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Baukostenindex als Wertmesser in Wertsicherungsklauseln – zulässig oder unzulässig?
Gastautor Mag. Martin Brunnhauser von der MVÖ erläutert eine neue mietrechtliche Verbandsklageentscheidung des OGH zum Thema Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen.
Es handelt sich um eine weitere Verbandsklageentscheidung, wie sie in jüngerer Vergangenheit zu Wertsicherungsklauseln bereits mehrfach ergangen sind. Den Hauptaspekt dieser Entscheidung stellt die Frage dar, ob der Baukostenindex – Baukostenindizes bilden die Entwicklung der Material- und Lohnkosten von Bauunternehmen bei der Ausführung von Bauleistungen ab – ein zulässiger Wertmesser für Mietverträge sein kann.
Diese Frage hat der OGH verneint. Eine Wertsicherungsvereinbarung die sich auf den Baukostenindex bezieht ist nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht zulässig (10 Ob 23/24s).
Die bekämpfte Klausel lautet:
„Der Hauptmietzins wird wertgesichert nach dem Gesamtbaukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau (Basisjahr 2010) auf Basis des im Monat der beiderseitigen Vertragsunterfertigung verlautbarten Indexwertes. Er verändert sich zu Beginn eines jeden Jahres (1.1.) im Verhältnis des Indexwertes für September des jeweiligen abgelaufenen Jahres zum Indexwert für den Basismonat. Die erstmalige Anpassung erfolgt mit 01.01.2022.
Dieser Indexwert bildet sodann auch die Basis für die weitere Wertsicherung. Sollte der zugrunde gelegte Index nicht mehr verlautbart werden gilt jener Index als Grundlage für die Wertsicherung der anstelle dieses Index verlautbart wird. In Ermangelung eines solchen jener, der dem Gesamtkosten-index für den Wohnhaus- und Siedlungsbau (Basisjahr 2010) am ehesten entspricht.“
Gesetzliche Grundlagen
Gem § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind Vereinbarungen, wonach Unternehmer:innen ein höheres als bei Vertragsabschluss bestimmtes Entgelt begehren können nur dann wirksam, wenn die für die Erhöhung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind. Ihr Eintritt muss zudem nicht vom Willen der Unternehmer:innen abhängen und der Vertrag unter den für die Entgeltänderung vereinbarten Voraussetzungen auch eine Verpflichtung zur Entgeltsenkung vorsehen.
Bei § 879 Abs 3 ABGB handelt es sich um eine Konkretisierung der allgemeinen Sittenwidrigkeitskontrolle des § 879 Abs 1 ABGB. Gröblich benachteiligende Nebenbestimmungen in AGB oder Vertragsformblättern sind nichtig. Die Nichtigkeit erfasst nur die ungerechte Klausel. Bei AGB handelt es sich um Vertragsbestimmungen, die von einer Vertragspartei für verschiedenste Fälle vorformuliert und nicht im Einzelnen ausgehandelt werden. Mietverträge, die unter Verwendung von Textbausteinen, die heutzutage üblicherweise von Hausverwaltungen und professionellen Vermieter:innen verwendet und individuell adaptiert werden, sind Vertragsformblättern gleichzustellen.
Wertsicherungsklausel: Entscheidung des OGH im Detail
§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG konkretisiert § 879 Abs 3 ABGB und dient dem Schutz des Verbrauchers vor überraschenden ebenso wie sachlich nicht gerechtfertigten Preiserhöhungen. Dieses Kriterium wurde durch die KSchG-Novelle 1997 nachträglich in § 6 Abs 1 Z 5 KSchG eingefügt. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus, es solle nicht mehr zulässig sein, die Preisentwicklung an Parameter zu knüpfen, die keinerlei sachlichen Bezug zum konkreten Geschäft und insbesondere zu den Kosten des Unternehmers haben.
Die Regelung bezweckt, das ursprüngliche Werteverhältnis der vertraglichen Leistung und der Gegenleistung auch während der Vertragslaufzeit aufrechtzuerhalten. Die Funktion von Wertsicherungsvereinbarungen ist, den inneren Forderungswert zu stabilisieren. Das ursprünglich vereinbarte Entgelt soll insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten an die tatsächliche Geldentwertung angepasst und damit das Äquivalenzverhältnis gewahrt werden (6 Ob 226/18f). Die anfängliche Gewinnspanne des Unternehmers soll über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg erhalten bleiben. Die Wertsicherungsvereinbarung soll dem Unternehmer aber keine darüber hinausgehenden „Zufallsgewinne“ ermöglichen (vgl 1 Ob 64/24d).
Um dem Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung zu genügen hat eine Wertsicherungsklausel die Kostenentwicklung des konkreten Unternehmers nicht punktgenau abzubilden.
Die sachliche Rechtfertigung einer Entgeltanpassung kann sich nach der Judikatur allgemein aus betriebswirtschaftlichen „oder vergleichbaren Gründen“ ergeben (10 Ob 125/05p, 1 Ob 64/24d).
Zulässigkeit von Wertsicherungen mit Bezug auf den Verbraucherpreisindex
Entgegen des bemerkenswerten Vorbringens der Beklagten, wonach der Baukostenindex die Kostenstruktur des unternehmerischen Vermieters deutlich besser abbilde als der Verbraucherpreisindex, der durch unzählige Positionen „verwässert“ werde, die mit Wohnungen nichts zu tun hätten, erachtet der OGH den die allgemeine Preisentwicklung darstellenden Verbraucherpreisindex als einen geeigneten Wertmesser.
Dazu wird vom OGH weiters ins Treffen geführt, dass auch der Gesetzgeber die Valorisierung der Kategoriebeträge sowie der Richtwerte an Verbraucherpreisindizes geknüpft hat.
Unzulässigkeit von Wertsicherungen mit Bezug auf den Baukostenindex
Die vereinbarten Wertsicherungsparameter müssen einen sachlichen Bezug zur Preiskalkulation unternehmerischer Vermieter:innen aufweisen. Daraus lässt sich im Gegenschluss aber nicht folgern, dass eine sachliche Rechtfertigung iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nur dann zu verneinen ist, wenn dem vereinbarten Änderungsfaktor jeglicher Bezug zu den unternehmerischen Kosten fehlt. Bereits vor der Neuregelung im Jahr 1997 stand außer Zweifel, dass eine Preisänderungsklausel, der eine sachlicher Kalkulationsbezug gänzlich fehlt, dem Sittenswidrigkeitsverdikt des § 879 ABGB unterliegt.
Um dem Gebot der sachlichen Rechtfertigung nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zu entsprechen, bedarf es nicht nur eines losen Bezugs des vereinbarten Wertmessers zu den die laufenden Kosten des Unternehmers bestimmenden Faktoren, sondern sollen „Zufallsgewinne“ zugunsten einer Vertragspartei durch die Anwendung der Klausel ehestmöglich verhindert werden.
Die Beklagtenseite argumentierte, dass dem unternehmerischen Vermieter neben den allgemeinen unternehmensbezogenen Kosten, sowie Finanzierungskosten, vor allem Kosten für die Erhaltung des Mietobjekts sowie der allgemeinen Teile der Liegenschaft entstünden. Der OGH ist jedoch der Ansicht, dass neben den Erhaltungskosten vielmehr andere wesentliche laufende Kosten, etwa jene der Finanzierung, sowie allgemeine unternehmensbezogene Kosten (etwa für Mitarbeiter, Büroräumlichkeiten etc) bestehen. Der Baukostenindex kann daher nur einen Bruchteil der maßgeblichen Kostenfaktoren unternehmerischer Vermieter abbilden.
Derartige Erhaltungsaufwände erwachsen nicht beständig und gleichmäßig während der gesamten Laufzeit des Mietverhältnisses. Größerer Sanierungsaufwand ist erst lange Zeit nach Errichtung oder Generalsanierung erforderlich. Gerade bei befristeten Mietverhältnissen und Erstbezug nach Errichtung bzw Generalsanierung sind Wertsicherungen nach dem Baukostenindex sachlich nicht zu rechtfertigen. Zudem sind Errichtungskosten ohnedies bereits in der Kalkulation des ursprünglich vereinbarten Mietzinses enthalten.
Fazit des OGH zu Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen
Zusammenfassend führt der OGH aus, dass es mit Blick auf die dargelegte Funktion der Wertsicherungsvereinbarung, den inneren Forderungswert zu stabilisieren und die subjektive Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen im Mietverhältnis beizubehalten, aus sachlichen Gesichtspunkten nicht angebracht ist, die Wertsicherung des Mietzinses an die Entwicklung nur eines von mehreren für die laufende Kostenbelastung des Vermieters entscheidenden Faktoren, namentlich dessen Erhaltungskosten, zu knüpfen. Ein solches Vorgehen muss zwangsläufig zu einer Verzerrung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses führen. Eine Wertsicherung des Mietzinses nach der Entwicklung des Baukostenindex vermag somit weder die konkrete Kostenentwicklung unternehmerischer Vermieter noch die durchschnittliche Marktentwicklung auch nur annäherungsweise abzubilden. Schon deshalb fehlt der hier zu beurteilenden Wertsicherungsklausel die sachliche Rechtfertigung im Sinn des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.
Abschließende Bemerkung:
Da der OGH das Sachlichkeitsgebot gem § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als Konkretisierung der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB bezeichnet, ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch für Mietverhältnisse, die nicht in den Anwendungsbereich des KSchG fallen, relevant ist.