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Dokument-ID: 656226

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 168/13m; OGH; 17. Dezember 2013

GZ: 5 Ob 168/13m | Gericht: OGH vom 17.12.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers C*****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegnerin Ö*****, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG iVm § 23 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Mai 2013, GZ 39 R 60/13g-15, womit über Rekurs des Antragstellers der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. Dezember 2012, GZ 48 Msch 13/12p-11, abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit EUR 447,98 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten EUR 74,66 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse ***** W*****. Der Antragsteller ist Mieter des Geschäftslokals Top Nr 2 in diesem Haus.

Das Haus wird von der Gebäudeverwaltung ***** R***** GmbH & Co KG verwaltet. Diese bietet außerhalb der Geschäftszeiten der Hausverwaltung für das Haus ein kostenpflichtiges „R***** Permanent Service“ an. Im Haus ist eine Tafel mit der Nummer der Service-Hotline angebracht.

Im Rahmen dieses Permanent Service kann sich jeder Mieter des Hauses im Notfall an die an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden täglich erreichbare Hotline wenden. Anrufe, die während der Geschäftszeiten der Hausverwaltung eingehen, werden an die Hotline weitergeleitet. Anrufe außerhalb der Geschäftszeiten der Hausverwaltung werden von einem Mitarbeiter des Permanent Service entgegengenommen. Dieser Mitarbeiter lässt sich zunächst vom Anrufer das Problem schildern und protokolliert die Angaben des Anrufers. Anschließend veranlasst er entweder die sofortige Störungs- bzw Schadensbehebung, indem er den jeweils erforderlichen Notdienst verständigt, oder er leitet bei leichten Mängeln den Störfall an die Hausverwaltung weiter. Der Mitarbeiter begibt sich nicht selbst vor Ort, um das Problem zu begutachten.

Die Mitarbeiter verfügen über ein Handbuch, in dem die richtige Vorgehensweise für den jeweils eingetretenen Notfall beschrieben wird. Das Handbuch soll sicherstellen, dass im Schadens- bzw Störungsfall möglichst rasch die richtigen Schritte eingeleitet werden und eine Ausweitung von Schäden verhindert wird.

In den Aufgabenbereich des Permanent Service fallen beispielsweise Störungen beim Aufzug, bei der Brandmeldeanlage, bei der CO-Warnanlage, Probleme mit Garagen- und Schranktoren, dem Haustor oder der Haustür sowie Meldungen von Feuer, Schäden durch Naturgewalten, Stromstörungen und Kurzschlüssen, Wasserrohrbrüchen, Schäden am Dach oder dadurch bedingte Wassereintritte, Glasbruch, bauliche Gebrechen am Haus, Gasleitungsschäden und Schäden der Lichtanlage.

Für laufende Erhaltungsarbeiten und Reparaturmaßnahmen ist die Hausverwaltung zuständig. Um Wartungs- oder Reinigungsarbeiten kümmern sich die Mitarbeiter des Permanent Service nur ausnahmsweise, beispielsweise, wenn es zu plötzlicher Vereisung kommt.

Im Jahr 2008 betrugen die Kosten des Permanent Service EUR 376,32 und im Jahr 2010 EUR 390,72 (jeweils netto). Diese Positionen wurden in den Betriebskostenjahresabrechnungen 2008 und 2010 auf die Mieter überwälzt, und zwar in der Betriebskostenabrechnung 2008 unter dem Titel „Diverse BK“ und in der Betriebskostenabrechnung 2010 unter der Position „Andere BK“.

Soweit für das Revisionsrekursverfahren noch wesentlich, beantragt der Antragsteller die Feststellung, dass die Antragsgegnerin ihm als Mieter des Objekts Top 2 im Haus das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch die Verrechnung eines Betrags von EUR 376,32 netto in der Betriebskostenjahresabrechnung 2008 und von EUR 390,72 netto in der Betriebskostenjahresabrechnung 2010 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um seinen betriebskostenschlüsselmäßigen Anteil überschritten habe.

Der Antragsteller brachte vor, dass die genannten Beträge zu Unrecht als Betriebskosten verrechnet worden seien.

Die Antragsgegnerin wendet ein, dass § 23 Abs 1 MRG im Rahmen der Hausbetreuung auch die Kosten für die Beaufsichtigung des Hauses und der Liegenschaft umfasse. Bei den beanstandeten verrechneten Kosten handle es sich um die Abgeltung einer Rufbereitschaft, die ursprünglich in den Aufgabenbereich des Hausbesorgers gefallen sei. Die Überwälzung dieser Kosten sei daher zu Recht erfolgt.

Das Erstgericht wies den Sachantrag ab.

Unter Berufung auf die Entscheidung 5 Ob 193/07d vertrat es die Auffassung, dass die Rufbereitschaft unter den Begriff der „Beaufsichtigung des Hauses und der Liegenschaft“ iSd § 23 Abs 1 MRG zu subsumieren sei. Es handle sich um Aufwendungen für die Hausbetreuung gemäß § 23 Abs 2 lit b MRG. Die anfallenden Kosten für die Rufbereitschaft zählten somit zu den auf die Mieter überwälzbaren Betriebskosten. Die Angemessenheit der verrechneten Kosten sei der Höhe nach nicht bestritten worden.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs Folge und gab dem Sachantrag statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000 nicht übersteigt und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Rufbereitschaftskosten eines „Call-Centers“ als Hausbetreuungskosten verrechnet werden könnten.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass der vorliegende Fall mit dem der Entscheidung 5 Ob 193/07d zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar sei: Dort sei ein Teil der Hausbetreuung einzelnen Hausbetreuern übertragen worden, die Dienstnehmer des Vermieters gewesen seien und denen auch die mit ihnen vereinbarte Rufbereitschaft abgegolten worden sei. Die hier von der Permanent Service erbrachten Leistungen seien keinem der angeführten Bereiche typischer Hausbesorgertätigkeiten zuzuordnen. Es handle sich geradezu um klassische Tätigkeiten eines Hausverwalters, die bezeichnenderweise hier auch von der Gebäudeverwaltung außerhalb ihrer Geschäftszeiten angeboten würden. Das Permanent Service mache somit nichts anderes als die Hausverwaltung mit dem einzigen Unterschied, dass es außerhalb der Öffnungszeiten kontaktiert werden könne. Das bewirke aber nicht, dass es sich dabei inhaltlich um Hausbesorgertätigkeiten handle, die als solche abzugelten seien. Sei der sich aus § 22 MRG ergebende anrechenbare Betrag für Verwaltungsauslagen ausgeschöpft, so könnten übersteigende Kosten für zusätzliche Leistungen des Hausverwalters nicht auf die Mieter überwälzt werden. Hier sei nicht strittig, dass der Vermieter den sich aus § 22 MRG ergebenden Betrag für die Verwaltung bereits ausgeschöpft habe. Die Vorschreibung der strittigen Beträge sei daher unzulässig.

Dabei hob das Rekursgericht zusätzlich hervor, dass das Rufservice mit keinen Vorteilen für die Mieter verbunden sei. Mit Leichtigkeit (etwa durch Nummernanschlag der jeweiligen Notdienste) könne bewerkstelligt werden, dass die Mieter selbst direkt die jeweils zuständigen Professionisten kontaktierten.

Gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichts im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Antragsteller beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. § 21 Abs 1 Z 8 MRG bezeichnet im Katalog der auf die Mieter überwälzbaren Betriebskosten die in § 23 MRG genannten angemessenen Aufwendungen für die Hausbetreuung.

2. Infolge der Neufassung des § 23 MRG durch Art 2 Z 11 WRN 2000 wurde im Zusammenhang mit der Unanwendbarkeit des HbG der bisherige „Beitrag“ für Hausbesorgerarbeiten durch die „angemessenen Aufwendungen für die Hausbetreuung“ ersetzt. Dabei wurde in § 23 Abs 1 MRG der Begriff der „Hausbetreuung“ im Wesentlichen an Hand der bisherigen Definition des Hausbesorgers und seines Aufgabenkreises, wie er durch die Rechtsprechung entwickelt wurde, umschrieben und die Kernelemente der zu erbringenden Leistungen dahin definiert, dass sie die Reinhaltung, Wartung und Beaufsichtigung des Hauses bezogen auf Arbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft und die gemäß § 93 StVO in die Betreuungspflicht des Liegenschaftseigentümers fallenden Gehsteige enthalten (5 Ob 99/06d; 5 Ob 270/08d wobl 2010/29, 5 Ob 72/09p immolex 2010/25 [Prader]).

3. Zur Vermeidung eines überbordenden Regelungsaufwands wurden nur die Kernelemente der Hausbesorgertätigkeit, nämlich Reinhaltung, Wartung, Schneeräumung und Beaufsichtigung in allgemein gehaltener Formulierung genannt und auf eine Übernahme der sehr detaillierten Bestimmungen der §§ 4 und 5 HbG verzichtet. Durch diese Beschreibung der zur Hausbetreuung zu zählenden Tätigkeiten sollte – jedenfalls nach dem Willen der an der Gesetzwerdung beteiligten Personen – keine Veränderung des Umfangs der überwälzungsfähigen Arbeiten gegenüber der früheren Rechtslage bewirkt werden, und zwar weder in die eine noch in die andere Richtung (Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2000, wobl 2000, 197 [206]). Leistungen, die über die im Gesetz umschriebenen Hausbetreuungsleistungen hinausgehen, können – unabhängig, von wem sie erbracht wurden – nicht überwälzt werden (5 Ob 270/08d wobl 2010/29).

4. Verfahrensentscheidend ist, ob die hier verrechneten Rufbereitschaftskosten als Kosten der „Beaufsichtigung des Hauses“ zu zählen sind.

Das ist nach Auffassung des Senats zu verneinen:

4.1 In der Entscheidung 5 Ob 193/07d (immolex 2008/1 [zust Prader]), auf die sich die Antragsgegnerin beruft, wurde die Überwälzung von tatsächlich vereinbarten Rufbereitschaftskosten als zulässig beurteilt, wobei im Anlassfall das Konzept darin bestand, dass die Mieter über eine Liste von Firmen verfügten, die in Notfällen kontaktiert werden konnten, wobei diese Firmen die „rufbereiten“ Hausbetreuer zur Einleitung von Sofortmaßnahmen kontaktierten. Als maßgebend für die Überwälzbarkeit der Kosten wurde erachtet, dass die Hausbetreuer im Rahmen ihrer Rufbereitschaft nicht Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung des Hauses zu ergreifen hatten, sondern nur im Notfall tätig wurden.

4.2 In der Entscheidung 5 Ob 72/09p (immolex 2010/25 [Prader]) blieb die Zulässigkeit eines Entgelts für „Rufbereitschaft“ mit dem Hinweis unbeantwortet, dass – anders als in der Entscheidung 5 Ob 193/07d – kein Nachweis des Abschlusses einer gesonderten Vereinbarung über die Abgeltung der Rufbereitschaftskosten erbracht worden sei.

4.3 Unter „Beaufsichtigung des Hauses“ kann nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine bloß telefonische Rufbereitschaft, die auch bei Meldung einer konkreten Störung nicht zu einer Besichtigung der Situation durch den „rufbereiten“ Betreuer vor Ort führt, jedenfalls nicht verstanden werden: Es handelt sich nämlich gerade nicht um die Kontrolle der konkreten Situation der Liegenschaft und der damit verbundenen Beurteilung der Notwendigkeit, bestimmte Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Vielmehr dient die „Rufbereitschaft“ nur dazu, dass über den Umweg des „Call-Centers“ der zuständige Professionist kontaktiert wird, eine Maßnahme, die zum typischen Aufgabenkreis des Verwalters zählt.

4.4 Der wesentliche Unterschied zur Entscheidung 5 Ob 193/07d besteht somit darin, dass dort die „rufbereiten Hausbetreuer“ von jenen Professionisten, die von Mietern wegen eines Notfalls kontaktiert wurden, angesprochen wurden, wobei die Hausbetreuer dann ihrerseits nach Kontrolle der konkreten Situation vor Ort entschieden, ob Sofortmaßnahmen eingeleitet werden sollen oder nicht.

Damit deckten aber die im Anlassfall der Entscheidung 5 Ob 193/07d vereinbarten und verrechneten Kosten für die Rufbereitschaft den Bedarf, der darin besteht, dass außerhalb üblicher Dienstzeiten der Hausverwaltung Hausbetreuer in Notfällen die konkrete Liegenschaft tatsächlich beaufsichtigen und Sofortmaßnahmen einleiten.

4.5 Dient hingegen die „Rufbereitschaft“ – wie hier – nur dazu, von den Mietern bekannt gegebene Gebrechen an Professionisten weiterzuleiten, liegt darin keine Tätigkeit, die auch nur im weitesten Sinn der „Beaufsichtigung“ des Hauses unterstellt werden könnte.

5. Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, dass der obsiegende Antragsteller die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung ersetzt erhält.

Leitsätze

  • Rufbereitschaftskosten sind keine Betriebskosten

    Dient eine Rufbereitschaft nur dazu, von Mietern bekannt gegebene Gebrechen an geeignete Reparaturdienste weiterzuleiten, liegt keine Tätigkeit vor, die unter die „Beaufsichtigung“ eines Hauses fällt und somit zu den Betriebskosten zu zählen ist.
    WEKA (gau) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 168/13m | OGH vom 17.12.2013 | Dokument-ID: 656143