© WEKA Business Solutions GmbH
A-1200 Wien, Dresdner Straße 45
E-Mail: kundenservice@weka.at
5 Ob 99/21a; OGGH; 31. Mai 2021
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) G*****, und 2) D*****, beide vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 36.512,16 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. März 2021, GZ 15 R 156/20a-24, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Verfahrensgegenstand ist die Forderung der klagenden Eigentümergemeinschaft auf Zahlung von Bewirtschaftungskosten (2012 bis 2014) und Rücklage (2013) aus den (korrigierten) Abrechnungen zum 25.05.2016, 28.06.2016 und 24.01.2017. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der erstbeklagten Wohnungseigentümerin. Die Wohnungseigentumsobjekte der Erstbeklagten befinden sich in einem unausgebauten Rohdachboden. Eine rechtskräftige Baubewilligung liegt vor. Mit Entscheidung der Schlichtungsstelle vom 10.09.2003 wurden die Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte, einschließlich jener der Erstbeklagten festgesetzt.
[2] 2. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, bestritten die Beklagten im Verfahren erster Instanz weder die Aktiv- noch die Passivlegitimation. Ihre Ausführungen zur fehlenden Sachlegitimation sind als unzulässige Neuerungen unbeachtlich.
[3] 3.1 Der Wohnungseigentumsvertrag aus 2004 regelt unter anderem Folgendes: „II. Die Nutzwerte sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte wurden mit Entscheidung vom 10.09.2003 neu festgesetzt. Diese Entscheidung wird diesem Vertrag von den Vertragsparteien zugrunde gelegt ... V. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass die Aufteilung der Aufwendungen grundsätzlich weiterhin im Verhältnis der Nutzflächen zu tragen sind.“
[4] 3.2 Die Beklagten interpretieren die Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels (§ 32 Abs 2 WEG 2002) in Punkt V. des Wohnungseigentums-
vertrags so, dass für die noch nicht fertiggestellten Wohnungseigentumsobjekte keine Beiträge zu den Liegenschaftsaufwendungen (§ 32 Abs 1 WEG 2002) zu zahlen seien.
[5] 3.3 Bereits in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG 2002 (Legung einer ordentlichen und richtigen Abrechnung für die Jahre 2012 und 2013) wurde 2016 rechtskräftig ausgesprochen, dass sämtliche Aufwendungen der Liegenschaft auf die Wohnungseigentümer sämtlicher Objekte (einschließlich jener der Erstbeklagten) nach dem Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen sind. Die bisherige Abrechnungspraxis der Verwalterin, für in natura nicht existierende Wohnungen der Erstbeklagten keine Beiträge nach § 32 Abs 1 WEG 2002 vorzuschreiben, scheitere daran, dass sich diese Ausnahme von der Beteiligung an den Kosten nicht in der schriftlichen Vereinbarung niederschlage.
[6] 3.4 Unabhängig von einer Bindungswirkung dieser Entscheidung zeigen die Beklagten in ihrer Argumentation kein unvertretbares Auslegungsergebnis des Rekursgerichts auf.
[7] 3.5 Nach der in der außerordentlichen Revision selbst zitierten Rechtsprechung des Fachsenats sind der Wohnungseigentumsvertrag und Vereinbarungen nach § 32 Abs 2 WEG 2002, die der Schriftform bedürfen, nach dem einer objektiven Auslegung zugänglichen Wortlaut zu interpretieren (5 Ob 12/19d; 5 Ob 49/20x mwN; RIS-Justiz RS0117165 [T1]).
[8] 3.6 Soweit die Beklagten in der Revision geltend machen, die Baubewilligung sei durch Zeitablauf erloschen und aufgrund einer Änderung der Bauordnung nicht mehr umsetzbar, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Eine Ausnahme von der Beteiligung an sämtlichen Liegenschaftsaufwendungen für Wohnungen mit jeweils einzeln festgesetzten Nutzwerten ist in dem einer objektiven Auslegung zugänglichen Wortlaut des Wohnungseigentumsvertrags eindeutig nicht gedeckt.
[9] 4.1 Forderungen der Eigentümergemeinschaft auf Beiträge zur Rücklage unterliegen der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 1479 ABGB (5 Ob 29/82; 5 Ob 162/19p; RS0034299). Zu 5 Ob 29/82 (erste der beiden Entscheidungen in RS0034299) unterschied der Oberste Gerichtshof bei der Frage der Verjährungsfrist zwischen rückständigen Betriebskosten, öffentlichen Abgaben etc und Beiträgen zur Rücklage. Nur Ansprüche auf Beiträge zur Rücklage (nach dem WEG 1975) verjährten mangels einer kürzeren Verjährungsfrist in 30 Jahren, die Ansprüche des Hausverwalters gegen Wohnungseigentümer aus rückständigen Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und Hausverwaltungshonorar unterlägen hingegen der dreijährigen Verjährung des § 1486 Z 1 ABGB. Diese vom Verwalter vorgeschossenen Betriebs- und Heizungskosten würden als Leistung iSd § 1486 Z 1 ABGB mit dem Ende des Abrechnungszeitraums fällig. Nach 5 Ob 165/00a verjähren ausdrücklich nach § 1042 ABGB erhobene Ansprüche der Wohnungseigentümer auf rückständige Betriebskosten in 30 Jahren. Nach der neueren Rechtsprechung unterliegt ein Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB keiner längeren Verjährung als die ihm zugrunde liegende Forderung (RS0119861; 5 Ob 69/19m mwN; Dehn in KBB6 § 1478 Rz 1).
[10] 4.2 Die Frage, ob sämtliche Forderungen der Eigentümergemeinschaft auf Beiträge zu den liegenschaftsbezogenen Aufwendungen (§ 32 Abs 1 WEG 2002) in 30 Jahren verjähren, stellt sich hier nicht:
[11] 4.3 Der Verwalter ist nach § 20 Abs 3 WEG 2002 zur Legung einer ordentlichen und richtigen Abrechnung verpflichtet. Ergebnis der Abrechnung muss das tatsächlich Geschuldete sein. Im wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren zur Überprüfung der Abrechnung muss das Außerstreitgericht daher auch die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung überprüfen und deren Unrichtigkeit feststellen (Schatzl/Spruzina in GeKo II § 20 WEG 2002 Rz 60, 65 mwN).
[12] 4.4 Die Abrechnung ist nach § 34 Abs 1 WEG 2002 innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Abrechnungsperiode jedem Wohnungseigentümer zu übermitteln. Abrechnungsperiode ist nach § 34 Abs 2 Satz 1 WEG 2002 das Kalenderjahr. Ein sich aus der Abrechnung zugunsten eines Wohnungseigentümers ergebender Überschussbetrag ist auf dessen künftige Vorauszahlungen auf die Aufwendungen für die Liegenschaft gutzuschreiben. Ergibt sich aus der Abrechnung ein Fehlbetrag zu Lasten eines Wohnungseigentümers, so hat er diesen Fehlbetrag innerhalb von zwei Monaten ab der Rechnungslegung nachzuzahlen (§ 34 Abs 4 Satz 1 und 2 WEG 2002).
[13] 4.5 Nachforderungen der Eigentümergemeinschaft auf Beitragszahlungen werden nach Rechtsprechung und Lehre (5 Ob 213/00k = RS0115417 = wobl 2002/19, 52 [Call]; Kothbauer in GeKo II § 32 WEG 2002 Rz 68; Schatzl/Spruzina ebendort § 34 Rz 28) erst nach einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung fällig. Die Fälligkeitsregelung in § 32 Abs 9 WEG 2002 bezieht sich nur auf die den Wohnungseigentümern vorgeschriebenen Vorauszahlungen. Nur deren Fälligkeit hängt nicht von einer ordnungsgemäßen Abrechnung ab.
[14] 4.6 Die Bewirtschaftungskosten für die Jahre 2012 bis 2014 wurden erstmals zum 25.05.2016 und 28.06.2016 ordnungsgemäß und richtig abgerechnet. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage am 16.04.2019 wäre daher auch eine dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen.
Leitsätze
-
Abrechnung nach Nutzflächen: Auslegung des WE-Vertrages
Der Wohnungseigentumsvertrag sowie Vereinbarungen nach § 32 Abs 2 WEG 2002, die der Schriftform bedürfen, sind nach dem einer objektiven Auslegung zugänglichen Wortlaut zu interpretieren. Sämtliche Aufwendungen der Liegenschaft sind gem § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG 2002 auf die Wohnungseigentümer sämtlicher Objekte nach dem Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen.Stanislava Doganova | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 99/21a | OGH vom 31.05.2021 | Dokument-ID: 1098393