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Zum Umfang des § 364 Abs 3 ABGB – Auf Topfpflanzen anwendbar?
§ 364 Abs 3 ABGB dient nur der Abwehr von Immissionen ausgehend von mit dem Boden verwurzelten Bäumen und Pflanzen und ist somit nicht auf Immissionen ausgehend von Topfpflanzen anwendbar.
Geschäftszahl
OGH vom 24.02.2015, 10 Ob 58/14y
Norm
§ 364 Abs 3 ABGB
Leitsatz
Quintessenz:
§ 364 Abs 3 ABGB dient nur der Abwehr von Immissionen ausgehend von mit dem Boden verwurzelten Bäumen und Pflanzen. Einer Klage auf Unterlassung von Immissionen ausgehend von Topfpflanzen ist daher kein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren voranzustellen.
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die Unterlassung von Immissionen (Lichtentzug) ausgehend von vor den Fenstern der von ihr angemieteten Räumlichkeiten aufgestellten beweglichen Trögen und der darin eingesetzten Pflanzen, ohne sich dabei auf § 364 Abs 3 ABGB zu berufen. Der OGH hatte zu prüfen, ob sie inhaltlich einen Anspruch nach § 364 Abs 3 ABGB geltend macht, ob also der Klagssachverhalt dieser Bestimmung unterstellt werden kann. Dazu ist zu beurteilen, ob der in § 364 Abs 3 ABGB verwendete Begriff „Pflanzen“ auch nicht mit dem Boden verwurzelte, in Töpfen oder Trögen eingesetzte Pflanzen umfasst.
OGH: Gemäß Art III ZivRÄG von 2004 ist bei einem Nachbarschaftsstreit im Zusammenhang mit dem Entzug von Licht oder Luft durch fremde Bäume oder Pflanzen (§ 364 Abs 3 ABGB) Voraussetzung für die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs der Versuch einer außergerichtlichen Streitbeilegung im vorgenannten Sinn und das Verstreichen eines Zeitraums von 3 Monaten ab dem jeweils maßgebenden Zeitpunkt ohne gütliche Einigung (4 Ob 196/07p).
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Von besonderer Bedeutung ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund ausschlaggebend ist (RS0045584).
Bei seiner Auslegung des Begriffs „Pflanzen“ hält der OGH zunächst fest, dass § 364 Abs 3 ABGB zwar allgemein von Bäumen und sonstigen Pflanzen spricht und dem Wortlaut nach daher auch zB Topfpflanzen umfasst. Aus dem Gesetzeszweck ergebe sich allerdings, dass die Bestimmung nur auf mit dem Erdreich verwurzelte Pflanzen Anwendung finde.
Das Gesetz stellt ausschließlich auf Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft ausgehend von Bäumen und anderen Pflanzen ab (Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364 Rz 29). Es beinhaltet somit eine Abgrenzung gegenüber unbeweglichen Störelementen, die keiner natürlichen Wachstumsveränderung unterliegen (zB Gebäuden), und gegenüber allen beweglichen Objekten, jedenfalls soweit es sich nicht um Pflanzen handelt.
Allerdings sieht der OGH keine Grundlage dafür, verstellbare Pflanzen anders zu behandeln als etwa einen Paravent, einen künstlichen Sichtschutz oder sonst an der Liegenschaftsgrenze aufgestellte Objekte. Eine Differenzierung ausschließlich über den Begriff „Pflanze“ würde etwa dazu führen, dass ein jahreszeitlich bedingt leerer Pflanzentrog nicht § 364 Abs 3 ABGB unterliegt, ein begrünter dagegen schon.
Da Beeinträchtigungen von verwurzelte Pflanzen oft nur durch Eingriff in die Sache selbst (zB Rückschnitt) behoben werden können, bergen sie ein besonderes Konfliktpotential, dem der Gesetzgeber durch die Regelung des § 364 Abs 3 ABGB und das vorangehende außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren begegnen wollte.
Die Erläuternden Bemerkungen zur RV 173 BlgNR 22. GP zeigen für den OGH, dass der Gesetzgeber ganz offensichtlich von diesem eingeschränkten Verständnis des Begriffs „Pflanzen“ ausgegangen ist. Diese Auslegung wird auch durch den Verweis des § 364 Abs 3 ABGB auf die unberührt bleibenden Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutzbestimmungen, die sich im Allgemeinen auf mit dem Boden verwurzelte Pflanzen beziehen, bestätigt.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass § 364 Abs 3 ABGB nur der Abwehr von Immissionen ausgehend von mit dem Boden verwurzelten Bäumen und Pflanzen dient. Der Klage des hier zu behandelnden Falles kann daher nicht § 364 Abs 3 ABGB unterstellt werden, weshalb auch kein zwingend vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren durchzuführen ist.