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5 Ob 59/24y; OGH; 21. Mai 2024
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers R*, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die Antragsgegner 1. W*, vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, 2. S*, 3. H*, vertreten durch Mag. Jasmin Oberlohr, Rechtsanwältin in Innsbruck, 4. N*, sowie dem weiteren Miteigentümer D*, und die Verwalterin I* GmbH, *, wegen § 52 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 6 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Jänner 2024, GZ 5 R 165/23k 40, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung
[1] Die Streitteile sind Mit und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Anfechtung eines Umlaufbeschlusses, wonach die Hausverwaltung Angebote für die Sanierung der Fenster im Keller und im Stiegenhaus in der Farbe „wie Bestand“ laut einem näher bezeichneten Anbot, das EUR 8.907,– netto als Preis auswies, einholen sollte. Für den Fall, dass sich die Mehrheit der Eigentümer für den Austausch in der genannten Farbe und Ausführung entscheidet, sollte die Hausverwaltung mindestens drei weitere Angebote einholen und den Bestbieter beauftragen.
[2] Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab, diesen Beschluss wegen formeller Mängel iSd § 24 Abs 6 WEG als rechtsunwirksam aufzuheben.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 10.000,– übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor. Das Rekursgericht hat die Parteistellung der Verwalterin in diesem Beschlussanfechtungsverfahren berücksichtigt und dem Erstgericht aufgetragen, den Sachbeschluss an sie zuzustellen. Die Verwalterin beteiligte sich am Verfahren nicht. Das Rekursgericht wertete dies – in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung, wonach die Verletzung des rechtlichen Gehörs im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zwar aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels auch von Amts wegen aufzugreifen wäre, aber nicht absolut wirkt und daher nur dann wahrzunehmen ist, wenn dies Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RS0120213; vgl auch 5 Ob 61/15d) – dahin, dass die mangelnde Beiziehung der Verwalterin zum erstinstanzlichen Verfahren keinen Einfluss auf die Richtigkeit des erstinstanzlichen Sachbeschlusses gehabt habe und der Verfahrensmangel nicht relevant sei. Diese Verneinung einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz kann nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042963 [T38, T61]). Dass das Rekursgericht die Sanierung des Verfahrens wegen mangelnden rechtlichen Gehörs im Weg einer Rückstellung an das Erstgericht veranlasste, kann sich auf Rechtsprechung des Fachsenats stützen (5 Ob 61/15d).
[6] 2.1. Gemäß § 24 Abs 6 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit anfechten. Der Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit soll aber nicht im Ergebnis auf eine generelle Inhaltskontrolle der Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung hinauslaufen. Der Begriff „Gesetzwidrigkeit“ ist daher nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einschränkend zu interpretieren. Nur ein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwaltung und „krasse Verstöße“ gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit machen einen Beschluss gesetzwidrig (RS0120092; 5 Ob 68/23w).
[7] 2.2. Gemäß § 24 Abs 1 WEG dient zur Willensbildung der Eigentümergemeinschaft vor allem die Eigentümerversammlung, Beschlüsse können aber auch – wie hier – auf andere Weise, etwa auf schriftlichem Weg, zustande kommen. Da die Willensbildung in Form des Umlaufbeschlusses der Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung gleichsteht, hat sie ebenso den Anforderungen des § 24 WEG zur Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung zu entsprechen (5 Ob 34/22v).
[8] 2.3. In der Rechtsprechung ist geklärt (5 Ob 40/19x; 5 Ob 154/20p), dass Gegenstand und Zweck der Beschlussfassung einen ausreichend bestimmten Beschlussgegenstand bedingen, wobei an die Bestimmtheit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Es reicht aus, wenn daraus das beabsichtigte Vorgehen der Eigentümer so deutlich hervorgeht, dass damit der mit Beschlussfassung verbundene Zweck erreicht ist, ihren Interessenskonflikt zu lösen.
[9] 2.4. Ebenso ist es Rechtsprechung des Fachsenats (RS0124147), dass aus § 20 Abs 4 Satz 2 WEG keine Verpflichtung des Verwalters abzuleiten ist, bei Einholung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft über anstehende Erhaltungsarbeiten alle ihm vorliegenden Anbote zum Gegenstand der Abstimmung zu machen. Wenn auch nach § 20 Abs 4 Satz 2 WEG der Verwalter für Erhaltungsarbeiten, die über laufende Instandhaltung hinausgehen, und für größere Verbesserungsarbeiten mindestens drei Angebote einzuholen hat, hat daher die Frage nach der allenfalls rechtswidrig unterbliebenen Einholung von Vergleichsangeboten keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses (vgl 5 Ob 186/08a; 5 Ob 154/20p). Eine gesetzliche Verpflichtung des Verwalters, die Wohnungseigentümer über die eingeholten Angebote abstimmen zu lassen, besteht nicht. Selbst das Nichteinholen der – im Beschluss im Übrigen ohnedies angekündigten – drei Anbote könnte daher nicht zur Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft führen. Dem dazu behaupteten sekundären Feststellungsmangel fehlt es daher an der Relevanz.
[10] 3.1. Wenn auch ein wirksamer Umlaufbeschluss Angaben über den wesentlichen Inhalt der geplanten Maßnahme voraussetzt (5 Ob 2/13z), besteht keine darüber hinausgehende Verpflichtung des Initiators des Umlaufbeschlusses, die Entscheidungsgrundlagen aufzubereiten und die Argumente, die für und gegen die Maßnahme sprechen, darzustellen oder zu diskutieren (5 Ob 238/20s). Ob über die zur Beschlussfassung anstehende Maßnahme ausreichend informiert wurde, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (5 Ob 113/08s; RS0124152), sodass dies in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft. Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist hier nicht zu erkennen.
[11] 3.2. Das Rekursgericht interpretierte den – nach der Rechtsprechung des Fachsenats allein maßgeblichen, aus dem Wortlaut selbst ersichtlichen Zweck der Beschlussfassung (5 Ob 40/19x; 5 Ob 154/20p) – dahin, dass die Sanierung der (auch nach dem Kenntnisstand des Antragstellers) schadhaften Fenster im Allgemeinbereich des Kellers und des Stiegenhauses Kosten von EUR 8.907,– (netto) verursachen werde und Gegenstand der Beschlussfassung nicht deren Reparatur, sondern der Austausch in der Farbe „wie Bestand“ (also mahagonifarben) sein soll. Auch wenn mangels Beilage des konkret erwähnten Anbots dies nur grundsätzliche Angaben gewesen sein mögen, zielte der Umlaufbeschluss nach der Interpretation des Rekursgerichts nicht darauf ab, bereits ein konkretes Angebot zu beschließen oder umzusetzen, sondern betraf nur die Zustimmung zur Sanierung durch Austausch im Grundsätzlichen, wobei weitere Angebote eingeholt werden sollten. Diese Auslegung ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.
[12] 3.3. Wenn der Revisionsrekurswerber darauf beharrt, mangels Beilegung des konkreten Angebots sei nicht klar, was genau beschlossen worden sei, setzt er sich mit dieser Begründung des Rekursgerichts nicht substanziiert auseinander. Auf die Frage, ob es ihm – wie vom Rekursgericht hervorgehoben – leicht möglich gewesen wäre, innerhalb der hier ohnedies mit 14 Tagen bemessenen Äußerungsfrist in das konkrete Angebot auch Einsicht zu nehmen (vgl 5 Ob 186/08a), kommt es daher nicht an. Eine Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur notwendigen Bestimmtheit der Beschlussfassung ist insoweit nicht zu erkennen.
[13] 3.4. Gegenstand der Beschlussfassung in der Eigentümergemeinschaft sind sämtliche Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung, also solche der ordentlichen wie der außerordentlichen Verwaltung. Im Revisionsrekursverfahren ist zu Recht nicht mehr strittig, dass es sich beim Gegenstand der Beschlussfassung um eine ordentliche Verwaltungsmaßnahme handelte, zumal die Fenster, deren Austausch beschlossen wurde, 40 Jahre alt und schadhaft waren und schon im Rekursverfahren nicht mehr behauptet wurde, dass der beabsichtigte Tausch anstelle der Reparatur den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit widersprechen würde.
[14] 3.5. Der Revisionsrekurswerber meint aber eine Gesetzwidrigkeit im Sinn des § 24 Abs 6 WEG noch aus dem Umstand ableiten zu können, dass der Text des Beschlusses keinen Hinweis darauf enthielt, ob die voraussichtlichen Kosten aus der Rücklage gedeckt werden könnten. Weshalb darin ein formeller Mangel, eine Gesetzwidrigkeit oder ein Fehlen der erforderlichen Mehrheit (als nach § 24 Abs 6 WEG zur Anfechtung von Beschlüssen im Rahmen der ordentlichen Verwaltung berechtigende Anfechtungsgründe) liegen sollte, bleibt unklar. Gemäß § 29 Abs 2 Z 2 WEG käme eine Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses, weil die Kosten der Veränderung unter Berücksichtigung auch der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten, nur im Bereich der außerordentlichen Verwaltung überhaupt in Betracht. Für die vom Revisionsrekurswerber vertretene Auffassung, für die ausreichende Bestimmtheit jedes Mehrheitsbeschlusses (also auch im Bereich der ordentlichen Verwaltung) bedürfe es immer der Angabe, ob die Kosten dafür aus der Rücklage gedeckt werden könnten, fehlt eine Grundlage im Gesetz. Auch aus der hiezu zitierten Entscheidung 5 Ob 186/08a ergibt sich eine solche Verpflichtung nicht. In dieser – im Übrigen einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden – Entscheidung wurde im Gegenteil das Anfechtungsbegehren betreffend eine ordentliche Verwaltungsmaßnahme (ebenso Fenstertausch) bei wesentlich höherem Kostenaufwand (dort 147.304 EUR netto) ebenso mangels Gesetzesverstoßes abgewiesen.
[15] 4. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Leitsätze
-
Fehlende Rücklagendeckung im Umlaufbeschluss: ein Anfechtungsgrund?
Es stellt keine Gesetzwidrigkeit und damit keinen Beschlussanfechtungsgrund gem § 24 Abs 6 WEG 2002 dar, wenn der Text eines Umlaufbeschlusses im Hinblick auf eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung keinen Hinweis dazu enthält, ob die voraussichtlichen Kosten der Maßnahme aus der Rücklage gedeckt werden können.Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 59/24y | OGH vom 21.05.2024 | Dokument-ID: 1186373