© WEKA Business Solutions GmbH
A-1200 Wien, Dresdner Straße 45
E-Mail: kundenservice@weka.at
5 Ob 111/11a; OGH; 07. Juli 2011
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Christine B*****, 2. Elisabeth H*****, 3. B***** GmbH, 4. Gerhard R*****, 5. Silvia N*****, 6. Rudolf S*****, 7. Karin R*****, 8. Ilse S*****, 9. Hilde S*****, 10. Claudia M*****, 11. Rosa S*****, 12. Josef Z*****, 13. Elsa K*****, 14. Erna K*****, 15. Ernestine R*****, 16. Alfred G*****, 17. Irene C*****, 18. Monika F*****, 19. Monika F*****, 20. Maria H*****, 21. Brigitte K*****, 22. Renate L*****, 23. Karin H*****, 24. Erika H*****, 25. Bernhard H*****, 26. Silvia B*****, 27. Eva M*****, 28. Michael Z*****, 29. Elisabeth V*****, 30. Gertrude H*****, 31. Serbest G*****, 32. Ingeborg R*****, 33. Helga B*****, 34. Anna L*****, 35. Rene L*****, 36. Manuel M*****, 37. Elisabeth H*****, 38. Helga Z*****, 39. Elfriede S*****, 40. Josef P*****, 41. Elfriede S*****, 42. Marianne W*****, 43. Inge K*****, 44. Stefanie N*****, 45. Edith S*****, 46. Seronke S*****, 47. Hermine Z*****, 48. Margarethe Z*****, 49. Mariette O*****, 50. Inge A*****, 51. Martin E*****, 52. Berta K*****, 53. Olivia K*****, 54. Anja K*****, 55. Ingeborg B*****, 56. Johanna K*****, 57. Gabriele J*****, 58. Renate R*****, 59. Anna G*****, 60. Willi F*****, 61. Brigitta F*****, 62. Anna P*****, 63. Brigitte A*****, 64. Anton H*****, 65. Othmar P*****, 66. Traude P*****, 67. Gertrude S*****, 68. Anna G*****, 69. Ing. Karl M*****, 70. Christian J***** KEG, 71. Manfred V*****, 72. Michaela K*****, 73. Ursula M*****, 74. August H*****, 75. Johann H*****, 76. Elisabeth E*****, 77. Irene S*****, 78. Leopold T*****, 79. Sylvia H*****, 80. Irene H*****, 81. Thomas H*****, 82. Christine V*****, 83. Stefanie S*****, 84. Erich V*****, 85. Anton T*****, 86. Angela T*****, 87. Josef T*****, 88. Anna F*****, 89. Vesselin H*****, 90. Margarete S*****, 91. Marija S*****, 92. Hermine L*****, 93. Maria G*****, 94. Thomas P*****, 95. Natascha P*****, 96. Werner K*****, 97. Christina K*****, 98. Karin R*****, 99. Petra M*****, 100. Leopoldine Ü*****, 101. Kurt V*****, 102. Irene N*****, 103. Silvia R*****, 104. Herbert R*****, 105. Ingrid H*****, 106. Veronika K*****, 107. Amet I*****, 108. Zoraja H*****, 109. Herta N*****, 110. Erich T*****, 111. Erika H*****, alle *****, bzw *****, die Erstantragstellerin vertreten durch Günter Schneider Mieterinteressensgemeinschaft Österreichs, Antonsplatz 22, 1100 Wien, die 5.- bis 20.-, 22.- bis 27.-, 29.- bis 39.-, 41.- bis 100.- und 103.- bis 111.-Antragsteller vertreten durch die 21.-, 41.-, 19.- und 57.-Antragsteller, wider die Antragsgegnerin *****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG, über den Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Februar 2011, GZ 39 R 399/10f-26, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 3. August 2010, GZ 8 Msch 11/09x-14, in der Fassung dessen Ergänzungsbeschlusses vom 9. September 2010, GZ 8 Msch 11/09x-16, teilweise abgeändert wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionrekurs der Erstantragstellerin wird Folge gegeben und der erstinstanzliche Sachbeschluss im bekämpften Umfang, das ist hinsichtlich der Feststellung einer Betriebskostenüberschreitung von EUR 644,28 für Gartenbetreuung-Baumkataster, wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Erstantragstellerin die mit EUR 180 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit ebenfalls EUR 180 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Antragsteller sind Mieter der im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Liegenschaft *****.
In der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 verrechnete die Antragsgegnerin den Antragstellern unter dem Titel „Gartenbetreuung-Baumkataster“ einen Betrag von EUR 651,72, wovon im Revisionsrekursverfahren noch der Betrag von EUR 644,28 verfahrensgegenständlich ist. Diese durch mehrere Einzelrechnungen der ARGE Baumkataster belegten Aufwendungen betrafen von der Antragsgegnerin als Liegenschaftseigentümerin aufgewendete Kosten für die Erfassung der Bäume der Liegenschaft in einem Baumkataster und die Baumkontrolle gemäß der Ö-Norm L1122.
Das Erstgericht stellte fest, dass die in der Betriebskostenabrechnung 2006 hiefür insgesamt verrechneten Beträge von EUR 651,72 den Antragstellern zu Unrecht als Betriebskostenaufwendungen des Jahres 2006 vorgeschrieben wurden.
Gemäß § 2 Abs 2 Wiener Baumschutzgesetz sei jeder Grundeigentümer verpflichtet, den auf seinem Grundstück befindlichen Baumbestand zu erhalten. Das Erstellen und Verwalten von Baumkatastern, die der Überwachung der Baumgesundheit dienten, sei keine typische Gartenbetreuung und daher nicht auf die Mieter als Betriebskosten überwälzbar.
Dem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies mit Ausnahme eines Betrags von EUR 7,44 das Begehren auf Feststellung der Unzulässigkeit dieser Betriebskostenvorschreibung ab.
Als „Betreuung“ von Grünanlagen sei deren laufende Pflege zu verstehen. Maßnahmen, die über die regelmäßige Gartenbetreuung hinausgingen, wie die Entfernung eines abgestorbenen Baumes, eine deshalb erforderliche Ersatzpflanzung oder eine erstmalige Pflanzung bisher nicht vorhandener Gartenpflanzen, gehe über die regelmäßige Gartenbetreuung hinaus und sei daher nach höchstgerichtlicher Judikatur nicht zu den Betriebskosten zu zählen (5 Ob 143/09d). Zur laufenden Betreuung einer Gartenanlage zähle aber auch die regelmäßige Baumkontrolle, die erforderlich sei, um Schäden an Bäumen rechtzeitig feststellen zu können und dadurch Schäden durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Die Ö-Norm L1122 enthalte konkrete Maßnahmen zur Verkehrssicherung von Bäumen und stelle insofern eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen dar (1 Ob 278/98h). Nach den Regeln dieser Ö-Norm müssten Bäume in regelmäßigen Abständen auf Vitalität, Kronen- und Stammentwicklung sowie Schäden überprüft werden. Bei Bäumen im Verkehrsbereich sei eine jährliche Kontrolle anzustreben. Jede Befundung sei zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang sei ein Baumkataster zu erstellen.
Im Ergebnis seien daher die von der Antragsgegnerin in Rechnung gestellten Maßnahmen nicht als Erhaltungs-, sondern als Betriebsaufwand im Sinne regelmäßig erforderlicher Gartenbetreuung zu werten. Die Überwälzung solcher Aufwendungen auf die Mieter sei daher zulässig.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000 nicht übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Kosten der Baumkontrolle als Betriebskosten auf die Mieter überwälzbar seien, nicht vorliege.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Erstantragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.
Unbekämpft blieb die Erledigung eines Teilbetrags von EUR 7,44 für nicht nachvollziehbare Aufwendungen, sodass verfahrensgegenständlich Gartenbetreuungskosten in Höhe von EUR 644,78 sind.
§ 24 MRG regelt die anteilige Überwälzung von besonderen Aufwendungen für Gemeinschaftsanlagen auf die Mieter eines Hauses nach den Grundsätzen des § 17 MRG. Nach § 24 Abs 2 MRG zählen zu den besonderen Aufwendungen auch die „Kosten für die Betreuung von Grünanlagen“.
Nach höchstgerichtlicher Judikatur (5 Ob 2091/96b = wobl 1998/219, 338 [Würth]; 5 Ob 65/95 = wobl 1997/44, 149 [Würth]; 5 Ob 143/09d = ecolex 2009/409, 1059 = immolex 2010, 113, 32 [Edelhauser]; RIS-Justiz RS0105720) ist bei Grünanlagen der Begriff „Betrieb“ als Betreuung im Sinn ihrer laufenden Pflege zu verstehen. Auf diese Art ist die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Erhaltungsaufwand vorzunehmen. Maßnahmen, die darüber hinausgehen, sind unabhängig von der Höhe der Aufwendungen nicht zu den Betriebskosten zu zählen. So wurde die Entfernung eines abgestorbenen Baumes samt deshalb erforderlicher Ersatzpflanzung oder die erstmalige Neupflanzung nicht mehr als Maßnahme der laufenden Pflege bewertet (5 Ob 143/09d).
Die Antragsgegnerin erachtet sich durch die Bestimmung des § 2 Wiener Baumschutzgesetz 1974 idF LGBl Nr 53/2001 iVm der Ö-Norm L1122-Baumpflege und Baumkontrolle für berechtigt, die Kosten der sich daraus ergebenden Maßnahmen gemäß § 24 Abs 2 MRG auf die Mieter der Liegenschaft zu überwälzen.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutze des Baumbestandes in Wien (Wiener Baumschutzgesetz 1974) ist zufolge dessen § 1 Abs 1 die Erhaltung einer gesunden Umwelt für die Wiener Bevölkerung, wofür der Baumbestand im Gebiet der Stadt Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes geschützt ist. § 2 dieses Gesetzes verpflichtet jeden Grundeigentümer oder Bauberechtigten, „den auf seinem Grundstück stockenden Baumbestand zu erhalten“.
Die seit Mai 2003 geltende Ö-Norm L1122 – Baumpflege und Baumkontrolle definiert die Baumpflege und die hiefür erforderlichen Baumkontrollmaßnahmen, wonach Bäume in regelmäßigen Abständen durch Fachkundige je nach Entwicklungsstufe, Gefährdungspotential und Zustand einer Sichtkontrolle zu unterziehen sind. Die Sichtkontrolle hat unter anderem auch eindeutige Aussagen über die Verkehrssicherheit und den Zeitpunkt der nächsten Kontrolle des Baumes zu enthalten. Beim Auftreten von Ereignissen besonderer Art, wie abnorme Witterungsverhältnisse oder Bautätigkeit im Standraumbereich des Baumes, ist innerhalb eines angemessenen Zeitraums ein Kontrollgang vorzusehen. Zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen sind jährliche Kontrollen anzustreben. Jede Befundung und die ausgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren. Die Dokumentation in „Baumkatastern“ ist in der Ö-Norm L1125 geregelt.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sind die von ihr aufgewendeten Kosten zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Schutz des Baumbestandes in Wien nach den Regeln der zitierten Ö-Normen nicht ohne weiteres auf die Mieter ihrer Wohnhausanlagen nach § 24 Abs 2 MRG überwälzbar. Während sich bei sämtlichen Aufwendungen zur Erstellung und Erhaltung eines Baumkatasters von selbst versteht, dass es sich dabei nicht um Betreuungsarbeiten handelt, sind zur Baumpflege und Baumkontrolle gesetzte Maßnahmen nur insoweit - eingeschränkt im Sinn der dargestellten Rechtsprechung - überwälzbar, als sie der laufenden „Betreuung von Grünanlagen“ dienen. Auf die Regelmäßigkeit der von der Antragsgegnerin nach öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur erbringenden Maßnahmen, die schon nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung der „Erhaltung“ des Baumbestands dienen, kommt es entgegen der Ansicht des Rekursgerichts dabei nicht an. Auch wäre in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob bei der gebotenen sparsamen Wirtschaftsführung (vgl 5 Ob 74/88 = SZ 62/119 = wobl 1989, 139/79 [Call] = MietSlg 41.290/24; E. M. HausmannHausmann/Vonkilch in, Österreichisches Wohnrecht Rz 11 zu § 24 MRG) die laufende Kontrolle und Pflege nicht ohnedies von denjenigen Personen wie Gärtnern oder Hausbesorgern durchgeführt werden kann, die die Gartenbetreuung durchführen.
Weil sich die Antragsgegnerin aber hinsichtlich der Berechtigung der Kostenüberwälzung uneingeschränkt auf die ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten berief und daher auch Teilbeträge nicht erkennbar Aufwendungen iSd § 24 Abs 2 MRG zugeordnet werden können, ist die Unzulässigkeit der Überwälzung dieser Kosten als Aufwendungen iSd § 24 Abs 2 MRG auszusprechen.
Der Revisionsrekurs war daher berechtigt.
Leitsätze
-
Unzulässigkeit der Überwälzung von Gartenbetreuungskosten als Aufwendungen
Die gem § 2 Wr BaumschutzG 1974 iVm der Ö-Norm L1122 öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Grundeigentümer zur Baumpflege und -kontrolle kann nur soweit nach § 24 Abs 2 MRG überwälzt werden, als sie der laufenden Betreuung von Grünanlagen dient.Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 111/11a | OGH vom 07.07.2011 | Dokument-ID: 301514