© WEKA Business Solutions GmbH
A-1200 Wien, Dresdner Straße 45
E-Mail: kundenservice@weka.at
5 Ob 175/08h;OGH; 26. August 2006
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Ulrike K*****, vertreten durch Mag. Sigrid Räth, Rechtsanwältin in Tulln, gegen die Antragsgegnerin I***** GmbH und Co KEG, *****, vertreten durch Mag. Carl Handlechner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 20 Abs 1 WEG über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 12. März 2008, GZ 54 R 255/07z-20, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. September 2007, GZ 16 Msch 14/07a-12 abgeändert wurde, nachstehenden
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Sachbeschluss so abgeändert, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss wieder hergestellt wird.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 533,38 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin EUR 88,90 USt), die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin EUR 55,52 USt) sowie die mit EUR 445,82 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin EUR 74,30 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist mit 393/13176 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 658 *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an W 25.
Die Antragsgegnerin ist Verwalterin dieser Liegenschaft. Bereits seit längerem, zuletzt mit Schreiben vom 28.12.2006 forderte die Antragstellerin die Hausverwalterin auf, ihr die Anschriften sämtlicher Wohnungseigentümer der bezeichneten Liegenschaft bekannt zu geben. Die Antragsgegnerin teilte ihr daraufhin mit, dass nach Rücksprache mit den Wohnungseigentümern einige von ihnen ausdrücklich die Weitergabe ihrer Adressen an andere Personen untersagt hätten.
Zuletzt forderte die Antragstellerin unter Fristsetzung die Antragsgegnerin auf, ihr die Namen jener Wohnungseigentümer zu nennen, die einen Kontakt mit ihr verweigerten, um mit diesen Kontakt aufnehmen zu können. Die Antragsgegnerin lehnte das ab. Fest steht, dass mehrere Wohnungseigentümer der bezeichneten Liegenschaft die Antragsgegnerin ersuchten, ihre aktuellen Anschriften der Antragstellerin bzw deren Vertreter nicht weiterzugeben.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr eine vollständige Liste der Anschriften aller Wohnungseigentümer der Liegenschaft zu übermitteln. Als anspruchsbegründend brachte sie vor, sie benötige diese Anschriften, um mit sämtlichen Miteigentümern wegen vielfacher grober Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin in Kontakt treten zu können und Beschlüsse anfechten zu können.
Es sei ihr nicht zumutbar, im Haus von Tür zu Tür zu gehen, um festzustellen, wer von den Wohnungseigentümern im Haus wohne. Eine Auskunft aus dem Grundbuch einzuholen, sei nicht zielführend, weil die meisten der dort eingetragenen Adressen nicht dem aktuellen Stand entsprächen. Der Hausverwalterin hingegen sei die Erteilung der von ihr gewünschten Auskünfte leicht möglich und daher zumutbar. Die Antragsgegnerin bestritt das Begehren und beantragte dessen Abweisung. Aus dem WEG ergebe sich keine derartige Verwalterpflicht. Überdies widerspreche die Weitergabe von Adressen gegen den ausdrücklichen Wunsch von Wohnungseigentümern den Bestimmungen des DSG. Mit dem Begehren der Antragstellerin gerate die Antragsgegnerin in eine Pflichtenkollision gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern. Die Antragstellerin könne sich die gewünschten Adressen auch auf andere Weise, etwa aus dem Grundbuch bzw durch Meldeanfragen beschaffen. Bisher habe sie nicht einmal derartige Anstrengungen unternommen, sodass ihr Begehren als schikanös zu bezeichnen sei. Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen bejahte es zwar eine grundsätzliche Verpflichtung der Verwalterin, ihr bekannt gegebene Adressen von nicht auf der Liegenschaft wohnenden Wohnungseigentümern an andere Wohnungseigentümer herauszugeben. Ein Wohnungseigentümer müsse nämlich in der Lage sein, sich mit Fragen, die Gemeinschaftsangelegenheiten beträfen, an alle übrigen Wohnungseigentümer wenden zu können. Dass eine derartige Verpflichtung im Gesetz nicht ausdrücklich normiert sei, ändere daran nichts.
Dem stehe aber auch die Verpflichtung des Verwalters gegenüber, die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zu wahren, die der Verwalterin untersagt hätten, ihre Adressen an die Antragstellerin weiterzugeben. Die Antragsgegnerin würde diesen gegenüber pflichtwidrig handeln, wenn sie dennoch die Adressen weitergäbe. Deshalb sei sie im vorliegenden Fall nicht zur Herausgabe der Adressenliste verpflichtet.
Einem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den erstinstanzlichen Sachbeschluss im Sinne einer Stattgebung des Antrags ab. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Adressen herauszugeben, resultiere insbesondere aus § 25 Abs 1 letzter Satz WEG, worin jedem Wohnungseigentümer das Recht eingeräumt sei, eine Eigentümerversammlung einzuberufen. Dazu bedürfe dieser der von einem Wohnungseigentümer dem Verwalter (im Sinn des § 24 Abs 5 WEG) bekannt gegebenen inländischen Zustellanschrift. Eine Verweigerung einer solchen Auskunft komme nur im Einzelfall und nur dann in Betracht, wenn dem Begehren nach Auskunft zumindest gleichwertige Interessen betroffener Miteigentümer entgegenstünden, wie dies § 8 Abs 1 Z 4 DSG vorsehe. Der bloße Wunsch einzelner Wohnungseigentümer, dass ihre Adresse an die Antragstellerin nicht weitergegeben werde, beseitige das berechtigte Interesse der Antragstellerin auf Information nicht. Eine Einsichtnahme ins Grundbuch oder eine Meldeanfrage seien nicht geeignet, die dem Verwalter bekannt gegebene inländische Zustellanschrift zu klären.
Daher sei das Begehren der Antragstellerin berechtigt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000,– nicht übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Umfangs der Verwalterpflicht, im konkreten betreffend die Weitergabe von Adressen anderer Miteigentümer, bestehe.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Abweisung des verfahrenseinleitenden Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zwecks Verfahrensergänzung durch das Gericht zweiter, in eventu erster Instanz gestellt.
Die Antragstellerin beantragte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.
Ein Verwaltungsvertrag besteht nach § 19 WEG ausschließlich zwischen der Eigentümergemeinschaft als Machtgeber und dem Verwalter als Machthaber. Im Verhältnis zum Verwalter wird stets nur die Eigentümergemeinschaft berechtigt und verpflichtet (vgl 5 Ob 61/99b = wobl 1999/111 ua).
Dennoch berührt die Verwaltung die Rechtssphäre auch jedes einzelnen Miteigentümers, weshalb über das Rechtsverhältnis zur juristischen Person hinaus auch ein Verpflichtungsverhältnis des Verwalters zum einzelnen Miteigentümer besteht. Der Verwalter hat zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 20 Abs 1 erster Satz erster Halbsatz WEG auch die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren. Er unterliegt daher einer Spaltung seiner Verpflichtung und sohin einem entsprechenden Spannungsverhältnis (vgl Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 301 f; E.M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht Rz 10 f zu § 20 WEG; 5 Ob 73/03a = wobl 2003/181 [Call]). Nach richtigem Verständnis (vgl E.M. Hausmann aaO,Rz 14 zu § 20 WEG) gehört zu den gemeinschaftsbezogenen Interessen eines Wohnungseigentümers auch sein Individualrecht auf Einberufung und Abhaltung von Eigentümerversammlungen nach § 25 WEG oder Einleitung eines sonst erforderlichen Willensbildungsverfahrens innerhalb der Gemeinschaft. Deshalb hat der Verwalter grundsätzlich ein ihm gegenüber damit begründetes Begehren eines Wohnungseigentümers entsprechend zu unterstützen. Er muss ihm in diesem Zusammenhang grundsätzlich in Erfüllung seiner Verpflichtung nach § 20 Abs 1 WEG Namen und Anschriften der Wohnungseigentümer und allfällige Zustellbevollmächtigte mitteilen (vgl H. Löcker in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht Rz 16 zu § 25 WEG). Keinesfalls darf er die Willensbildung behindern, indem er die Bekanntgabe von Anschriften verweigert (vgl E.M. Hausmann aaO,Rz 15 zu § 20 WEG). Die Einberufung der Eigentümerversammlung hat auf die in § 24 Abs 5 WEG beschriebene Weise zu erfolgen, was bedeutet, dass die Zustellung an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts oder aber, wenn eine andere inländische Zustellanschrift bekannt gegeben wurde, an diese zu erfolgen hat.
Es gehört also zum Umfang der einen Hausverwalter nach § 20 Abs 1 WEG treffenden Verpflichtung, auf Verlangen Wohnungseigentümern die ihm bekannt gegebenen Zustellanschriften zu übermitteln. Diese Verpflichtung findet jedoch dort ihre Grenze, wo der Verwalter durch entgegengesetzte Weisungen von Miteigentümern in einen Interessenkonflikt gerät. Dabei muss es sich bei den gegenteiligen Interessen nicht notwendigerweise um gemeinschaftsbezogene Interessen handeln. Eine allgemeine Definition der Interessenwahrungspflicht lässt sich aufgrund der Vielzahl der denkbaren Lebenssachverhalte nicht geben. Oftmals kann sich eine Interessenwahrungspflicht auch nur aus den Umständen des Einzelfalls ergeben (vgl 5 Ob 73/03a = wobl 2003/181 [Call]) oder nach den Umständen des Einzelfalls verneinen lassen.
So kann im Einzelfall der ausdrücklich erklärte Wunsch von Wohnungseigentümern, von einem bestimmten anderen Wohnungseigentümer nicht durch Kontaktaufnahmen behelligt zu werden, als beachtliches Interesse bewertet werden. Vom Hausverwalter kann nicht verlangt werden, zu entscheiden, welches Interesse berücksichtigungswürdiger ist, ob es das der Antragstellerin oder das jener Wohnungseigentümer ist, die den Schutz ihrer Privatsphäre iSd Art 8 MRK beanspruchen und nicht behelligt werden wollen.
Allerdings stehen entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin der Herausgabe der Adressen nicht Bestimmungen des DSG entgegen, weil sich die geheim zu haltende inländische Zustellanschrift wohl kaum in einer Sammlung strukturierter Datensätze findet und daher von personenbezogenen Daten im Sinn des § 4 DSG keine Rede sein kann (vgl Drobesch/Grosinger Datenschutzgesetz 112; Stärker Datenschutzgesetz Anm 5 zu § 1 DSG; Dohr/Weiss/Pollierer Kommentar zum Datenschutzrecht² E7 zu § 4 DSG).
Ein Anspruch der Antragstellerin gegenüber jenen Mitgesellschaftern der Eigentümergemeinschaft, die ihr gegenüber ihre Anschrift nicht preisgeben wollen, könnte sich allenfalls aus der Tatsache der Rechtsgemeinschaft, zu der sie verbunden sind und die gegenseitige Schutz- und Treuepflichten bewirkt, ergeben. Ein solcher Anspruch wäre aber im streitigen Verfahren gegen die einzelnen Wohnungseigentümer geltend zu machen.
Zusammengefasst gilt, dass der Verwalter im Fall derart kollidierender Interessen einzelner Wohnungseigentümer ohne entsprechende Weisung der Mehrheit keine Verwalterpflicht verletzt und daher auch in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG nicht zur Erfüllung von Verwalterpflichten verhalten werden kann. Schließlich ist es auch durchaus denkbar, der Antragstellerin ihr Minderheitsrecht auf Einberufung einer Eigentümerversammlung auch auf andere Weise zu gewährleisten, etwa indem der Verwalter ersucht wird, Ladungen zur Eigentümerversammlung weiterzuleiten.
Mangels Verletzung einer entsprechenden Verwalterpflicht im vorliegenden Kollisionsfall war daher das Begehren der Antragstellerin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.
Leitsätze
-
Umfang der Verwalterpflicht nach § 20 Abs 1 WEG 2002
Ersucht ein Wohnungseigentümer den Verwalter, einem anderen Wohnungseigentümer seine Privatanschrift nicht bekannt zu geben, kann vom Verwalter nicht verlangt werden zu entscheiden, welches der gegenteiligen Interessen berücksichtigungswürdiger ist.Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 175/08h | OGH vom 26.08.2008 | Dokument-ID: 374786