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3 Ob 225/14f; OGH; 27. Jänner 2015
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dkfm. Dr. F*****, vertreten durch Mag. Michaela Jurkowitsch, Rechtsanwältin in Wien, wegen Widerspruch Dritter (§ 37 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2014, GZ 40 R 200/14d-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 27. Mai 2014, GZ 37 C 415/13f-14, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 744,43 (darin EUR 124,07 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Im Revisionsverfahren steht die Frage im Vordergrund, ob dem Exszindierungskläger nach einer in der Scheidungsvereinbarung enthaltenen Abtretung seiner Mietrechte an seine damalige Ehefrau weiterhin ein (zumindest Mit-)Mietrecht an der seinerzeitigen Ehewohnung zukommt, deren Räumung vom Beklagten gegen die frühere Ehefrau des Klägers betrieben wird.
Die Mutter des Klägers, J*****, war Hauptmieterin der Wohnung Top 6 im Haus K*****gasse 13 in W*****. Zum Zeitpunkt ihres Todes am 19. Februar 2003 lebten der Kläger, seine damalige Ehefrau und die vier gemeinsamen Kinder S*****, geboren 1990, R*****, geboren 1995, D*****, geboren 1996, sowie J*****, geboren 1996, mit der Verstorbenen in der Wohnung.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 28. August 2006 wurde die Ehe zwischen dem Kläger und seiner Frau A***** im Einvernehmen geschieden. Im Zuge der Scheidung trafen die beiden eine Scheidungsvereinbarung, in der sich der nunmehrige Kläger (als Zweitantragsteller) gegenüber seiner Frau (der Erstantragstellerin) verpflichtete, die jeweiligen Kosten der Mietwohnung direkt an den Vermieter (bzw dessen Verwalter) sowie bestimmte Betriebskosten – betragsmäßig gedeckelt – direkt an die Versorgungsunternehmen zu zahlen. „Für den Fall, dass die Erstantragstellerin die Wohnung verliert, oder die Mietrechte nicht an die Erstantragstellerin übertragen werden“, verpflichtete sich der Zweitantragsteller, die Mietkosten einer anderen Wohnung der Erstantragstellerin bis zum Höchstausmaß von EUR 700,– monatlich zu bezahlen.
Weiters wurde festgelegt, dass die Hauptmietrechte an der bisherigen Ehewohnung im Haus K*****gasse 13 der Erstantragstellerin alleine zustehen. „Ihr verbleibt die Wohnung.“ Der Zweitantragsteller, der damals bereits aus der Wohnung ausgezogen war, verpflichtete sich, sämtliche zur Übertragung der Hauptmietrechte an dieser Wohnung erforderlichen Erklärungen binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses abzugeben.
Am 19. März 2007 teilte die geschiedene Ehefrau des Klägers, die mit den vier Kindern in der Wohnung verblieben war, der Hausverwaltung mit, dass ihr aufgrund der Scheidungsvereinbarung die Mietrechte an der Wohnung alleine zustehen. Der Kläger rief am 29. Februar 2008 bei der Hausverwaltung mit dem Ersuchen an, das Mietverhältnis auf seine geschiedene Frau umzuschreiben. Ein Mieterwechsel wurde zum damaligen Zeitpunkt bei der Hausverwaltung nicht eingetragen.
Der Kläger vereinbarte im Zuge seines Auszuges aus der Wohnung nicht mit seiner Ehefrau, dass eine Übertragung der Mietrechte – entgegen dem Inhalt der Scheidungsvereinbarung – nicht stattfinden soll.
Aufgrund der gegen die geschiedene Ehefrau des Klägers erwirkten rechtswirksamen und vollstreckbaren Aufkündigung vom 28. März 2013 bewilligte das Erstgericht am 2. Juli 2013 die Räumungsexekution.
Gestützt auf – trotz eines kurzfristigen Auszugs – weiter bestehende Hauptmietrechte seiner Person erhob der Kläger eine auf Unzulässigerklärung der Räumungsexekution gerichtete Exszindierungsklage.
Auf der Grundlage der eingangs zusammengefasst angeführten Feststellungen wies das Erstgericht die Klage mangels Mietereigenschaft des Klägers ab.
Der Kläger sei nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 2003 Alleinmieter der Wohnung geworden; die vier damals minderjährigen Kinder seien nicht Mitmieter geworden, weil sie neben ihrem gegenüber ihrem Vater bestehenden familienrechtlichen Wohnungsanspruch kein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung gehabt hätten. Der Kläger, der die Wohnung verlassen habe, habe seine Hauptmietrechte an der Wohnung im Scheidungsvergleich an seine damalige Ehefrau abgetreten, die den Mietvertrag (allein) übernommen habe. Daran könne eine allfällige gegenteilige Übereinkunft im Jahr 2010 nichts ändern.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 5.000,–, nicht aber EUR 30.000,– übersteigend und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass die Rechtsprechung zur Frage des Eintrittsrechts Minderjähriger neben dem eigenen Eintrittsrecht ihres unterhaltspflichtigen Vaters uneinheitlich sei. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Der Kläger habe im Rahmen der Scheidungsvereinbarung seine Mietrechte an seine damalige Ehefrau übertragen. Den Kindern sei nach dem Tod ihrer Großmutter mangels eines eigenen dringenden Wohnbedürfnisses kein Eintrittsrecht zugekommen, weshalb sie nicht Mieter nach ihrer Großmutter geworden seien.
Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.
Seiner Revision stellt der Kläger voran, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des eigenen Eintrittsrechts von minderjährigen Kindern neben dem selbst eintretenden unterhaltspflichtigen Elternteil uneinheitlich sei.
Hier seien nach dem Tod von J***** im Jahr 2003 sowohl der Kläger als auch dessen Kinder als eintrittsberechtigte Personen ex lege als Mitmieter in die Mietrechte der Mutter bzw Großmutter an der Wohnung eingetreten. Die Kinder seien durchgehend in der Wohnung verblieben; der Kläger sei – im Zusammenhang mit der Scheidung – nur kurzfristig ausgezogen und lebe nun wieder gemeinsam mit den Kindern in der Wohnung. Der Unterhaltsanspruch der Kinder gegenüber ihrem Vater könne an ihrem Eintrittsrecht im Jahr 2003 nichts ändern. Zum Zeitpunkt der Aufkündigung sei die ehemalige Ehefrau des Klägers gar nicht Mieterin der Wohnung gewesen, weshalb die Aufkündigung ins Leere gegangen sei; die Räumungsexekution stelle einen unzulässigen „Eingriff in die weiterhin bestehenden Hauptmietrechte der klagenden Partei an diesem Mietobjekt“ dar. Durch die im Zusammenhang mit der Scheidung getroffene Vereinbarung sei keine Übertragung der – nicht nur dem Kläger, sondern auch den Kindern zustehenden – Hauptmietrechte erfolgt; der Kläger habe die Übertragung auch nicht durch eine entsprechende Erklärung gegenüber der Hausverwaltung effektuiert. Insgesamt habe die Aufkündigung gegenüber der ehemaligen Ehefrau des Klägers keine Rechtswirkungen gegenüber dem Kläger und den Kindern (als Mitmietern) erzeugen können, weshalb der Kläger und seine Kinder nach wie vor Mitmieter seien.
Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.
Rechtliche Beurteilung
1. Entscheidend ist im vorliegenden Exszindierungsprozess allein die Frage, ob dem Kläger nach wie vor ein Mietrecht an der Wohnung zusteht, deren zwangsweise Räumung bewilligt wurde. Da im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden ist, ob (auch) die Kinder Mitmieter sind, kommt es nicht auf die vom Berufungsgericht in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs angeführte Rechtsfrage an, die im Übrigen zu 7 Ob 145/09p (= immolex 2010/70, 207 [zustimmend Prader]) ausführlich unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur beantwortet wurde.
2. Einem eigenen Mietrecht des Klägers stehen die Feststellungen über den Inhalt der Scheidungsvereinbarung und die Feststellung, dass der Kläger keine der Scheidungsvereinbarung widersprechende weitere Übereinkunft getroffen hat, entgegen. Fragen der Beweislast stellen sich aufgrund des Fehlens von non liquet-Feststellungen nicht.
2.1. Der Kläger hat im Rahmen der Scheidungsvereinbarung seine Mietrechte an der Wohnung wirksam abgetreten.
2.2. Die Wirksamkeit einer Mietrechtsabtretung nach § 12 Abs 1 MRG setzt voraus,
- dass der bisherige Hauptmieter die Wohnung verlässt und ein naher Angehöriger, der mit ihm im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, die Wohnung weiter benützt und
- dass eine – wenigstens konkludente (RIS-Justiz RS0068541 [T4]) – Willensübereinstimmung zwischen dem Hauptmieter und dem zurückbleibenden Angehörigen über den Übergang der Mietrechte besteht (RIS-Justiz RS0070988 [T1]).
Das „Verlassen“ und das „Überlassen“ der Wohnung können zeitlich auseinander fallen (RIS-Justiz RS0068962). Die Willensübereinstimmung über den Mietrechtsübergang kann auch erst nach dem Auszug erfolgen; die Eintrittsvoraussetzungen beim nahen Angehörigen müssen aber zum Zeitpunkt des Auszugs des Mieters bestanden haben (RIS-Justiz RS0069502). Die in § 12 Abs 2 Satz 1 MRG vorgesehene Verpflichtung sowohl des alten als auch des neuen Mieters, dem Vermieter den Mieterwechsel unverzüglich anzuzeigen, ist für den Übergang der Mietrechte bedeutungslos (RIS-Justiz RS0079159); es handelt sich dabei nur um eine Ordnungsvorschrift (RIS-Justiz RS0069122 [T1]), deren Verletzung lediglich Schadenersatzansprüche des Vermieters begründen könnte (RIS-Justiz RS0079159 [T1]).
2.3. Nach dem Inhalt der Scheidungsvereinbarung war der Kläger, der Hauptmieter der Wohnung war, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bereits ausgezogen, während die – gemäß § 12 Abs 1 MRG eintrittsberechtigte – Ehefrau gemeinsam mit den Kindern in der Wohnung verblieb. In der Scheidungsvereinbarung wurde mit kaum zu überbietender Klarheit eine bestehende Willensübereinstimmung über die Abtretung der Mietrechte des Klägers an seine Ehefrau dokumentiert, wodurch der Mietrechtsübergang perfektioniert wurde.
Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen sowohl die seinerzeitige Ehefrau des Klägers als auch der Kläger selbst den Vermieter (bzw dessen Vertreter) im Jahr 2007 bzw im Jahr 2008 von der Abtretung der Mietrechte verständigt haben, bieten der Wortlaut der Scheidungsvereinbarung und die übrigen Feststellungen keinen Raum für die Annahme, dass eine Übertragung der Hauptmietrechte des Klägers von einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber der Hausverwaltung abhängig gemacht worden wäre.
3. Die Revision des Klägers ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
Leitsätze
-
Zur Abtretung der Mietrechte im Scheidungsvergleich
Für die Wirksamkeit einer Mietrechtsabtretung iSd § 12 Abs 1 MRG ist die Verständigung des Vermieters über den Mieterwechsel (§ 12 Abs 2 MRG), die lediglich eine Ordnungsvorschrift darstellt, nicht erforderlich. Die Mietrechtsabtretung ist wirksam, wenn der bisherige Hauptmieter die Wohnung verlässt und ein naher Angehöriger, der mit ihm im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, die Wohnung weiterbenützt und sofern eine zumindest konkludente Willensübereinkunft über den Mietrechtsübergang besteht.WEKA (mwo) | Judikatur | Leitsatz | 3 Ob 225/14f | OGH vom 27.01.2015 | Dokument-ID: 759449