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Dokument-ID: 916819

WEKA (ato) | News | 10.05.2017

Vorzeitige Auflösung des Bestandvertrags gem § 1117 ABGB wegen Mängeln am Bestandobjekt?

Die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist nur das „äußerste Notventil, deshalb ist im Hinblick auf die für eine vorzeitige Vertragsauflösung notwendigen wichtigen Gründe ein strenger Maßstab anzulegen.

Geschäftszahl

OGH 22. Februar 2017, 8 Ob 89/16w

Norm

§§ 1096, 1117 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Das Bestandsobjekt gilt als übergeben, wenn der Mieter in die Lage versetzt wurde, die Räumlichkeiten in Gebrauch zu nehmen, was bei versperrten Objekten die Ausfolgung der Schlüssel voraussetzt. Ein nicht gehöriges Übernahmeangebot des Bestandgebers abzulehnen und den Rücktritt vom Vertrag mit der Wirkung ex tunc zu erklären, ist nur bis zur Übergabe möglich. Im Hinblick auf die für eine vorzeitige Vertragsauflösung notwendigen wichtigen Gründe ist ein strenger Maßstab anzulegen.

OGH: Die Übergabe von Bestandobjekten nach § 1096 ABGB gilt als erfolgt, wenn der Mieter in die Lage versetzt wurde, die Räumlichkeiten in Gebrauch zu nehmen. Im Falle versperrter Objekte müssen hierfür die Schlüssel ausgefolgt werden. Möchte der Bestandnehmer das Objekt in dem Zustand, in der er es vorfindet, nicht übernehmen, muss er dies unverzüglich erklären und den Bestandgegenstand zurückweisen. Nur bis zur Übergabe verfügt er über die Möglichkeit, ein nicht gehöriges Übernahmeangebot des Bestandgebers abzulehnen und (nach Setzung einer Nachfrist) den Rücktritt vom Vertrag mit der Wirkung ex tunc zu erklären.

Die Beklagte (Mieterin) schloss mit der Klägerin (Vermieterin) am 1. Oktober 2011 einen befristeten Mietvertrag über Büroräume ab und bekam bei Vertragsbeginn Schlüsselkarten ausgehändigt. Zu diesem Zeitpunkt war das gemietete Büro ua mit einigen Mängeln (Abnützungsspuren) behaftet – welche die Beklagte im Anschluss zum Teil ausbessern ließ – dessen grundsätzliche Gebrauchsfähigkeit als solches jedoch nicht beeinträchtigt. Die Beklagte hat das Objekt nie bezogen, ließ aber nach Mietbeginn Vorarbeiten für geplante Ein- und Umbauten vornehmen und eine Glaswand demontieren. Mit Schreiben vom 9. Jänner 2012 erklärte sie, den Vertrag gem § 1117 ABGB vorzeitig aufzulösen.

§ 1117 ABGB räumt dem Bestandgeber das Recht ein, vor Ablauf der bedungenen Zeit den Vertrag vorzeitig aufzulösen, sofern das Bestandstück zum bedungenen Gebrauch untauglich ist oder ein beträchtlicher Teil davon durch Zufall auf längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Allgemein gilt, dass an die Qualität der für die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses notwendigen wichtigen Gründe stets ein strenger Maßstab anzulegen ist. Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist idR eine Frage der Abwägung im Anlassfall, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Diese könnte im Rahmen einer Grundsatzrevision nur dann aufgegriffen werden, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung des Gewichtes der Auflösungsgründe erkennbar wäre.

Im Schreiben vom Dezember 2011 erklärte die Beklagte, dass der zu diesem Zeitpunkt nach teilweiser Sanierung bestehende Zustand „entgegenkommenderweise akzeptiert“ werden könne, die von ihr im Gegenzug geforderte Reinigung ließ die Klägerin noch im gleichen Monat durchführen. Dass die Beklagte damit eine restlose Erfüllung der Ausbesserungspflicht zur Bedingung für den Fortbestand des Mietverhältnisses erheben würde, kann dieser Erklärung nicht entnommen werden. Angesichts dieser Umstände konnte das Vorliegen eines schwerwiegenden Auflösungsgrundes vom OGH nicht bejaht werden.

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