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5 Ob 242/18a; OGH; 20. März 2019
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Painsi, Dr. Steger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. S*****, 2. D*****, beide vertreten durch Mag. Hans Sandrini, Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. E*****, 2. M*****, 3. I*****, 4. E*****, alle *****, alle vertreten durch Mag. Jürgen M. Krauskopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. September 2018, GZ 40 R 92/18b-27, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 1. Februar 2018, GZ 7 Msch 31/16v-20, in der Hauptsache bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller sind schuldig, den Antragsgegnern anteilig binnen 14 Tagen deren mit 418,92 EUR (darin 69,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung
Die Antragsteller waren vom 06.03.2011 bis 31.10.2014 Mitmieter der 55 m² großen Wohnung Nr 20 im Haus 1080 *****. Vermieter waren von März 2011 bis einschließlich Jänner 2013 der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin, danach die Drittantragsgegnerin und der Viertantragsgegner. Als Nettohauptmietzins wurde den Antragstellern für März 2011 EUR 220,–, für die darauffolgenden Monate hingegen EUR 440,– monatlich netto vorgeschrieben und von ihnen bezahlt.
Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung des Hauptmietzinses.
Das Erstgericht stellte den gesetzlich zulässigen Nettohauptmietzins mit EIR 309,61 und die Rechtsunwirksamkeit der darüber hinausgehenden Mietzinsvereinbarung fest, woraus sich eine Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes zu den näher angeführten Zeiträumen von jeweils monatlich EUR 130,39 ergab, und verpflichtete die Antragsgegner zur Rückzahlung der Mietzinsüberschreitungsbeträge.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es hielt rechtlich – wie schon das Erstgericht – einen Lagezuschlag in Höhe von EUR 3,26 pro m² für berechtigt. Auch unter Berücksichtigung des zu 5 Ob 74/17v genannten Referenzgebiets sei von einer überdurchschnittlichen Lage auszugehen. Der schlagwortartige Hinweis auf die sehr gute Wohnlage mit guter Infrastruktur und Verkehrsanbindung genüge den Anforderungen des § 16 Abs 4 MRG. Das MILG habe § 3 Abs 2 und 5 RichtWG nicht aufgehoben; diesen Bestimmungen sei durch das MILG zwar materiell derogiert worden, sie seien aber nach wie vor Grundlage für die Ermittlung des Grundkostenanteils der mietrechtlichen Normwohnung. Demgemäß sei es gesetzeskonform, den zuletzt ermittelten Grundkostenanteil der mietrechtlichen Normwohnung entsprechend der Valorisierung des Richtwerts aufzuwerten und diesen Betrag für die Berechnung des Lagezuschlags heranzuziehen. § 16 Abs 3 MRG spreche zwar von Zuschlägen oder Abstrichen bis zur Höhe von 0,33 % der Differenz der Grundkostenanteile. Gegen eine Reduktion aufgrund der hier als nur gut festgestellten Lage spreche, dass die Kriterien, die die Einstufung einer Lage als sehr gut verhindern, ihren Niederschlag ohnedies in den Grundpreisen fänden, also den Grundkostenanteil der zur beurteilenden Wohnung bereits reduzieren. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „bis zu“ bringe die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass es nicht um einen gesetzlichen Mietzins, sondern um eine gesetzlich definierte Höchstgrenze gehe.
Da zur Frage, ob der gemäß § 3 Abs 2 und 5 RichtWG ermittelte Grundkostenanteil der mietrechtlichen Normwohnung trotz Änderung des § 5 RichtWG durch das MILG nach wie vor zur Berechnung des Lagezuschlags herangezogen werden dürfe und ob der Lagezuschlag von 0,33 % der Differenz der Grundkostenanteile zu vermindern sei, wenn die zu prüfende Wohnung als überdurchschnittlich, nicht aber als sehr gut beurteilt werde, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.
In ihrem – von den Antragsgegnern beantworteten – Revisionsrekurs wenden sich die Antragsteller nur gegen die Berechtigung des Lagezuschlags von EUR 3,26 netto monatlich und begehren eine entprechende Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen, hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
1.1. Gemäß § 16 Abs 4 MRG ist ein Zuschlag nach Abs 3 leg cit (somit der Lagezuschlag) nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Wohnlage. Zur Definition der durchschnittlichen Lage verweist § 16 Abs 4 MRG auf § 2 Abs 3 RichtWG. Die durchschnittliche Lage ist daher nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen (RIS-Justiz RS0111204). Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). Der erkennende Senat hat dazu ausgesprochen (5 Ob 74/17v = immolex 2018/215 [krit Kothbauer, zust Rosifka] = wobl 2018/29 [krit Vonkilch] = ZLB 2018/29 [krit Hauswirth]), dass in Wien als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des (Wiener) Stadtgebiets abzustellen ist, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und daher ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden. Im dort zu beurteilenden Fall des im 5. Bezirk gelegenen Hauses waren dies die innerstädtischen Gebiete mit der dafür typischen geschlossenen mehrgeschossigen Verbauung. Im Vergleich zu diesen relevanten Lagen Wiens rechtfertigten die dort festgestellte Erschließung der Wohnumgebung des Hauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die bestehenden Möglichkeiten der Nahversorgung die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG nicht (RIS-Justiz RS0131812). Die Auswahl des Referenzgebiets wird hier nicht in Zweifel gezogen.
1.2. Die Antragsteller meinen aber, dass die Vorinstanzen von den Kriterien der Entscheidung 5 Ob 74/17v abgewichen seien. Die Lage der hier beurteilten Wohnung im 8. Bezirk sei jener zu 5 Ob 74/17v vergleichbar. Die Entscheidung über die Zuerkennung eines Lagezuschlags hat sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0111201 [T3]; 5 Ob 74/17v). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung oder der behauptende Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung liegt aber nicht vor:
1.3. Von der Wohnung sind fußläufig Stationen einer U-Bahn-Linie und von vier Straßenbahnlinien zu erreichen, über die nahezu das gesamte Stadtgebiet von Wien rasch erreicht werden kann. In unmittelbarer Nähe befinden sich zwei Theater und zwei Palais mit entsprechendem kulturellen Angebot. Für den Individualverkehr ist die Wohnung gut erreichbar, wenn auch die Parkraumsituation kritisch ist. In der Nähe befindet sich aber ein Parkhaus. Betreffend Geschäfte für den täglichen Bedarf, Markt, Ärzte und Apotheken sowie Bildungseinrichtungen besteht ein umfassendes Angebot in der Nähe (Lerchenfelder- und Josefstädterstraße). Außerdem schließt das Haus an eine Grünanlage an, fußläufig sind mehrere Parkanlagen erreichbar. Trotz des innerstädtischen Charakters besteht keine Lärmbeeinträchtigung. Unter Berücksichtigung der zu 5 Ob 74/17v genannten Kriterien davon auszugehen, diese Lage sei selbst für eine innerstädtische Wohnumgebung außergewöhnlich und damit überdurchschnittlich, ist keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dass die Bekanntgabe im Mietvertrag den Kriterien des § 16 Abs 4 MRG ausreichend entsprach und die geprüften Lagekriterien mitumfasst, bezweifeln die Antragsteller im Revisionsrekurs nicht mehr.
2.1. Die Höhe des Lagezuschlags regelt § 16 Abs 3 MRG. Nach dieser Bestimmung sind für werterhöhende oder wertvermindernde Abweichungen gemäß Abs 2 Z 3 je m² der Nutzfläche und Monat Zuschläge oder Abstriche bis zur Höhe von 0,33 vH der Differenz zwischen dem der Richtwertermittlung zugrundegelegten Grundkostenanteil (§ 3 Abs 2 und 5 und § 6 RichtWG) und dem der Lage des Hauses entsprechenden Grundkostenanteil je m² der Nutzfläche zulässig, die unter Berücksichtigung der nach der Bauordnung zulässigen Bebaubarkeit für die Anschaffung von bebauten Liegenschaften, die überwiegend Wohnzwecken dienen, in dieser Lage (Wohnumgebung) üblicherweise aufgewendet werden. Nach § 3 Abs 2 RichtWG errechnet sich der Grundkostenanteil je m² Nutzfläche aus den Grundkosten, die während des Kalenderjahres 1992 den Förderungszusicherungen des jeweiligen Landes zugrunde gelegt wurden. Gemäß § 3 Abs 5 RichtWG ist jeweils ein Durchschnittswert der Grundkostenanteile und der Baukosten des jeweiligen Landes heranzuziehen, der in Bezug auf die Wohnnutzfläche zu gewichten ist. Gemäß § 4 Abs 1 RichtWG hat der Bundesminister für Justiz die Richtwerte und die der Ermittlung zugrundegelegten Kostenanteile (§ 3 Abs 2 bis 5) ausgedrückt in Prozentsätzen vom jeweiligen Richtwert unter Bedachtnahme auf das Gutachten des Beirats durch Verordnung festzusetzen. Kommt ein Gutachten des Beirats über die Ermittlung der Richtwerte nicht zustande, so ist der Richtwert vom Bundesminister für Justiz unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 3 festzusetzen. Soweit § 16 Abs 3 MRG auf § 6 RichtWG verwies (wo die Neufestsetzung des Richtwerts für den Fall angeordnet war, dass die Veränderung des Baupreisindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau von der Veränderung des Verbraucherpreisindex 1986 um mehr als ursprünglich 10 %, zuletzt 25 % abweicht), ist dies seit dem DRG 2006 (BGBl I 2006/113) gegenstandslos. In Art 10 wurde die Aufhebung der §§ 6 bis 9 RichtWG angeordnet, dies betraf auch den Beirat, auf dessen Gutachten der Bundesminister für Justiz bei Festsetzung per Verordnung nach § 1 Abs 2 RichtWG Bedacht zu nehmen hatte. Das (1.) MILG (Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz) BGBl I 50/2008 übernahm die ursprünglich im Jahr 1994 durch den Bundesminister für Justiz ermittelten und mit Verordnung festgesetzten und in weiterer Folge valorisierten Richtwerte (erstmals) unmittelbar in das Gesetz, nämlich als neugefassten § 5 Abs 1 RichtWG. § 5 Abs 2 RichtWG sah wieder eine Ermächtigung des Bundesministers für Justiz zur jährlichen Kundmachung der geänderten Richtwerte vor. Eine Neuberechnung des Richtwerts erfolgte zu diesem Zeitpunkt nicht, vielmehr wurde der gesetzliche Richtwert unter Anlegung des entsprechenden Steigerungsfaktors an den zuletzt durch BGBl II 61/2007 kundgemachten Richtwert fortgeschrieben (ErläutRV 622/A BlgNR 23. GP, 2f; AB 480 BlgNR 23. GP 2). Seit der Verordnung BGBl 1994/148 beträgt der im Richtwert enthaltene Grundkostenanteil für Wien 17,21 % des Richtwerts, daran hielten sämtliche seitdem ergangene Kundmachungen des Bundesministers für Justiz – so auch die aufgrund § 5 Abs 2 RichtWG idF BGBl I 2008/50 ergangenen (wie BGBl II 93/2010, BGBl II 82/2012, BGBl II 55/2014, BGBl II 62/2017) – fest. Die ursprünglich vorgesehene jährliche Richtwertänderung war bereits mit der WRN 2009 (BGBl I 25/2009) auf einen Zweijahresrhythmus geändert worden; zuletzt stellte das 2. MILG BGBl I 12/2016 den Vergleichswert für die Valorisierung vom VPI 2000 auf den VPI 2010 um und legte den Richtwert für einen Zeitraum von 3 Jahren gesetzlich fest.
2.2. Die Antragsteller wenden sich gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, ungeachtet der Änderung der Rechtslage durch das MILG sei die Differenz der Grundkostenanteile weiterhin für die Ermittlung des Lagezuschlags heranzuziehen. § 3 Abs 2 und 5 RichtWG sei durch das MILG materiell derogiert worden. Aufgrund gesetzlicher Festlegung der Richtwerte ab 1. 4. 2008 gebe es keine zugrunde gelegten Grundkostenanteile mehr. Einer Valorisierung der zuletzt ermittelten Grundkostenanteile entsprechend der Steigerung der Richtwerte fehle die gesetzliche Grundlage, die Ableitung eines Lagezuschlags aus einer Grundkostendifferenz sei daher unzulässig.
Eine ausdrückliche Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage liegt zwar nicht vor, die – wenn auch rechtstechnisch unglückliche – gesetzliche Regelung ist aber eindeutig, sodass ein anderes Auslegungsergebnis als das der Vorinstanzen nicht in Betracht kommt. Eine erhebliche Rechtsfrage ist daher nicht zu beantworten (vgl RIS-Justiz RS0042656):
2.3. Zu 5 Ob 53/10w erwähnte der Fachsenat bereits die allfällige materielle Derogation des § 3 RichtWG durch das MILG, setzte sich damit aber mangels Relevanz für den dortigen Fall nicht näher auseinander. Mittlerweile ist zur Frage der Auswirkungen des MILG auf § 3 RichtWG das ausführlich begründete Erkenntnis des VfGH G-428/2016 ua, V 75/2016 ua ergangen, dem eine Anfechtung des gesamten RichtWG und des § 16 Abs 3 MRG zugrunde lag. Der VfGH ging davon aus, dass den Bestimmungen zur Festlegung der Richtwerte durch Verordnung (§ 1 Abs 2, 3 und 4 RichtWG) durch § 5 Abs 1 RichtWG idF des MILG materiell derogiert wurde (so bereits T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht MRG4 § 16 Rz 58a; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I²³ RichtWG § 5 Rz 1). Mehrfach verwies der VfGH aber darauf (IV. Erwägungen Punkt 1.6.6.2, 2.3.5, 2.3.9), dass das 1. MILG BGBl I 50/2008 lediglich die valorisierten Richtwerte unmittelbar in das Gesetz aufnahm, ohne dass eine Neuberechnung erfolgt wäre. Der nunmehr gesetzliche Richtwert nach § 5 Abs 1 RichtWG ist daher eine valorisierte Festschreibung der nach der Stammfassung des RichtWG vom Bundesminister für Justiz mit Verordnung festgelegten Beträge in Gesetzesform. Diese Übernahme der zunächst mittels Verordnung festgelegten Richtwerte in das Gesetz erachtete der VfGH als nicht unsachlich und im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegend.
2.4. Diese Beurteilung des VfGH konnte sich insbesondere auf die Materialien zum 1. MILG (ErläutRV 622/A BlgNR 23. GP 2f; AB 480 BlgNR 23. GP 2) stützen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass der Gesetzgeber lediglich einen Systemwechsel in der Valorisierung der Richtwerte beabsichtigte, dabei aber von den ab dem 1. April 2008 geltenden Richtwerten unter Berücksichtigung des Steigerungsfaktors und den zuletzt in BGBl II Nr 61/2007 kundgemachten Richtwerten ausging. Daraus erschließt sich unmissverständlich, dass der Gesetzgeber des 1. MILG nicht beabsichtigte, das System der Berechnung eines Lagezuschlags nach § 16 Abs 3 MRG abzuändern, zumal diese Bestimmung durch das MILG ebenso unangetastet blieb wie § 3 RichtWG, der auch in seinen Abs 2 und 5 nicht formell aufgehoben wurde. Eine planwidrige Lücke im § 16 Abs 3 MRG (vgl Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig³ § 3 RichtWG Rz 1) ist angesichts des unverändert gebliebenen Gesetzeswortlauts und Gesetzeszwecks des § 16 Abs 3 MRG zu bezweifeln. Der Gesetzgeber des 1. MILG hat vielmehr die auf die Richtwertverordnungen BGBl Nr 140-148/1994 zurückgehende Zusammensetzung des Richtwerts einschließlich des prozentuellen Anteils der Grundkosten nicht nur gebilligt, sondern auch übernommen, was auch in den nach dem 1. MILG ergangenen Kundmachungen des Bundesministers für Justiz zum Ausdruck kommt. Als Ausfluss aus den vorangegangenen Verordnungen sind daher die im nun gesetzlich festgelegten Richtwert enthaltenen Grundkostenanteile (§ 16 Abs 3 MRG) und die „abgezogenen“ Baukostenanteile (§ 16 Abs 2 Z 2 MRG) gemäß § 5 Abs 2 RichtWG zu valorisieren (im Ergebnis ebenso Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig³ § 3 RichtWG Rz 1). Es mag sein, dass als Konsequenz dieser Vorgangsweise aufgrund der tatsächlich erzielten höheren Grundkostenanteile bei Liegenschaftsverkäufen im Umfeld von Wohnungen in innerstädtischen Bezirken der Lagezuschlag stark ansteigt (vgl Sandrini, Die Bedeutung des Grundkostenanteils der Richtwertwohnung für die Ermittlung des Lagezuschlags – warum die Lagezuschläge in Wien so stark ansteigen, immolex 2017, 206). Hier korrigierend einzugreifen obliegt aber nicht dem Rechtsanwender, sondern dem Gesetzgeber (so bereits Würth, Zum mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz, wobl 2008, 184). Der von den Antragstellern gezogene Schluss, aufgrund materieller Derogation der in § 16 Abs 3 MRG verwiesenen Bestimmungen des § 3 Abs 2 und 5 sowie § 6 RichtWG könne es – mangels Errechenbarkeit – zu keinem Lagezuschlag mehr kommen, widerspricht hingegen nicht nur dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 16 Abs 3 MRG, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers des MILG. Für die Lagezuschlagsermittlung bleibt daher nach wie vor die Differenz zwischen dem der Richtwert zugrundeliegenden und dem der Lage entsprechenden Grundkostenniveau ausschlaggebend, für das Bundesland Wien sind dies unverändert 17,21 %.
3.1. Letztlich machen die Antragsteller geltend, der aus dem Grundkostendifferenzbetrag abgeleitete Lagezuschlag wäre hier der Höhe nach zu reduzieren. Die Lagebewertung des Sachverständigen sei nicht „sehr gut“, sondern nur „gut“, sodass ein Lagezuschlag von maximal einem Drittel des Höchstbetrags zulässig sei. Die Beurteilung des Rekursgerichts, § 16 Abs 3 MRG ordne zwar eine gesetzlich definierte betragliche Höchstgrenze an, eine Reduktion des Lagezuschlags unter diese Höchstgrenze sei allerdings nicht vorzunehmen, kann sich aber auf höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen und bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall:
3.2. Der Fachsenat sprach bereits mehrfach aus (RIS-Justiz RS0114795), dass § 16 Abs 3 MRG genaue Anweisungen über die Ermittlung des Lagezuschlags enthält, weshalb er nicht unter Anwendung des § 273 ZPO nach Ermessen des Gerichts festgesetzt werden darf. Zur Ermittlung der Lagezuschläge und -abschläge ist nach gesetzlicher Anordnung zunächst der der Lage entsprechende Grundkostenanteil je m² Nutzfläche zu berechnen. Dazu bedarf es der Feststellung der in dieser Gegend üblichen Grundpreise für unbebaute, aber für Wohnbauten geeigneten Grundstücke (in dem Sinn ist § 16 Abs 3 MRG berichtigend auszulegen) durch einen Realitätensachverständigen und – allenfalls mit Hilfe eines Bausachverständigen – der Umlegung dieser Preise auf die unter Berücksichtigung der Bauvorschriften erzielbaren Wohnnutzflächen. Von der Differenz zwischen dem auf diese Weise errechneten und dem der Richtwertfestsetzung zugrundegelegten Grundkostenanteil (§ 3 Abs 2 und Abs 5 RichtWG), der aus dem gemäß § 4 Abs 1 RichtWG mit dem Richtwert kundgemachten Prozentanteil rückgerechnet werden kann, bilden 0,33 % den Lagezuschlag bzw Lageabstrich. Diese im Sinn einer Fixgröße zu verstehende Formulierung findet sich in den Entscheidungen 5 Ob 241/00b, 5 Ob 78/06s und zuletzt 5 Ob 74/17v. Richtig ist allerdings, dass dort die Frage, ob der Prozentsatz im Einzelfall auch unterschritten werden dürfe und gegebenenfalls, unter welchen Voraussetzungen, nicht explizit zu beantworten war.
3.3. Der Wille des historischen Gesetzgebers des 3. WÄG ist insoweit eindeutig (AB 1268 BlgNR 18. GP 12). Danach soll der Abstrich oder Zuschlag genau 0,33 % der Differenz aus dem Richtwertgrundkostenanteil und dem konkreten Lagegrundkostenanteil betragen. Auch die Lehre vertritt – unter Hinweis auf die Materialien – teilweise diese Auffassung (Ostermayer, Mietrecht [1994] § 16 MRG Anm 5g; Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig³ § 16 MRG Rz 25; Würth in Rummel³ § 16 MRG Rz 14g). Rosifka (Das Kriterium der Lage im System des Richtwertmietzinses, VbR 2017/33, 57) plädiert dafür, § 16 Abs 3 MRG nach dem Wortlaut als Obergrenze zu begreifen, deren Ausschöpfung im Einzelfall geprüft werden müsse. Lovrek/Stabentheiner (GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 76 Fn 297) sehen darin einen „zutreffenden Hinweis“. Stabentheiner (Das Richtwertsystem, wobl 1994, 81 [89]) spricht davon, der Lagezuschlag wäre durch § 16 Abs 3 MRG begrenzt, ebenso Schuster (Ausgewählte Rechtsfragen der Mietzinsbildung nach dem 3. WÄG, wobl 1996, 85 [94]).
3.4. Dass der Gesetzestext des § 16 Abs 3 MRG von „bis zu 0,33 %“ an zulässigem Lagezuschlag spricht, steht der Auslegung der Vorinstanzen nicht entgegen. Schon das Rekursgericht verwies zutreffend darauf, dass nach der am Anfang der Interpretationsbemühungen stehenden grammatikalischen Auslegung der Begriff „bis“ als Festlegung einer im Mietrecht keineswegs unüblichen Höchstgrenze zu betrachten sein kann, die die Mietvertragsparteien zulässigerweise ausschöpfen dürfen, aber nicht müssen. Diese Auslegung berücksichtigt den Willen des historischen Gesetzgebers und ist auch aus objektiv-teleologischer Sicht nicht zu beanstanden. Da nach den Marktgegebenheiten eine nur geringfügig überdurchschnittliche Lage gegenüber einer weit überdurchschnittlichen zu geringeren Grundkostenanteilsdifferenzen führen wird, fließt schon über den Berechnungsmodus das Ausmaß der überdurchschnittlichen Lage in die Ermittlung des Lagezuschlags ein. Dass konkrete gesetzliche Kriterien für die Bemessung eines unter dem im § 16 Abs 3 MRG genannten Höchstwert liegenden Lagezuschlags fehlen, was letztlich auf das in höchstgerichtlicher Rechtsprechung mehrfach abgelehnte richterliche Ermessen (vgl RIS-Justiz RS0114795) hinauslaufen würde, ist ebenso zu erwähnen. Dass die Vorinstanzen den Lagezuschlag im vollen nach § 16 Abs 3 MRG vorgesehenen Ausmaß zuerkannt haben, entspricht somit der bisherigen Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht.
4. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
5. Die Antragsgegner haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass es der Billigkeit entspricht, ihnen die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen.
Leitsätze
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Hat das MILG Auswirkungen auf die Berechnung des Lagezuschlags?
Die Höhe des Lagezuschlags regelt § 16 Abs 3 MRG. Trotz der materiellen Derogation der in § 16 Abs 3 MRG genannten Bestimmungen des § 3 Abs 2 und 5 sowie des § 6 RichtWG durch das MILG bleibt für die Ermittlung des Lagezuschlags nach wie vor die Differenz zwischen dem der Richtwertermittlung zugrunde liegenden und dem der Lage entsprechenden Grundkostenniveau ausschlaggebend.Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 242/18a | OGH vom 20.03.2019 | Dokument-ID: 1029196