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1 Ob 155/14x; OGH; 18. September 2014
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****-Aktiengesellschaft, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Christoph Lassmann-Wichtl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** Gesellschaft m. b. H., 2. M***** Gesellschaft mbH, beide *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH, Wien, der Nebenintervenientin auf Seiten der erst- und zweitbeklagten Parteien A*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, und 3. B***** G*****, vertreten durch Bollmann & Bollmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen EUR 150.127,99 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2014, GZ 1 R 65/14g-82, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Jänner 2014, GZ 19 Cg 111/10k-67, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 31. Jänner 2014, GZ 9 Cg 111/10k-69, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Klägerin begehrte EUR 150.127,99 sA. Sie sei Geschäftsversicherer („Extended Coverage“-Versicherung) eines in Räumlichkeiten der Zweitbeklagten eingemieteten Fitnesscenter-Betriebs und habe wegen eines Wasserschadens diverse Leistungen erbracht. In der darüber liegenden Wohnung der Drittbeklagten sei ein 200-Liter-Wasserboiler abgestürzt, was zu einem Wasseraustritt geführt habe. Dieser Boiler sei von der (Rechtsvorgängerin der) Erstbeklagten unsachgemäß (mit für Hohlziegelwände ungeeigneten Dübeln und Schrauben) montiert worden. Die Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin seien auf sie nach § 67 Abs 1 VersVG übergegangen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen das großteils stattgebende Ersturteil nicht Folge und änderte es über Berufung der Beklagten und der Nebenintervenientin dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Die Jahre vor ihrem Einzug in die Wohnung erfolgte mangelhafte Montage des Wasserboilers habe für die Drittbeklagte keine objektiv erkennbare Gefahrenlage dargestellt, der sie mit zumutbaren Maßnahmen begegnen hätte können, und die ihre Haftung nach § 1318 ABGB rechtfertigen würde. Darüber hinaus verneinte das Berufungsgericht – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – ein Organisationsverschulden der Erstbeklagten und die Haftung der Zweitbeklagten aus dem mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin abgeschlossenen Mietvertrag wegen des darin vereinbarten Haftungsausschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO anspricht.
1.1 Die Haftung nach § 1318 ABGB ist nach objektiven Grundsätzen zu beurteilen (RIS-Justiz RS0029761). Der Wohnungsinhaber ist für den durch das aus seiner Wohnung fließende Wasser verursachten Schaden nicht nach § 1318 ABGB ersatzpflichtig, wenn er beweist, dass er alle objektiv erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um die nach allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten mit einer dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entsprechenden Wahrscheinlichkeit berechenbaren Risken in zumutbarer Weise auszuschalten oder doch wenigstens auf ein unvermeidbares Maß zu verringern (RIS-Justiz RS0029655). § 1318 ABGB normiert demnach keine reine Erfolgshaftung (vgl RIS-Justiz RS0029597).
1.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Wasserrohrbruch den Wohnungsinhaber nicht ohne weiteres für den dadurch verursachten Schaden haftbar macht (RIS-Justiz RS0029837; vgl auch Harrer in Schwimann³ § 1318 ABGB Rz 12). Die Haftung setzt vielmehr bestimmte Umstände voraus, die auf die mögliche Gefahr eines Wasseraustritts hinwiesen, was nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen ist (vgl 5 Ob 246/06x; 7 Ob 193/11z = RdU 2012/49, 84 [krit Wagner] = wobl 2012/129, 390 [zust Etzersdorfer]). Das gilt auch für den hier vorliegenden Wasserschaden.
1.3 Es trifft zwar zu, wie die Revisionswerberin wiederholt betont, dass das für die Montage des Boilers verwendete Material nicht die nötige Tragfähigkeit aufgewiesen hat. Die Montage des Boilers erfolgte aber bereits mehr als zwei Jahre vor der Übernahme der Wohnung im Mai 2007 durch den Lebensgefährten der Drittbeklagten. Die Verwendung ungenügenden Montagematerials und damit gerade jener Umstand, der auf die mögliche Gefahr eines Schadens durch einen Wasseraustritt hinweisen hätte können, war ohne Demontage des Boilers nicht erkennbar. Für eine solche Maßnahme bestand für die Drittbeklagte aber schon deshalb keine Veranlassung, weil die Wohnung nach dem mit ihrem Lebensgefährten abgeschlossenen Vertrag in einem generalsanierten Zustand gekauft und übernommen worden war. Bei dieser Sachlage begründet es daher auch keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, wenn es davon ausging, dass die durch die fehlerhafte Montage des Boilers geschaffene Gefahrenlage für die Drittbeklagte objektiv nicht erkennbar gewesen sei. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich vielmehr im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Haftung für „gefährlich aufbewahrtes Wasser“ nach § 1318 ABGB.
2.1 Zur Haftung der Erstbeklagten beruft sich die Klägerin im Revisionsverfahren ausschließlich auf ein Organisationsverschulden, das sie darin verwirklicht sieht, dass der Geschäftsführer der Erstbeklagten das Montagematerial beigestellt, ausgewählt und seinen Monteuren vorgegeben habe.
2.2 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs haftet die juristische Person für den Schaden, der infolge einem dem verfassungsmäßigen Organ der juristischen Person anzulastenden Überwachungsverschulden oder Organisationsmangel entstanden ist (RIS-Justiz RS0009171). Die unzureichende Information eines Mitarbeiters über seine Pflichten kann ein solches Organisationsverschulden verwirklichen (RIS-Justiz RS0028443).
2.3 Keine Rede kann davon sein, wie die Klägerin meint, dass der Geschäftsführer der Erstbeklagten (richtig: deren Rechtsvorgängerin) zur Montage des Boilers ein völlig unzureichendes Befestigungssystem ausgewählt und den Monteuren vorgegeben hätte. Insoweit geht die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RIS-Justiz RS0043312). Danach standen die tatsächlich verwendeten Dübel gerade nicht für eine Montage an einer Hohlziegelwand bereit. Die Monteure wären vielmehr verpflichtet gewesen [gemeint: bei ihrem Arbeitgeber] rückzufragen, welches Material verwendet werden solle, wenn sie bei der Montage an Ort und Stelle Hohlziegelwände vorfanden. Damit bestanden zur Vorgangsweise, wie sie im Fall einer Montage von Boilern an einer Hohlziegelwand vorzugehen gehabt hätten, eindeutige Vorgaben an die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Erstbeklagten. Dass diese nicht geeignet gewesen wären, den Schadenseintritt abzuwenden, behauptet die Klägerin gar nicht, sodass es auch keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung begründet, wenn das Berufungsgericht ein der Erstbeklagten zuzurechnendes Organisationsverschulden verneinte.
3.1 Die Klägerin zieht im Revisionsverfahren die grundsätzliche Zulässigkeit des im Mietvertrag ihrer Versicherungsnehmerin mit der Zweitbeklagten vereinbarten Haftungsausschlusses nicht in Zweifel, meint aber, der gegenständliche Wasserschaden sei davon mangels Vorhersehbarkeit nicht erfasst.
3.2 Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluss der Haftung sind nach § 914 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0016561 [T1]). Es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt. Als verzichtbar werden nur voraussehbare und kalkulierbare Risken angesehen (RIS-Justiz RS0034024). Ansprüche, an welche die Parteien überhaupt nicht denken konnten, fallen nicht unter derartige Vereinbarungen (RIS-Justiz RS0038178 [T4]; vgl auch RS0033945). Fragen der Auslegung einer vereinbarten Haftungsbeschränkung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt (RIS-Justiz RS0112106; RS0042936; 9 Ob 41/13i = NZ 2014/27, 103). Das ist hier nicht der Fall.
3.3 Maßgeblich für die Vorhersehbarkeit als Voraussetzung für einen wirksamen Haftungsausschluss ist, ob die Parteien an einen solchen Schadenseintritt denken konnten; darauf, ob sie daran tatsächlich gedacht haben, kommt es nicht an (vgl 3 Ob 196/13i). Dass von dem in Punkt 6.7 des Mietvertrags geregelten Haftungsausschluss grundsätzlich auch Wasserschäden umfasst sind, zieht die Klägerin gar nicht in Zweifel, sondern meint, dass der Absturz des Boilers in der über dem Bestandobjekt gelegenen Wohnung und das Ausmaß des dadurch bei ihrer Versicherungsnehmerin hervorgerufenen Schadens nicht vorhersehbar gewesen sei. Steht aber gar nicht infrage, dass bestimmte Schäden (hier: Wasserschäden) vom Haftungsausschluss erfasst sind, kommt es darauf, ob auch die konkrete Ursache, die später zum Schadenseintritt geführt hat, und das Ausmaß des Schadens von der Vorstellung der Parteien bei Vertragsabschluss getragen war, nicht an. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin bedeutet es daher keine im Einzelfall unvertretbare Auslegung dieser Vertragsbestimmung, wenn das Berufungsgericht den durch den abgerissenen Boiler verursachten Wasseraustritt und die dadurch hervorgerufenen Schäden vom Haftungsausschluss erfasst sieht. Soweit die Klägerin hier ein grobes Verschulden releviert und dabei erneut auf ein Zurverfügungstellen eines unzureichenden Dübelsystems durch „verantwortliche Organe und Angestellte“ der Erstbeklagten (richtig: deren Rechtsvorgängerin) abstellt, genügt es zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zu dem von ihr behaupteten Organisationsverschulden zu verweisen.
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Leitsätze
-
Haftung für einen durch einen Boiler verursachten Wasserschaden
Ein Wasserrohrbruch macht den Wohnungsinhaber nicht ohne Weiteres für den dadurch verursachten Schaden haftbar. Vielmehr sind es bestimmte Umstände, die auf die mögliche Gefahr eines Wasseraustritts hinweisen, was nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zu beurteilen ist. Dies gilt auch für Wasserschäden, die durch einen schlecht montierten Boiler verursacht werden.WEKA (wed) | Judikatur | Leitsatz | 1 Ob 155/14x | OGH vom 18.09.2014 | Dokument-ID: 736232