bei Verletzungen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.
3 RL (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung.
4 Gemäß § 26b UWG handelt es sich bei einem Geschäftsgeheimnis um eine Information, die geheim, von kommerziellem Wert und Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist.
5 OGH 9Os7/70 (RS0079599).
6 Görg, Kommentar zum UWG (2020) § 11 UWG Rz 7f.
7 Lewisch in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 122.
8 Darunter fallen insbesondere Arbeiter und Angestellte, Lehrlinge und Praktikanten, GmbH-Geschäftsführer, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG. Jedenfalls keine „Bediensteten“ iSd § 11 Abs 1 sind selbstständige Gewerbetreibende und Freiberufler.
9 Görg, Kommentar zum UWG (2020) § 11 UWG Rz 62f.
10 Dies ist der Fall, wenn die Tat begangen wird, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen.
11 § 30 Abs 1 StPO.
12 Kern, Verschärfung des strafrechtlichen Geheimnisschutzes – Kleine Änderungen mit großer Wirkung, ZWF 2023, 202.
13 Tipold, Die Novellen des StGB im Bereich Cyberkriminalität, Geheimnisschutz und Korruption sowie eine Reform der Reform im JGG, JSt 2023, 436 (438).