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5 Ob 39/24g; OGH; 3. September 2024
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P*, 2. G*, 3. I*, 4. H*, 5. Mag. M*, 6. C*, 7. R*, 8. Dr. R*, 9. Mag. N*, 10. Dr. W*, 11. Ing. H*, 12. Dr. G*, 13. M*, 14. Ing. H*, 15. Dr. W*, 16. E*, 17. G*, 18. Mag. H*, 19. Dr. M*, 20. G*, 21. M*, 22. R*, 23. M*, 24. E*, 25. I*, 26. R* GmbH, *, alle vertreten durch die Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A*, vertreten durch Mag. Michael Bodmann, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei DI Dr. A*, vertreten durch Mag. Sebastian Lesigang, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausschließung eines Wohnungseigentümers (§ 36 WEG), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2024, GZ 13 R 10/23w 92, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Schriftsätze der klagenden Parteien vom 17.04.2024 und 23.04.2024 werden zurückgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
[1] I. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig. Die nach Erhebung der Revision eingebrachten Schriftsätze der Kläger vom 17. und 23.04.2024 sind daher zurückzuweisen (RS0041666; RS0100170 [T2, T3]).
[2] II. Das Erstgericht wies das Klagebegehren der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer, die Beklagte gemäß § 36 WEG aus der Gemeinschaft auszuschließen, ab.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision der Kläger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[5] 1. Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[6] Die Schlüssigkeit von Prozessbehauptungen kann nur anhand des konkreten Vorbringens im Einzelfall geprüft werden; daher ist deren Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0037780). Das Überraschungsverbot gilt dabei zwar auch im Berufungsverfahren (RS0037300 [T1]). Es bedarf aber keiner richterlichen Anleitung nach § 182a ZPO, wenn bereits der Prozessgegner die Schwächen eines Vorbringens oder einer Rechtsauffassung aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt vielmehr selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RS0122365). Hier hat die Beklagte sich im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich darauf berufen, dass das als Ausschließungsgrund geltend gemachte Beschreiten des Rechtsweges rechtmäßig, nicht mutwillig und zur Wahrung ihrer Rechte notwendig gewesen sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe (nur) dann ein Ausschließungsgrund sein könne, wenn die Anträge, Klagen oder Anzeigen missbräuchlich oder schikanös eingebracht worden wären, diese Beurteilung aber entsprechend konkrete und spezifische Tatsachenbehauptungen voraussetze, ist daher keine Überraschungsentscheidung.
[7] Die Kläger legen in ihrer Revision im Übrigen auch nicht ausreichend dar, welche zusätzlichen Behauptungen sie, wären sie nicht durch einen Verfahrensfehler an der Erstattung von Vorbringen gehindert worden, aufgestellt hätten (vgl RS0037095). Wie das von ihnen in erster Instanz bereits erstattete Vorbringen zu verstehen ist und ob dieses so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, sind Fragen des Einzelfalls (RS0042828).
[8] Eine Aktenwidrigkeit iSd § 503 Z 3 ZPO besteht ausschließlich in einem für die Entscheidung wesentlichen Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks einerseits und der Zugrundelegung und Wiedergabe desselben durch das Berufungsgericht andererseits (5 Ob 131/22h mwN). Die von der Klägerin beanstandete Annahme des Berufungsgerichts, die Kläger hätten nicht zum Ausschlussgrund der mutwilligen Prozessführung bzw rechtsmissbräuchlichen Strafanzeigen umfassendes und detailliertes Vorbringen samt Beweisanbot erstattet, ist das Ergebnis der Auslegung des Parteivorbringens. Solche Schlussfolgerungen begründen keine Aktenwidrigkeit (RS0043256).
[9] Der Grundsatz, dass vom Gericht zweiter Instanz verneinte Verfahrensmängel erster Instanz nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können, wäre zwar nicht anzuwenden, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen hätte (RS0043086 [T8]; RS0043144). Die Kläger sehen diesen Ausnahmefall hier verwirklicht, weil das Berufungsgericht für die gesetzmäßige Ausführung der geltend gemachten Stoffsammlungsmängel die Formulierung konkreter Ersatzfeststellungen gefordert habe.
[10] Nach der ständigen Rechtsprechung muss der Rechtsmittelwerber zur Darstellung der Wesentlichkeit des Verfahrensmangels in der Berufung grundsätzlich behaupten, welche für die Entscheidung relevanten Ergebnisse ohne den Mangel hätten erzielt werden können (RS0043039). Ob das Berufungsvorbringen diesen Anforderungen genügt, kann wiederum jeweils nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilt werden.
[11] Bei richtigem Verständnis seiner Ausführungen ist das Berufungsgericht hier weder von den Grundsätzen der Rechtsprechung abgewichen, noch ist dessen Auslegung des Berufungsvorbringens eine aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Auch der vom Berufungsgericht zitierte, diese Rechtsprechung abbildende Rechtssatz RS0043039 fordert das Anführen der für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen, die Bezugnahme auf solche steht daher dem Verständnis nicht entgegen, dass auch das Berufungsgericht nicht das konkrete Ausformulieren von Feststellungen, sondern eine ausreichend konkrete Darstellung der zu erwartenden, für die Kläger günstigen Verfahrensergebnisse vermisst.
[12] Zudem hat das Berufungsgericht zwar auf die nicht gesetzmäßige Ausführung der Verfahrensrüge hingewiesen, es hat die betreffenden behaupteten Stoffsammlungsmängel zum Teil dennoch inhaltlich behandelt. Insofern zeigt die außerordentliche Revision die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf (vgl RS0116273).
[13] 2. Die Beurteilung, ob ein Wohnungseigentümer einen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer empfindlich schädigenden Gebrauch iSd § 36 Abs 1 Z 2 WEG macht und/oder ob es sich bei einem konkreten Verhalten des Wohnungseigentümers um ein unleidliches Verhalten mit dem Gewicht des Ausschlussgrundes des § 36 Abs 1 Z 3 WEG handelt, kommt keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, weil eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen ist. Anderes gilt im Interesse der Rechtssicherheit nur dann, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt (5 Ob 45/22m mwN). Eine solche zeigen die Kläger in ihrem Revisionsrekurs nicht auf.
[14] Nach § 36 Abs 3 WEG steht in den Fällen des § 36 Abs 1 Z 2 und 3 WEG das Verhalten des auszuschließenden Wohnungseigentümers dem Verhalten der Personen gleich, die sein Wohnungseigentumsobjekt oder die von ihm sonst benützten allgemeinen Teile der Liegenschaft mit seiner Zustimmung oder Duldung benützen, sofern er es unterlässt, die ihm mögliche Abhilfe zu schaffen. Die von den Klägern aufgeworfene Frage der Zurechnung des Verhaltens einer GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Wohnungseigentümer ist, stellt sich im vorliegenden Kontext daher nur dann, wenn diese Voraussetzungen des § 36 Abs 3 WEG vorliegen, die Gesellschaft also das Wohnungseigentumsobjekt oder die von ihm sonst benützten allgemeinen Teile der Liegenschaft mit Zustimmung der Wohnungseigentümer oder Duldung benützt. Darüber hinaus bleibt der Wohnungseigentümer in seiner Doppelfunktion als Wohnungseigentümer und Geschäftsführer nur für dessen eigenes Verhalten verantwortlich. Die Durchführung von Errichtungs- und/oder Abbruchsarbeiten im Auftrag des Wohnungseigentümers ist in diesem Sinn keine Einräumung oder Duldung der Benützung im engeren Sinn des § 36 Abs 3 WEG. Ein für den Ausschluss relevantes Verhalten kann darin nur liegen, wenn schon die Erteilung der Aufträge durch den Wohnungseigentümer auf einen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer empfindlich schädigenden Gebrauch iSd § 36 Abs 1 Z 2 WEG gerichtet ist, bloß deren mangelhafte Ausführung ist dem Wohnungseigentümer auch in dieser Konstellation nicht zuzurechnen, wenn es um die Verwirklichung eines Ausschließungsgrundes geht (vgl 5 Ob 272/04t). Die von den Klägern argumentierte Zurechnung des Verhaltens „ihrer“ bauausführenden Gesellschaft iSd § 36 Abs 3 WEG ist weder zu bejahen noch notwendig; für den Tatbestand des § 36 Abs 1 Z 2 WEG ist vielmehr deren eigenes Verhalten in ihrer Doppelfunktion als Wohnungseigentümerin und Geschäftsführerin ausschlaggebend; in diesem Sinn bedarf es aber auch der schlüssigen Behauptung und des Nachweises der subjektiven Vorwerfbarkeit der von der Gesellschaft angeblich zu verantwortenden Missstände.
[15] Es trifft zwar zu, dass die Ausschlussgründe des § 36 Abs 1 WEG nach der Rechtsprechung (anders als Kündigungsgründe im MRG) nicht bei sonstiger Verwirkung stets unverzüglich geltend gemacht werden müssen (vgl 5 Ob 1011/93; 5 Ob 51/97d). Das Berufungsgericht hat mit seiner Argumentation zu dem seit dem Setzen einzelner behaupteter Ausschließungsgründe verstrichenen Zeitraum daher zu Unrecht eine Pflicht zur unverzüglichen Geltendmachung bejaht (und nicht bloß das Gewicht des beanstandeten Verhaltens relativiert). Allerdings hat das Berufungsgericht seine Entscheidung bei keinem der davon betroffenen Ausschließungsgründe einzig darauf gestützt. Diese Hilfsbegründung ist für den Streitausgang aber nicht (mehr) erheblich, weil die Kläger der anderen jeweils selbstständig tragfähigen Begründung nichts Stichhaltiges entgegen halten (vgl RS0042736; RS0118709 [T11]; RS0088931).
[16] 3. Die außerordentliche Revision war somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Leitsätze
-
Zur Zurechnung mangelhafter Arbeiten der „Bau-GmbH“ des WEers
Ein Ausschließungsgrund iSd § 36 Abs 1 Z 2 und 3 WEG 2002 kann nicht nur vom Wohnungseigentümer, sondern von allen Personen, die das Wohnungseigentumsobjekt bzw die allgemeinen Teile mit seiner Zustimmung oder Duldung nutzen, gesetzt werden. Die Durchführung von Bauarbeiten im Auftrag eines Wohnungseigentümers stellt aber auch dann keine Nutzung der Liegenschaft dar, wenn der Wohnungseigentümer Alleingesellschafter und Geschäftsführer der die Arbeiten durchführenden GmbH ist.Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 39/24g | OGH vom 03.09.2024 | Dokument-ID: 1188737