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Whistleblowing: Problemfall anonymer Hinweisgeber
Lesen Sie in diesem Beitrag, was bei anonymen Meldungen von sog. Whistleblowern im Unternehmen beachtet werden muss. Wie kann ein anonymer Hinweis verwertet werden? Sind anonyme Hinweisgeber als Zeugen im Gerichtsverfahren zulässig?
Whistleblowing: Vertrauliche/anonyme Meldungen
Die Abgabe von vertraulichen oder anonymen Meldungen innerhalb einer Berichterstattung ist ein Begriff, der häufig im Zusammenhang mit Whistleblowing verwendet wird. Die Vertraulichkeit personenbezogener Daten und/oder der Inhalt der Whistleblower-Meldung ist eine Möglichkeit für Einzelpersonen, Fehlverhalten innerhalb einer Organisation zu melden, ohne Vergeltungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Die vertraulichen Meldungen beinhalten in der Regel die Nutzung einer anonymen Website, auf der Einzelpersonen Bedenken oder Probleme melden können, ohne ihre Identität preiszugeben.
Praxistipp:
Ein Whistleblowing-Dienst eines Drittanbieters ist oft die beste Lösung für die Behandlung vertraulicher Hinweise.
Verhinderung bloßer „Verdachtsmeldungen"
Eine vertrauliche Berichterstattung ist einerseits ein wertvolles Instrument zur Förderung von Transparenz und Verantwortlichkeit innerhalb von Organisationen. Es kann dazu beitragen, Fehlverhalten aufzudecken, das andernfalls unentdeckt bleiben könnte und Mitarbeiter ermutigen, sich zu äußern und Bedenken zu melden. Gleichzeitig kann es Organisationen wertvolle Informationen und Erkenntnisse liefern, die ihnen helfen können, ihre Abläufe und Praktiken zu verbessern. Andererseits sollen Mitarbeiter auch nicht dazu animiert werden, unter dem Schutz der Anonymität inflationär Meldungen bloß „auf Verdacht“ einzubringen. Es muss daher ein Mittelweg zwischen beiden Szenarien gefunden werden.
Praktische Anwendung
Die Abgabe von vertraulichen oder anonymen Hinweisen sind nicht in allen europäischen Ländern gesetzlich anerkannt. Polen zum Beispiel hat entschieden, anonyme Meldungen von seinem nationalen Whistleblower-Gesetz auszunehmen. Dies bedeutet, dass polnische private und öffentliche Einrichtungen mit Whistleblowing-Kanälen anonyme Meldungen unbearbeitet lassen können. Wenn jedoch die Identität eines zuvor anonymen Hinweisgebers offengelegt wird, dann muss er oder sie mit anderen Hinweisgebern gleichbehandelt werden und das gleiche Recht auf Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen haben.
Whistleblowing: Vertraulichkeit und Anonymität
Abgrenzungsfaktoren
Der Aspekt der Vertraulichkeit bezieht sich auf die Praxis, es Einzelpersonen zu ermöglichen, Fehlverhalten innerhalb einer Organisation zu melden, ohne ihre Identität preiszugeben. Das bedeutet, dass der Name und die persönlichen Daten der Person vertraulich behandelt werden, die Meldung selbst jedoch nicht anonym ist.
Im Gegensatz dazu bezieht sich eine anonyme Meldung darauf, Personen zu erlauben, Fehlverhalten zu melden, ohne ihre Identität in irgendeiner Weise preiszugeben. Das bedeutet, dass der Name der Person, persönliche Informationen und der Inhalt der Meldung anonym bleiben, auch von der/den Person(en), die die Whistleblower-Meldung erhalten.
Chancen und Risiken
Vertrauliche und anonyme Meldungen bieten Einzelpersonen die Möglichkeit, Bedenken zu äußern oder Fehlverhalten zu melden, ohne Vergeltungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Ein empfehlenswerter Ansatz wäre dabei eine Lösung, die anonyme Meldungen erleichtert, aber dennoch Kommunikation und Feedback mit dem Hinweisgeber ermöglicht, um das Hinweisgeberschutzgesetz einzuhalten. Es ist wichtig, dass die Organisation in der Lage ist, den Hinweisgeberbericht weiterzuverfolgen, zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Anonyme Meldungen im Anwendungsbereich des HSchG
Anonyme Meldungen sind nach dem Hinweisgeberschutzgesetz möglich. Es wird daher vielfach empfohlen, diese Möglichkeit im Hinweisgebersystem vorzusehen und solche Meldungen auch zu bearbeiten. Die Anonymität senkt die Hemmschwelle für Meldungen, die in der Regel auch erst den Anstoß für Ermittlungen und den Fund weiterer Beweismittel geben.
Verwertbarkeit anonymer Hinweise
Verwertungsprobleme
Anonyme Meldungen über ein Hinweisgebersystem können der Auslöser für Ermittlungen sein, durch die weitere Hinweise, Zeugen und Beweismittel für den vorgetragenen Sachverhalt aufgedeckt werden. Doch wenn sich die Beweislage auf die Wahrnehmungen des Hinweisgebers beschränkt und dieser anonym bleibt, kann dies die praktische Verwertbarkeit beeinträchtigen. Möglicherweise belastet der Hinweisgeber als einziger Zeuge zB einen Vorgesetzten wegen schwerer Pflichtverletzungen, die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würden.
Ähnliches gilt, wenn Mitarbeiter im Rahmen von internen Untersuchungen nur gegen Zusicherung von Diskretion bereit sind, mitzuwirken – etwa aus Angst, Einschüchterung oder Loyalität gegenüber ihren Kollegen oder Vorgesetzten.
Arbeitsvertragliche Mitwirkungspflicht?
Der Arbeitsvertrag verpflichtet Mitarbeiter bei internen Untersuchungen und Befragungen mitzuwirken. Diese Pflicht folgt aus der allgemein im Zivilrecht anerkannten Treue- und Loyalitätspflicht in Vertragsverhältnissen. Arbeitsverhältnisse weisen eine besonders starke Verbindung der Vertragsparteien auf, sodass gerade diese Nebenpflichten Gewicht gewinnen. Einfach gesagt haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufeinander aufzupassen, sich zur Seite zu stehen und Schäden voneinander abzuwenden. Daraus folgt die Pflicht der Mitarbeiter, bei Befragungen im Rahmen von internen Untersuchungen teilzunehmen und wahrheitsgemäß auszusagen.
Zusicherung der Anonymität als Chance
Die Praxis zeigt jedoch, dass ausgehend von dem im Raum stehenden Untersuchungsgegenstand Mitarbeiterbefragungen sich als zäh und ergebnislos darstellen können. Sagen Mitarbeiter aus Gründen der Angst oder falsch verstandener Loyalität zu Kollegen nicht oder nicht wahrheitsgemäß aus, lässt sich dem auch kaum mit einem Hinweis auf bestehende arbeitsvertragliche Pflichten begegnen. Im menschlichen Zusammenspiel zwischen Befragenden und Befragten kann dann die Zusicherung von Anonymität ein Mittel sein, die Bereitschaft zur Aussage zu erhöhen. Denkbar ist zudem, dass Mitarbeiter keinesfalls (später) vor Gericht aussagen wollen und bei Befragungen nur mitwirken, wenn ihnen dies zugesichert wird.
Solche Zusicherungen können sinnvoll sein, um die Untersuchung voranzutreiben und zunächst einmal mehr zu erfahren. Erschöpfen sich aber die zusammengetragenen Beweise für den im Raum stehenden Sachverhalt in anonymen Hinweisen und Mitarbeiteraussagen, zeigt sich eine nur eingeschränkte Nutzbarkeit.
Anonyme Hinweisgeber als Zeugen im Gerichtsverfahren?
Beweislast im Gerichtsverfahren
Spätestens in einem Gerichtsverfahren, etwa nach Ausspruch einer Kündigung, muss der Arbeitgeber für die im Raum stehenden Vorwürfe Beweis anbieten, wenn der Prozessgegner, also der beschuldigte Mitarbeiter, gegen den sich die im Raum stehenden Anschuldigungen richten, diese zurückweist und bestreitet. Der Sachverhalt ist dann streitig und muss im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden. Hier wäre dann der Name des Zeugen zu benennen sowie die Nennung einer ladungsfähigen Anschrift. Fehlt dies, liegt kein von dem Gericht zu beachtendes Beweisangebot vor.
Indizwert anonymer Aussagen
Der Vorlage von im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens festgehaltenen anonymen Aussagen oder Gesprächsprotokollen mit Mitarbeitern kommt ein gewisser Indizwert zu, eine unmittelbare Zeugenvernehmung durch das Gericht kann dadurch aber nicht ersetzt werden. Das Gericht muss Zeugen selbst befragen. Auch dem Prozessgegner steht im Rahmen einer Beweisaufnahme das Recht zu, Fragen an Zeugen zu richten.
Wird ein Mitarbeiter in einem Gerichtsverfahren als Zeuge benannt und vom Gericht geladen, muss er erscheinen. Als Zeuge vor Gericht auszusagen ist eine Bürgerpflicht, der nachgekommen werden muss. Erscheint ein Zeuge unentschuldigt nicht, können Ordnungsgelder verhängt werden bis hin zur zwangsweisen Vorführung vor das Gericht. Gleiches gilt für eine Ladung der Staatsanwaltschaft.
Achtung:
Eine Zusicherung der Anonymität von sog Whistleblowern seitens des Arbeitgebers im Vorfeld wäre insoweit also kontraproduktiv und rechtlich wirkungslos, wenn der Name doch genannt wird, und ist schon deswegen nicht zu empfehlen. Eine Benennung des Mitarbeiters entgegen einer solchen Zusicherung könnte das Vertrauen in den Arbeitgeber nachhaltig beeinträchtigen.