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4 Ob 88/13i; OGH; 18. Juni 2013
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** N*****, vertreten durch Dr. Alexander Pflaum, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** H*****, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, wegen 5.832 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 2.916 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Jänner 2013, GZ 35 R 401/12y-25, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 24. September 2012, GZ 6 C 963/11y-18, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 62,28 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
- Der Immobilienmakler ist Sachverständiger iSd § 1299 ABGB. Er hat den Auftraggeber jedenfalls über sämtliche Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind (4 Ob 8/02h mwN; RIS-Justiz RS0109996 [T8]; zuletzt etwa 2 Ob 202/11m). Eine besondere Nachforschungspflicht trifft ihn im Regelfall nicht. Besteht für ihn keine Veranlassung, an der Richtigkeit einer ihm erteilten Information zu zweifeln, darf er sie auch ungeprüft weitergeben (5 Ob 135/07z; 7 Ob 27/09k; RIS-Justiz RS0112587). Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen (RIS-Justiz RS0109996 [T9]).
- Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Revision nachträglich mit der Begründung zugelassen, dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Immobilienmakler vor Übermittlung eines Angebots „regelmäßig“ Einsicht in das Grundbuch nehmen müsse. Eine derart generelle Aussage ist indes weder erforderlich noch möglich. Im konkreten Fall ist die Annahme der Vorinstanzen, dem Makler falle eine Pflichtverletzung zur Last, aus folgenden Gründen nicht zu beanstanden:
- Aus einem in einem Versteigerungsverfahren eingeholten Gutachten hatte sich ergeben, dass der Verpflichtete Eigentümer eines 3660/1510760 Anteils an einer im schlichten Miteigentum stehenden Liegenschaft mit Kleingärten war. Weiters hatte der Sachverständige darin ohne nähere Erläuterung ausgeführt, dass dieser Anteil mit einer bestimmten Kleingartenparzelle „verbunden“ sei. Dies hatten weder das Exekutionsgericht noch der zur Abwendung der Versteigerung beigezogene Beklagte hinterfragt. Über Vermittlung durch den Beklagten erwarb die Klägerin den Anteil. Jahre später stellte sich heraus, dass dem (inzwischen verstorbenen) Verpflichteten ein weiterer Anteil an der Liegenschaft gehört hatte, der nach einer offenkundig bestehenden Benutzungsregelung ebenfalls mit der von der Klägerin „erworbenen“ Parzelle „verbunden“ war. Die mit der grundbücherlichen Übertragung auch des zweiten Anteils verbundenen Kosten macht die Klägerin nun gegen den beklagten Makler geltend. Das Berufungsgericht bejahte die Haftung des Beklagten.
- Zwar wird sich ein Makler im Sinn der eingangs zitierten Rechtsprechung grundsätzlich auf ein in einem Versteigerungsverfahren eingeholtes Gutachten verlassen können. Im vorliegenden Fall war dieses Gutachten jedoch unschlüssig, weil es keinen Grund dafür nannte, warum (gerade) die strittige Parzelle mit dem in Exekution gezogenen Anteil verbunden war. Grundlage dafür war offenkundig eine nicht verbücherte, möglicherweise auch nur konkludente Benutzungsregelung. Dazu hätte der Gerichtssachverständige im Gutachten jedenfalls Stellung nehmen müssen. Die Auffassung, dass dem Beklagten als (ebenfalls) Sachverständigen dieser Mangel hätte auffallen und er daher weitere Erhebungen zu den Rechtsverhältnissen an der Kleingartenparzelle hätte pflegen müssen, ist jedenfalls vertretbar. Zu diesen Erhebungen hätte insbesondere die Einsichtnahme in das Grundbuch gehört.
- Richtig ist, dass die Problematik wohl auch jenem Rechtsanwalt hätte auffallen müssen, der in weiterer Folge im Auftrag der Klägerin den Kaufvertrag (nur) über den exekutionsverfangenen Anteil errichtet hatte. Das kann aber den Beklagten nicht entlasten: Es bestand keine vertragliche Verpflichtung der Klägerin, die Angaben des Beklagten zu überprüfen. Daher kann ihr eine Sorgfaltswidrigkeit des Anwalts nicht nach § 1313a ABGB als Mitverschulden zugerechnet werden. Denn eine solche Zurechnung käme nur in Betracht, wenn der Anwalt Pflichten oder Obliegenheiten verletzt hätte, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung seinen Auftraggeber trafen oder von diesem nachträglich übernommen wurden (4 Ob 283/98s = RIS-Justiz RS0021766 [T3]; 1 Ob 1/09t; 6 Ob229/10k). Davon kann hier aber keine Rede sein. Vielmehr wurde der Anwalt - wie etwa ein die Bauaufsicht führender Architekt (RIS-Justiz RS0108535) - ausschließlich im Interesse der Klägerin tätig; seine Beauftragung hatte nicht den Zweck, den Beklagten zu entlasten. Anwendbar ist aus diesem Grund nicht § 1304 ABGB, sondern § 1302 ABGB. Ein allenfalls schwerer wiegendes Verschulden des Anwalts könnte daher (richtigerweise) nur in einem Regressprozess von Bedeutung sein.
- Aus diesen Gründen ist die Revision des Beklagten mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, hat ihr der Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).
Leitsätze
-
Pflichtverletzung des Maklers wegen eines falschen Gutachtens
Im Regelfall trifft den Immobilienmakler keine besondere Nachforschungspflicht. Besteht für ihn keine Veranlassung, an der Richtigkeit einer ihm erteilten Information zu zweifeln, darf er sie auch ungeprüft weitergeben. Die Beurteilung einer Pflichtverletzung ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen.Iman Torabia | Judikatur | Leitsatz | 4 Ob 88/13i | OGH vom 18.06.2013 | Dokument-ID: 618207