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5 Ob 210/11k; OGH; 24. April 2012
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. H***** L*****, 2. Dkfm. E***** A*****, 3. Dr. H***** Z*****, 4. I***** S***** R*****, alle vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Prof. Dkfm. Dr. G***** W*****, vertreten durch Allmayer-Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Dr. P***** F*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Maier, Rechtsanwalt in Wien, 3. F***** A*****, 4. E***** R*****, 5. Verlassenschaft nach Prof. Dr. R***** E*****, zuletzt *****, vertreten durch H***** E*****, als Verlassenschaftskuratorin (bestellt zu 8 A 86/11b des Bezirksgerichts Irdning), diese vertreten durch Dr. Bernhard Brehm, Rechtsanwalt in Wien, 6. B***** W*****, 7. C***** N*****, wegen § 9 Abs 2 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 1 WEG, über den Revisionsrekurs der Fünftantragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Juni 2011, GZ 38 R 257/10s-65, mit dem infolge Rekurses der Antragsteller der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 30. August 2010, GZ 4 Msch 18/07h-59, aufgehoben wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Fünftantragsgegnerin wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er wie folgt zu lauten hat:
„1. Die Summe der Jahresmietwerte für die Liegenschaft *****, wird mit 20.680 Kronen (4.136 Mietwerte) neu festgesetzt.
2. Die Mietwerte für nachstehende Objekte auf dieser Liegenschaft werden wie folgt neu festgesetzt:
Top 1 im Haus 2 2.960 Kronen
Top 3 im Haus 2 4.630 Kronen
3. Die Mietwerte aller übrigen Objekte des Hauses bleiben unter Zugrundelegung obiger Neufestsetzung der Gesamtjahresmietwerte unverändert wie im Bescheid der MA 50 - Schli 1/71, ***** vom 09.07.1991.
4. Die Antragsteller sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Fünftantragsgegner binnen 14 Tagen die mit 652,06 EUR bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“
Die Antragsteller sind weiters schuldig, der Fünftantragsgegnerin die mit EUR 387,12 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin EUR 64,52 USt) und die mit EUR 772,40 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin EUR 77,04 USt und EUR 308 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Auf der Liegenschaft EZ 744 GB ***** mit der Liegenschaftsadresse ***** sind aufgrund einer baubehördlichen Bewilligung vom 26.04.1971 zwei Wohnhäuser errichtet. Diese stehen im gemischten Wohnungs- bzw Miteigentum der Antragsteller und Antragsgegner.
Der Gesamtjahresmietwert wurde durch die MA 50 am 09.07.1971 mit 18.520 Kronen, was einem Gesamtmietwert von 3.704 entsprach, festgesetzt.
Die damaligen Liegenschaftseigentümer schlossen ein Übereinkommen, in welchem sie nach dem WEG 1948 Wohnungseigentum begründeten. 4 Garagen im Haus 1 (Nr 8, 13, 17 und 26) wurden mitparifiziert, blieben aber im schlichten Miteigentum.
Für die Wohnung Top Nr 1 im Haus 2 war ein Kronenwert von 2.170 und ein Mietwert von 434 festgesetzt, für Top Nr 3 im Haus 2 ein Kronenwert von 3.260 und ein Mietwert von 652. Bei beiden Wohnungen kam es im Oktober 2005 bzw Juli 2006 zu geänderten Bauführungen.
Die Garagen im Haus 1 stehen nach wie vor im schlichten Miteigentum. Diesbezüglich enthält der Wohnungseigentumsvertrag eine Regelung, dass, soferne für diese Garagen die grundbücherliche Eintragung von Wohnungseigentum nach diesem Vertrag nicht möglich sein sollte, es dennoch bei den im Vertrag festgelegten Miteigentumsanteilen der einzelnen Wohnungseigentümer bleiben sollte und die Garagen zu den Bedingungen dieses Vertrags, jedoch ohne Begründung von Wohnungseigentum bestimmten Mit- und Wohnungseigentümern zur ausschließlichen Benützung und Verfügung überlassen würden.
Bei Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags am 22.11.1971 wurde der Rechtsvorgängerin des nachmaligen Fünftantragsgegners (nunmehr: Verlassenschaft nach diesem; im Folgenden jedoch weiterhin: Fünftantragsgegner) Wohnungseigentum am gesamten Dachgeschoss in einer Größe von 218,86 m² eingeräumt. Der Fünftantragsgegner und D***** E***** erwarben 1978 das Dachgeschoss.
Im Jahr 2001 legte der Fünftantragsgegner, der damals alleiniger Wohnungseigentümer des Dachgeschosses war, einen Einreichplan für bauliche Änderungen im Dachgeschoss vor. Es ist unbestritten, dass das Dachgeschoss als Wohnung bereits im Jahr 2001 ausgebaut wurde.
Seit 1971 fand keine Neuparifizierung statt.
Am 27.06.2007 brachten die Antragsteller bei der zuständigen Schlichtungsstelle den Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte entsprechend dem sich aufgrund baulicher Veränderungen ergebenden nunmehrigen Bestand ein. Änderungen seien an dem im Wohnungseigentum stehenden Objekt Top Nr 1 des Hauses 2 vorgenommen worden (Ausbau des Untergeschosses zu Fitnessräumen mit direktem Zugang zum Garten, Vollendung der Bauführung im Jahr 2007), an Top Nr 2 im Haus 2 (Errichtung eines zweigeschossigen Vorbaus), einem Zubau zu Top Nr 3 im Haus 2 (Errichtung einer Dachterrasse mit gedecktem Ausgang), weiters sei eine nachträgliche Umgestaltung der Dachbodenräume durch den Fünftantragsgegner erfolgt, die er als Wohnung seit 1978 benütze. Die 4 Garagen des Hauses 1 seien vertraglich einzelnen Wohnungseigentümern mit entsprechenden Anteilen zugeordnet, Wohnungseigentum sei bisher nicht begründet worden, was ebenfalls angestrebt werde. Im Wohnungseigentumsvertrag seien sie nicht als Wohnungseigentumsobjekte bezeichnet worden.
Begehrt werde, die Nutzwerte insgesamt entsprechend dem neu geschaffenen Zustand bzw dem erweiterten Zustand der Nutzflächen und der Änderung der Nutzungsart dieser Nutzflächen neu zu bemessen.
Der Fünftantragsgegner sprach sich wegen Fehlens gesetzlicher Grundlagen für die Neufestsetzung der „Nutzwerte“ gegen die Stattgebung des Antrags aus und verwies darauf, dass ein auf § 9 Abs 2 WEG 2002 gegründeter Antrag unzulässig sei, weil die Sachlage nach dem WEG 1948 zu beurteilen sei. Diese Bestimmung ermögliche keine Neufestsetzung von Nutzwerten.
Im Weiteren bestritt der Fünftantragsgegner die Zulässigkeit des Antrags infolge Nichteinhaltung gesetzlicher Fristen und Fehlens erforderlicher Unterlagen. Inhaltlich bestritt der Fünftantragsgegner die Richtigkeit des von den Antragstellern vorgelegten Gutachtens und die Zulässigkeit der vorgenommenen baulichen Änderungen.
Mit Schriftsätzen vom 01.04.2009 (ON 15) und 23.07.2009 (ON 24) modifizierten die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren ihr Begehren dahin, dass nunmehr eine Neuberechnung der Mietwerte der Wohnungseigentumsobjekte beantragt werde und legten dafür eine Berechnung vor.
Der Fünftantragsgegner sprach sich auch gegen die Zulässigkeit der Antragsänderung aus, beantragte die Abweisung bzw Zurückweisung des Antrags und bestritt im Übrigen das Vorbringen der Antragsteller.
Das Erstgericht stellte die Mietwerte für das Objekt Top Nr 1 im Haus 2 mit 2.960 Kronen fest, die für das Haus Top Nr 3 im Haus 3 (richtig: Haus 2) mit 4.630 Kronen und sprach aus, dass die Summe der Jahresmietwerte für die Liegenschaft mit 20.680 Kronen (4.136 Nutzwerten) festgesetzt werde.
Den Antrag, die Mietwerte für das Dachgeschoss im Haus 1 und die im schlichten Miteigentum stehenden Garagen im Haus 1 neu festzusetzen, wies das Erstgericht ab. Ein spruchmäßig zurückgewiesener Zwischenfeststellungs-antrag ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
Ausgehend von den obigen Feststellungen begründete das Erstgericht seine Entscheidung in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst wie folgt:
Aufgrund der Übergangsregelung des § 29 Abs 1 Z 1 WEG habe, wenn die Wohnungseigentumsbegründung noch vor In-Kraft-Treten des WEG 1975 erfolgt sei, eine Neuparifizierung nach Mietwerten zu erfolgen. Dafür seien die Voraussetzungen der §§ 9 und 10 WEG 2002 heranzuziehen. § 10 Abs 2 WEG 2002 ermögliche eine Neufestsetzung in den Fällen des § 9 Abs 2 Z 3 und 4 nur innerhalb eines Jahres ab Vollendung der Bauführung.
Zwischen den Parteien sei unstrittig, dass die Baumaßnahmen in den Wohnungen Top 1 und Top 3 im Haus 2 innerhalb des letzten Jahres vor Antragstellung beendet worden seien.
Anders verhalte es sich mit den Umbauten im Dachgeschoss, die unstrittigerweise bereits 2001 durchgeführt worden seien. Auf die Kenntnis oder Zustellung von Baubescheiden stelle das Gesetz nicht ab. Deshalb sei insofern der Neufestsetzungsantrag verfristet.
Für die im schlichten Miteigentum stehenden Garagen komme eine Neufestsetzung der Mietwerte nicht in Betracht, weil daran nur mit Zustimmung aller Eigentümer Wohnungseigentum begründet werden könnte.
Der Höhe nach gründe sich die Neufestsetzung der Mietwerte auf das vom Gericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. P***** H*****.
Dem gegen diesen Sachbeschluss erhobenen Rekurs der Antragsteller gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den erstinstanzlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
§ 9 Abs 2 WEG sehe eine Nutzwertfestsetzung nur in Abänderung eines bereits vorliegenden Nutzwertgutachtens vor. Die Gründe dafür seien in § 9 Abs 2 WEG, ebenso wie in der Vorgängerbestimmung des WEG 1975 nicht taxativ aufgezählt. Von Lehre und Rechtsprechung werde auch die Widmungsänderung eines Wohnungseigentumsobjekts als Neufestsetzungsgrund, der keiner Frist unterliege, anerkannt. Dass einer Umwidmung bauliche Änderungen vorangegangen seien, löse für sich allein nicht den Tatbestand des § 9 Abs 2 Z 4 iVm § 10 Abs 2 WEG aus, der einer Befristung unterliege.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei daher der Antrag, soweit er sich auf das Wohnungseigentumsobjekt des Fünftantragsgegners beziehe, nicht präkludiert.
Für eine Entscheidung hierüber fehle es jedoch an den notwendigen Feststellungsgrundlagen, weshalb der erstinstanzliche Sachbeschluss der Aufhebung unterliege.
Auch hinsichtlich der Garagen teilte das Rekursgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts nicht. Eine Nutzwertfestsetzung habe nicht zur Voraussetzung, dass bereits eine Vereinbarung über die Begründung von Wohnungseigentum vorliege. Im Übrigen stehe fest, dass die Miteigentümer sich vertraglich (allenfalls konkludent) auf eine bestimmte Widmung dieser Objekte geeinigt hätten. Sie seien zur dauerhaften ausschließlichen Benützung bestimmten Wohnungseigentümern zugewiesen worden. Im Nutzwertverfahren, das eine so genannte „Regelungsstreitigkeit“ sei, habe das Gericht in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren für alle in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der materiellen Rechtslage nach der konkreten Widmung zu entscheiden und den dazu erforderlichen Sachverhalt zu klären. Dabei seien strittige Vorfragen ebenfalls im Außerstreitverfahren zu lösen.
Das Erstgericht werde daher auch in diesem Umfang das Verfahren zu ergänzen haben.
Schließlich sei auch noch festzustellen, dass die Wohnung 2 im Haus 2 keinerlei Erwähnung finde, welcher Umstand ebenfalls noch einer Überprüfung zuzuführen sei.
Das Erstgericht werde daher nach Verfahrensergänzung eine Entscheidung hinsichtlich der gesamten Liegenschaft zu treffen haben.
Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage der Befristung einer mit baulichen Änderungen verbundenen Umwidmung einer sonstigen selbstständigen Räumlichkeit in eine Wohnung keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Fünftantragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags; hilfsweise wird eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses beantragt.
Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Fünftantragsgegners ist zulässig und im Sinn des Antrags auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses auch berechtigt.
1. Soweit sich der Revisionsrekurswerber auf das Fehlen der zwingenden Prozessvoraussetzung der Anrufung der Schlichtungsstelle infolge einer unzulässigen Antragsänderung beruft, die die Nichtigkeit des darüber ergehenden Sachbeschlusses und die Zurückweisung des Sachantrags erfordere, ist ihm Folgendes zu entgegnen:
§ 29 Abs 1 WEG 1975, hier zufolge § 55 zweiter Satz WEG 2002 anwendbar, sieht die Anrufung der Schlichtungsstelle als zwingende Prozessvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren bei sonstiger Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs vor (RIS-Justiz RS0070782; RS0116912). Mit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff der „Sache“ ist der das Verfahren einleitende Sachantrag gemeint (RIS-Justiz RS0070055). Der vor der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt darf vor Gericht nicht erweitert oder hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen verändert werden (RIS-Justiz RS0109931). Für die Identität der „Sache“ kommt es entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird (RIS-Justiz RS0070068), wobei zur Klärung dieser Frage der herrschende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff heranzuziehen ist (vgl auch M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 39 MRG Rz 9; RIS-Justiz RS0070055 [T5]).
Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers bleibt es bei der Identität der „Sache“, wenn ein an die Schlichtungsstelle gerichteter Antrag auf „Anpassung der Nutzwertfeststellung an den nunmehrigen Bestand“ unter Vortrag eines Sachverhalts zur Begründung der Zulässigkeit der Neufestsetzung von Nutzwerten im anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Zugrundelegung des identen Sachverhalts in einen Antrag auf Neufestsetzung bzw Neuparifizierung von Mietwerten geändert wird. Wenn auch Mietwerte sich von Nutzwerten in der Berechnungsart erheblich unterscheiden, handelt es sich doch im Ergebnis bloß um eine unrichtige rechtliche Begründung für das angestrebte Ergebnis, nämlich die Anteile der einzelnen Wohnungseigentümer in Bezug auf einen Gesamtwert aufgrund bestimmter Tatsachen neu festzusetzen.
Die behauptete Nichtigkeit liegt daher nicht vor.
2. Die Ausführungen zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens betreffen das Fehlen angeblich entscheidungsrelevanter Feststellungen über eine Erhaltungsvereinbarung hinsichtlich des Daches. Die seinerzeitige Festsetzung der Mietwerte sei unter der Vereinbarung erfolgt, der Fünftantragsgegner bzw dessen Rechtsvorgängerin dürfe das Dachgeschoss zu Wohnzwecken ausbauen, müsse aber die Erhaltung des Daches übernehmen.
Dazu ist klarzustellen, dass im Verfahren zur Festsetzung von Nutzwerten oder hier Neufestsetzung von Mietwerten vertragliche Vereinbarungen über Erhaltungspflichten oder Zusagen zu Änderungsvorhaben ebenso wenig entscheidungserheblich sind wie Fragen der Einhaltung von Bauvorschriften.
Abgesehen davon sind die begehrten Feststellungen aus rechtlichen, in der Folge darzustellenden Erwägungen irrelevant.
3. Gemäß § 55 WEG 2002 gelten die Übergangsregelungen des § 29 Abs 1 bis 3 WEG 1975 für die davon erfassten Rechtsverhältnisse (Wohnungseigentums-begründung vor In-Kraft-Treten des WEG 1975) weiter.
§ 29 Abs 1 WEG 1975 regelte das Außerkrafttreten des WEG 1948 mit folgenden Einschränkungen:
Die §§ 2 und 5 [WEG 1948] sind in den Fällen weiterhin anzuwenden, in denen zumindest an einer Wohnung (einem Geschäftsraum) das Wohnungseigentum nach den bisher geltenden Vorschriften erworben worden ist. Dabei ist der § 3 Abs 2 Z 2 und Abs 3 in Verbindung mit den §§ 4 Abs 3 und 5 Abs 3 des vorliegenden Bundesgesetzes [WEG 1975] sinngemäß anzuwenden.
Das bedeutet, dass hier - infolge Wohnungseigentumsbegründung nach dem WEG 1948 - die mit einer beantragten Neuparifizierung zusammenhängenden Streitfragen noch nach den Vorschriften des WEG 1948 zu lösen sind. Das gilt gemäß § 29 Abs 1 Z 1 WEG 1975 für die Parifizierung durch Festsetzung der Jahresmietwerte (RIS-Justiz RS0048303; 5 Ob 52/01k wobl 2001/202; 5 Ob 109/03w MietSlg 55/33; 5 Ob 261/07d; 5 Ob 167/08g).
4. Eine Neufestsetzung der Jahresmietwerte der vorhandenen Wohnungseigentumsobjekte auf der Liegenschaft hat nach § 2 WEG 1948 in sinngemäßer Anwendung des § 3 Abs 2 WEG 1975 (dem jetzt im Wesentlichen § 9 Abs 2 WEG 2002 entspricht) zu erfolgen (5 Ob 24/93 wobl 1993/120 [Call] = JBl 1994, 51; 5 Ob 109/03w SZ 2003/157).
5. Ein Antrag auf Neuparifizierung infolge baulicher Veränderungen auf der Liegenschaft kann zufolge § 3 Abs 2 Z 3 WEG 1975 nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der hiefür erforderlichen baubehördlichen Bewilligung gestellt werden (vgl die gleichartige Befristung eines Antrags nach § 9 Abs 2 Z 4 WEG 2002 durch § 10 Abs 2 WEG 2002). Zu Recht haben daher die Vorinstanzen eine Neuparifizierung hinsichtlich baulicher Änderungen, für die diese Präklusionsfrist nicht eingehalten wurde, abgelehnt.
6. Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, dass die Einjahresfrist hier nicht anzuwenden sei, weil mit dem Umbau auch eine Umwidmung des Dachbodens erfolgt sei, welche ohne Präklusivfrist als Neufestsetzungsgrund herangezogen werden dürfte, welche Ansicht auch das Rekursgericht vertreten hat, ist Folgendes zu entgegnen:
Es trifft zwar zu, dass § 3 Abs 2 WEG 1975 die Möglichkeit einer Neufestsetzung der Nutzwerte (hier Jahresmietwerte) nicht auf die ausdrücklich im Gesetz geregelten Fälle beschränkte und eine Neuparifizierung auch aus anderen Gründen, etwa einer Widmungsänderung zulässig war (5 Ob 156/98x wobl 1999/36 [Call] mwN; 5 Ob 23/87 MietSlg 39.610/14 ua). „Widmungsänderung“ ist aber, worauf der Revisionsrekurs zutreffend hinweist, im wohnungseigentumsrechtlichen Sinn zu verstehen, nämlich die Änderung der Widmung von allgemeinen Teilen in Wohnungen oder Geschäftsräume, Zubehör in allgemeine Teile uä Die Änderung bloß der Benützungsart oder der Zweckbestimmung von Wohn- oder Geschäftsräumen, für die bereits ein Nutzwert (hier Mietwert) festgesetzt wurde, erlaubte keine Neufestsetzung der Nutz- oder Mietwerte (5 Ob 187/68 MietSlg 20.628/29 mwN und Hinweisen auf Lehre und Vorjudikatur; 5 Ob 214/98a MietSlg 50.567; Faistenberger/Barta/Call, Wohnungseigentumsgesetz 1975 § 3 Rz 12).
Zu Recht hat daher das Erstgericht eine Neuparifizierung des Dachgeschosses des Fünftantragsgegners abgelehnt.
7. Das Begehren der Antragsteller auf Neuparifizierung der Garagen ist dem Grunde nach verfehlt. Anscheinend streben die Miteigentümer der Anteile BLNR 8, 13, 17 und 26, womit schlichtes Miteigentum verbüchert ist, die Einverleibung von Wohnungseigentum an den vier Garagen an.
7.1 Eine Parifizierung ist aber ebensowenig wie eine Nutzwertfestsetzung ein Titel zur Einverleibung von Wohnungseigentum. Dass die Garagen schon ursprünglich in der Entscheidung MA 50-Schli 1/71 parifiziert wurden, ist unstrittig. Ein Grund für eine Neuparifizierung der Garagen wurde nicht bezeichnet.
7.2 Nach früherer Rechtslage wirksam begründetes Miteigentum kann zufolge § 56 Abs 4 und 12 WEG 2002 aufrechterhalten werden.
7.3 § 56 Abs 12 letzter Satz WEG 2002 normiert eine Zustimmungspflicht aller Mit- und Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentumsbegründung. Ob eine solche bereits erteilt wurde, ist für das Nutzwert- bzw Parifizierungsverfahren unbeachtlich.
7.4 Das Gericht hat stets über alle als Wohnungseigentumsobjekte in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft abzusprechen (MietSlg 51.515; MietSlg 60/12). Ziel eines jeden Parifizierungsverfahrens ist die Gesamterfassung der Liegenschaft (5 Ob 80/94 wobl 1995/13 [Call]; MietSlg 49.546/32; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht22 II § 9 WEG Rz 3 und 4 mwN; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 9 WEG Rz 10 mwN). Ziel war immer schon eine Gesamtparifizierung, unabhängig davon, ob auch an allen der wohnungseigentumstauglichen und nicht als allgemeine Teile der Liegenschaft gewidmeten Objekte, nur einem Teil, allenfalls auch nur an einem einzigen davon tatsächlich Wohnungseigentum begründet werden sollte (vgl Faistenberger/Barta/Call, WEG 1975 § 3 Rz 3). Dieser Grundsatz war schon aus § 2 WEG 1948 abzuleiten.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nunmehr § 3 Abs 2 WEG 2002 eine zwingende Wohnungseigentumsbegründung an allen derartigen Objekten vorsieht. Die Beachtung dieses Grundsatzes ist bei jedem neuen Begehren auf bücherliche Einverleibung von Wohnungseigentum unverzichtbar, nicht aber aus den oben dargestellten Gründen im Nutzwert-(bzw Mietwert-)festsetzungsverfahren.
Daher ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichts in diesem Verfahren auch nicht zu prüfen, ob ein tauglicher Titel zur bücherlichen Wohnungseigentumsbegründung vorliegt.
8. Mit der Maßgabebestätigung soll lediglich klargestellt werden, dass bei einer Neufestsetzung des Gesamtjahresmietwerts mit 20.680 Kronen (4.136 Nutzwerten) die Mietwerte laut Parifizierungsbescheid der MA 50 - Schli 1/71, ***** vom 9. 7. 1971 mit Ausnahme der neu festgesetzten Mietwerte gleich bleiben.
Damit erweist sich der Revsionsrekurs des Fünftantragsgegners im Sinn des Antrags auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses als gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.
Leitsätze
-
Zustimmungspflicht aller Mit- und Wohnungseigentümer für das Nutzwert- bzw Parifizierungsverfahren erforderlich?
Zwar fordert § 56 Abs 12 letzter Satz WEG 2002 eine Zustimmungspflicht aller Mit- und Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentumsbegründung, für das Nutzwert- bzw Parifizierungsverfahren ist allerdings unbeachtlich, ob eine solche bereits erteilt wurde.Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 210/11k | OGH vom 24.04.2012 | Dokument-ID: 622878