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Die Durchsetzbarkeit von Erhaltungsansprüchen nach dem WEG
Gastautor Mag. Sandrini setzt sich in seinem Beitrag anhand von richtungsweisender OGH-Judikatur mit Fragen rund um Erhaltungsansprüche im WEG auseinander. Worin besteht der Unterschied zu jenen im MRG?
Der Durchsetzung von Erhaltungsansprüchen durch einen Wohnungseigentümer kommt im Bereich der Minderheitenrechte des WEG eine zentrale Bedeutung zu. Doch inwieweit es tatsächlich berechtigt ist in diesem Zusammenhang von einem „Durchsetzungsanspruch“ zu sprechen, soll an dieser Stelle etwas näher beleuchtet werden.
Vorausgeschickt wird, dass es sich bei der ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft um eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 28 WEG handelt. Die Entscheidungskompetenz für solche Maßnahmen kommt somit derEigentümergemeinschaftzu, die dabei von der Mehrheit der Wohnungseigentümer vertreten wird.
Gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer das Recht, mit einemgegen die übrigen Wohnungseigentümer des Hauses (!) gerichteten Antrag die Entscheidung des Gerichts darüber zu verlangen, dass Arbeiten im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1 WEG binnen einer angemessenen Frist durchgeführt werden. Es handelt sich dabei um ein Individualrecht jedes Wohnungseigentümers. Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts ist die Untätigkeit der Mehrheit oder des Verwalters, entweder durch die Unterlassung einer Beschlussfassung oder die Ablehnung einer Erhaltungsarbeit (vgl 5 Ob 182/13w). Ein wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit der von einem Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 begehrten Erhaltungsmaßen ist deren Dringlichkeit. (RS0123169). Dem Verwalter kommt im Verfahren nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG keine Parteistellung zu (5 Ob 63/09i). Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 5 WEG steht dieses Recht im Übrigen bereits einem Wohnungseigentumsbewerber zu.
Der Anspruch umfasst dabei sowohl die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses als auch die Behebung ernster Schäden im Inneren eines Wohnungseigentumsobjekts. Das Recht eines Wohnungseigentümers Erhaltungsarbeiten einzufordern, ist daher grundsätzlich deckungsgleich mit den Ansprüchen eines (Haupt-)Mieters gemäß § 3 MRG idF vor der WRN 2006. Die Behebung einer vom Wohnungseigentumsobjekt ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung ist im Bereich des WEG dabei also nicht mitumfasst.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Situation im MRG ist aber vor allem auch darin zu erblicken, dass gemäß § 4 Abs 3 WEG ein „Altmieter“ die Möglichkeit hat, seine Erhaltungsansprüche gegen die Eigentümergemeinschaft geltend zu machen. Die hauptsächliche Konsequenz aus dieser Unterscheidung liegt darin, dass der Hauptmieter (Altmieter!) in einem mietrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 37 MRG einen gerichtlichen Auftrag zur Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten erwirken kann, der bei unterbliebener fristgerechter Umsetzung gemäß § 6 Abs 2 MRG mittels Antrag auf Bestellung eines Zwangsverwalters – wiederum im außerstreitigen Rechtsweg – vollstreckbar (exekutierbar) ist.
Im Bereich des WEG hat der OGH aber bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein Wohnungseigentümer nicht die exekutive Durchführung von Erhaltungsarbeiten gegenüber den anderen Wohnungseigentümern im außerstreitigen Verfahren durchsetzen kann:
Die Durchführung von Erhaltungsarbeiten fällt in die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft, die dabei von ihrem Verwalter vertreten wird. Da die Eigentümergemeinschaft nicht Partei des allein zwischen den Wohnungseigentümern abzuführenden Verfahrens nach § 30 Abs 1 Z 1 iVm § 52 Abs 1 Z 3 WEG 2002 ist, kann weder gegen die Eigentümergemeinschaft noch gegen die vom Antragsteller belangten (übrigen) Wohnungseigentümer ein Leistungsbefehl zur Durchführung der begehrten Erhaltungsarbeiten ergehen. Das Gericht hat vielmehr durch eine rechtsgestaltende Entscheidung den von der Eigentümergemeinschaft abgelehnten oder versäumten Mehrheitsbeschluss zu ersetzen. An die Entscheidung, die Erhaltungsarbeiten durchzuführen, ist der Verwalter iSd § 20 Abs 1 WEG 2002 gebunden. (RS0123170)
Selbst ein in einem solchen Verfahren geschlossener Vergleich kann nicht so ausgestaltet werden, dass diesem eine Vollstreckbarkeit zukommt:
Ein im Zuge eines Verfahrens nach § 30 Abs 1 WEG unter Beteiligung sämtlicher Wohnungseigentümer geschlossener Vergleich ist nichts anderes als ein Mehrheitsbeschluss. Ihm kommt weder Vollstreckbarkeit noch ein erhöhter Bestandschutz, weder gegen abweichende neuerliche Beschlussfassung noch gegen hinhaltenden Widerstand oder schlichte Untätigkeit der Mehrheit, zu. (5 Ob 42/09a)
Insgesamt erweist sich daher die mit § 30 Abs 1 Z 1 WEG eingeräumte Möglichkeit des einzelnen Wohnungseigentümers auf gerichtliche Durchsetzung notwendiger Erhaltungsarbeiten mangels Vollstreckbarkeit als äußerst unbefriedigend. Dies resultierend aus dem Umstand, dass der Antrag aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht gegen die an sich zuständige Eigentümergemeinschaft zu richten ist, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer des Hauses.
Anzumerken ist noch, dass gegen die Eigentümergemeinschaft zu richtende Anträge eines Wohnungseigentümers dem wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren des § 52 WEG an sich nicht fremd sind. So kann beispielsweise ein durch duldungspflichtige Erhaltungsarbeiten beeinträchtigter Wohnungseigentümer seine vermögensrechtlichen Nachteile sehr wohl gegenüber der Eigentümergemeinschaft gemäß § 16 Abs 3 WEG geltend machen.
Es erscheint daher überlegenswert, die gesetzliche Regelung dahingehend zu ändern, dass Anträge gemäß § 52 WEG auf Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten auch gegen die Eigentümergemeinschaft gerichtet werden können und dabei um ein außerstreitiges Vollstreckungsverfahren ergänzt werden.
Zum Autor:
Mag. Hans Sandrini ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.