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Dokument-ID: 338364

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 281/07w; OGH; 8. Jänner 2008

GZ: 5 Ob 281/07w | Gericht: OGH vom 08.01.2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin T*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Stiftung N*****, (als Rechtsnachfolgerin von Elisabeth F*****), *****, 2. Romuald N*****, 3. Elfriede A*****, 4. Maximilian L*****, 5. Martin H*****, 6. Sylvia W*****, 7. Rosa F*****, 8. Ruth J*****, 9. Rosalia H*****, 10. Gabriele G*****, 11. Christine P*****, 12. Ilse K*****, 13. Bernhard J*****, 14. Maria F*****, 15. Herbert F*****, 16. Ingrid B*****, 17. Erika B*****, 18. Herta W*****, 19. Bianca P*****, 20. Harald P*****, 21. Veronika J*****, 22. Norbert J*****, 23. Annerose M*****, 24. Richard M*****,

25. Senta M*****, 26. Dr. Hans M*****, 27. Alexandra H*****, 28. Werner H*****, 29. Waltraud G*****, 30. Dr. Klaus K*****, 31. Helga S*****, 32. Peter D*****, 33. Helmut E*****, 34. Ing. Ernst U*****,

35.

Heide Maria F*****, 36. Hans Peter P*****, 37. Christine P*****,

38.

Hubert R*****, 39. Edith R*****, 40. Dipl.-Vw. Ferdinand M*****,

41.

Brigitte M*****, 42. Johann S*****, 43. Gudrun S*****, 44. Ing. Wolfgang H*****, 45. Ulrike H*****, 46. Regina S*****, 47. Thomas G*****, 48. Ferdinand P*****, 49. Anneliese Theresia P*****, 50. Anton O*****, 51. Johanna O*****, sämtliche vertreten durch Dr. Alfred Schmidt, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen § 52 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 6 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Oktober 2007, GZ 3 R 279/07m-18, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG (§ 71 Abs 3 AußStrG) zurückgewiesen.

Begründung

Auf der Liegenschaft EZ ***** GB ***** sind drei selbstständige Wohnhäuser mit zwei getrennten Tiefgaragen und drei unterschiedlichen Grundstücksadressen errichtet. Bauträger war die nunmehrige Antragstellerin und gegenwärtige Liegenschaftsverwalterin. Sie ist zu 2795/5900-Anteilen (oder zu 47,37 %) Miteigentümerin der Liegenschaft, womit Wohnungseigentum an insgesamt 34 Wohnungen verbunden ist.

Die Antragsgegner und die weiteren Verfahrensparteien sind Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft zu 3105/5900-Anteilen. An einem der Gebäude sind Fassadenschäden aufgetreten. Vor Einbringung einer Klage gegen die Antragstellerin beim Landesgericht Innsbruck fasste die Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer – unter Ausschluss der Antragstellerin bei der Abstimmung – den Beschluss auf gerichtliche Geltendmachung der Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche betreffend die Fassadenschäden gegenüber der Antragstellerin, und zwar namens der Wohnungseigentümer des betroffenen Hauses, jedoch auf Kosten/Rechnung und Risiko der Eigentümergemeinschaft der gesamten Wohnanlage. Gleichzeitig wurden den bezeichneten Wohnungseigentümern von der Eigentümergemeinschaft die bisher von ihr getragenen vorprozessualen Kosten für die Einholung eines Gutachtens über die bezeichneten Schäden abgetreten.

Darüber hinaus wurde die Beauftragung eines bestimmten Rechtsanwalts mit der Verfolgung der bezeichneten Ansprüche beschlossen. Die bei der Willensbildung ausgeschlossene Antragstellerin begehrte mit ihrem verfahrenseinleitenden Antrag, die Rechtsunwirksamkeit dieses Beschlusses wegen Gesetzwidrigkeit festzustellen (§ 24 Abs 6 WEG).

Zusammengefasst machte sie geltend, dass ihr Stimmrechtsausschluss und ihre gleichzeitige Kostenbelastung durch den gegen sie geführten Prozess, den sie zu 47,4 % gegen sich selbst finanzieren müsse, gesetzwidrig sei und einen Verstoß gegen das Recht auf Parteiengehör bzw ein faires Verfahren darstelle. Darüber hinaus sei es nicht zu einer rechtswirksamen Abtretung von Ansprüchen gekommen. Eine Abtretung sei überhaupt nur an die Eigentümergemeinschaft möglich. Überdies sei eine Annahme der Abtretung erforderlich. In jedem Fall handle es sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter und um ein Insichgeschäft. Weiters würden Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verletzt.

Beide Vorinstanzen wiesen das Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses ab.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, die Vorgehensweise der Mehrheit der Wohnungseigentümer entspreche höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Um die Sachlegitimation für Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer betreffend Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft zur Geltendmachung gegen den Wohnungseigentumsorganisator herzustellen, bedürfe es einerseits auf der Gemeinschaftsebene eines Mehrheitsbeschlusses und andererseits auf der Ebene der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer korrespondierender Abtretungserklärungen. Auf letztere komme es bei der Beurteilung der Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss nicht an. Dieser müsse nicht sämtliche Vertragsinhalte einer Zession aufweisen. Das Argument des schweren wirtschaftlichen Nachteils der Antragstellerin durch die getroffene Beschlussfassung sei nicht tragfähig, wären doch ansonsten Klagen von Wohnungseigentümern gegen einen anderen Wohnungseigentümer bzw eine Beschlussfassung darüber nicht durchzusetzen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin stelle eine Willensbildung der Wohnungseigentümer iSd § 24 WEG kein Rechtsgeschäft dar, weshalb es sich auch nicht um einen Vertrag zu Lasten Dritter handeln könne. Zu Recht sei der Antragstellerin gemäß § 24 Abs 3 WEG für die gegenständliche Beschlussfassung kein Stimmrecht zuerkannt worden, weil es sich um eine gegen sie selbst gerichtete Klage wegen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen in ihrer Funktion als Bauträgerin handle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000,– übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Antragstellerin vertritt den Standpunkt, es liege eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor, weil eine Konstellation wie die gegenständliche, in der sie als Miteigentümerin Mitglied der Eigentümergemeinschaft von dieser mit Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen konfrontiert werde, wobei ihr kein Stimmrecht bei der Willensbildung zukomme, sie damit gezwungen werde, gegen sich selbst einen Prozess zu führen, noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen ihrer Ansicht liegen Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor.

Durch das Anfechtungsrecht der Minderheit gegen Beschlüsse der Mehrheit im Rahmen der ordentlichen Verwaltung soll der überstimmten Minderheit die Einhaltung zwingender Bestimmungen des WEG garantiert werden, allenfalls noch erweitert um die Geltendmachung „krasser“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (5 Ob 144/05w = SZ 2005/102).

Ist Gegenstand einer Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft, Rechtsverhältnis oder Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer, so steht diesem Wohnungseigentümer kein Stimmrecht zu (§ 24 Abs 3 WEG). Damit ist nicht nur der Stimmrechtsausschluss der Antragstellerin, sondern auch die Tatsache gesetzlich gedeckt, dass zum „wirtschaftlichen Nachteil“ eines Wohnungseigentümers eine Klagsführung gegen ihn beschlossen werden kann.

An der Herstellung eines mängelfreien Zustands und einer gemeinschaftlichen Rechtsverfolgung zur Erreichung dieses Zwecks, im Konkreten zur ordnungsgemäßen Erhaltung allgemeiner Teile der Liegenschaft, bestehen gemeinschaftliche Interessen aller Wohnungseigentümer. Diese haben ihre Individualrechte nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, selbst wenn sie aus einem vom Erwerber einer Wohnung mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrag resultieren, durch einen Mehrheitsbeschluss aufeinander abzustimmen, wenn durch die Vorgangsweise Gemeinschaftsinteressen berührt werden (RIS-Justiz RS0108157).

Dass solche Individualrechte zur Geltendmachung der Eigentümergemeinschaft als Trägerin der Verwaltung der Liegenschaft abgetreten werden können (vgl RIS-Justiz RS0119208), entsprach schon bisheriger höchstgerichtlicher Rechtsprechung und findet nunmehr Niederschlag in § 18 Abs 2 WEG idF der WRN 2006.

Dass solche Ansprüche auch jedem Dritten abgetreten werden können, hier einzelnen Wohnungseigentümern, bedarf keiner weiteren Begründung.

Es wurde auch bereits als zulässig angesehen, dass die Eigentümergemeinschaft zur Durchsetzung solcher Ansprüche das Kostenrisiko übernimmt, obwohl die Rechtszuständigkeit beim einzelnen Wohnungseigentümer belassen wurde (5 Ob 304/04y = wobl 2005/49 [Call]).

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin ist für die Willensbildung der Gemeinschaft nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Zession eingehalten werden, insbesondere dass Abtretungserklärungen auch im Rahmen der Beschlussfassung angenommen werden. Damit zusammenhängende Fragen der Wirksamkeit einer Abtretung sind ausschließlich bei Beurteilung der Sachlegitimation im Gewährleistungs- bzw Schadenersatzprozess zu prüfen.

Überhaupt stellt die Willensbildung der Wohnungseigentümer, die hier zum angefochtenen Beschluss führte, keinen Vertrag dar, deshalb auch keinen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich der überstimmten Minderheit bzw hier der vom Stimmrecht ausgeschlossenen Antragstellerin. Dem Argument der Antragstellerin ist entgegenzuhalten, dass, wie oben ausgeführt, § 24 Abs 3 WEG konkret eine Beschlussfassung vorsieht, die einen beabsichtigten Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer zum Gegenstand hat.

§ 32 Abs 1 WEG sieht vor, dass Aufwendungen für die Liegenschaft nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen sind, soweit nicht sämtliche Wohnungseigentümer einen abweichenden Aufteilungsschlüssel festgelegt haben. Weil es – wie oben ausgeführt – bei der Beseitigung von Schäden an allgemeinen Teilen der Liegenschaft um gemeinschaftliche Interessen geht und die Beseitigung von Mängeln dem der Verwaltung zuzuordnenden Bereich der ordnungsgemäßen Erhaltung allgemeiner Teile des Hauses gleichzuhalten ist (vgl RIS-Justiz RS0119208), widerspricht auch die anteilige Kostenbelastung der Antragstellerin im angefochtenen Beschluss keineswegs zwingenden Bestimmungen des WEG und stellt keinerlei krassen Verstoß gegen die dargestellten Grundsätze (vgl SZ 2005/102) dar.

Dass die Antragstellerin mit den Prozesskosten in jedem Fall belastet wird, resultiert aus ihrer doppelten Position als Anspruchsgegnerin und Wohnungseigentümerin.

Somit liegen keine Rechtsfragen iSd § 61 Abs 1 AußStrG vor. Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Antragstellerin zu führen.

Leitsätze

  • Anteilige Kostenbelastung des Wohnungseigentümers

    § 24 Abs 3 WEG 2002 deckt den Umstand, dass zum „wirtschaftlichen Nachteil“ eines Wohnungseigentümers eine Klagsführung gegen ihn beschlossen werden kann und dass der beklagte Wohnungseigentümer anteilig mit den Kosten der Klagsführung belastet wird.
    Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 281/07w | OGH vom 08.01.2008 | Dokument-ID: 374617