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Zur Mietzinszahlungspflicht nach Aufhebung der Betretungsverbote wegen COVID-19
Gastautor Mag. Roman Reßler erläutert anhand einer aktuellen OGH-Entscheidung, ob ein Fitnessstudio nach Aufhebung des Betretungsverbots zur vollen Mietzinszahlung verpflichtet ist und ob ein Anspruch auf einen Fixkostenzuschuss besteht.
Für die Frage der Unbenutzbarkeit eines Geschäftslokales als Bestandgegenstand kommt es auf den vertraglich vereinbarten Geschäftszweck an. Wenn der Kundenbereich des gemieteten Geschäftslokals von Kunden aufgrund eines Betretungsverbotes nicht betreten werden darf, ist der Geschäftszweck nicht erfüllbar. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn durch gesetzliche oder behördliche Maßnahmen die Unbenutzbarkeit darauf zurückzuführen ist. Besondere Vorsicht ist bei einem vereinbarten Verzicht des Mieters auf das Mietzinsminderungsrecht nach § 1104 ABGB geboten. Die Gewährung von Fixkostenzuschüssen von öffentlicher Seite sind Zuwendungen, die nicht dazu gedacht sind, den gesetzlichen Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermieter wettzumachen.
Aktuelle OGH-Entscheidung – Sachverhalt
Der Entscheidung des OGH 5 Ob 192/21b vom 13.12.2021 lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im gegenständlichen Fall ist die Klägerin Eigentümerin und Bestandgeberin einer Liegenschaft, auf der sie ein Einkaufszentrum betreibt. Die beklagte Bestandnehmerin hat dort ein Geschäftslokal zum Betrieb eines Fitnessstudios gemietet. Im Bestandobjekt befinden sich Räume zur Abhaltung von Gruppenstunden und solche, wo Kunden auch allein an Fitnessgeräten trainieren können.
Als Geschäftszweck wurde das Betreiben eines Fitnessstudios inklusive Nebenleistungen, wie Massage, Kosmetik, Solarium, Sauna, Energiemessungen und Wellness sowie der Verkauf von Fitnessbekleidung und der Ausschank von alkoholfreien Getränken sowie kleinen Snacks vereinbart. Darüber hinaus wurde dem Bestandnehmer untersagt, sein Sortiment ausschließlich oder zum überwiegenden Teil über das Internet zu verkaufen, beziehungsweise als Ausgabestelle für über das Internet bestellte Waren zu nutzen. Im Bestandvertrag findet sich auch eine Klausel, wonach der Bestandnehmer auf die Mietzinsminderung oder Zurückhaltung des Bestandentgeltes aus den Gründen der §§ 1096 und 1104 ABGB verzichtet, sofern die Nutzung und Benutzbarkeit des Bestandobjektes nicht durch Umstände, die der Bestandgeber zumindest grob fahrlässig zu verantworten hat, wesentlich eingeschränkt wird oder dem Bestandnehmer hieraus ein erheblicher, nachweislicher Schaden entsteht.
Betretungsverbot aufgrund des Covid-19 Maßnahmengesetzes
Aufgrund des § 1 Covid-19 Maßnahmengesetzes (BGBl I 2020/12) wurden vorläufige Maßnahmen durch Verordnungen erlassen, welche für den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 30.04.2020 mit Ausnahme bestimmter Bereiche der Grundversorgung das Betreten des Kundenbereiches der Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie Freizeit- und Sportbetrieben untersagte. Erst aufgrund der darauf gefolgten Lockerungsverordnungen wurde ab 30.05.2020 das Betreten von Sport- und Freizeiteinrichtungen wieder für zulässig erklärt.
Die Bestandgeberin schrieb der Bestandnehmerin monatlich einen Mietzins in der Höhe von EUR 19.513,20 brutto als Bestandzins vor. Die Bestandnehmerin bezahlte den Zins für März 2020 zur Gänze und den Bestandzins für die Monate April und Mai 2020 bezahlte sie nicht. Das Geschäftslokal war vom 15.03.2020 bis einschließlich 29.05.2020 durchgehend geschlossen und ab 30.05.2020 wieder geöffnet. Die beklagte Bestandnehmerin beantragte für März bis Mai 2020 einen Fixkostenzuschuss und erhielt eine Zahlung in der Höhe von EUR 16.261,–. Die Klägerin begehrte das offene Bestandentgelt für April und Mai 2020 und begründete dies damit, dass Sie den gesamten Betrieb des Einkaufszentrums aufrechterhalten habe müssen.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ebenso auch das Berufungsgericht. Es erachtete jedoch die Revision für zulässig, weil zur Frage zu den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Geschäftsraummietverhältnisse noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung des OGH
In seiner rechtlichen Beurteilung stellte der OGH klar, dass es für die Frage der Unbenutzbarkeit eines Bestandgegenstandes auf die Erfüllung des vertraglichen Geschäftszwecks ankomme. Da der Kundenbereich des Geschäftslokales von Kunden im Fall eines Verbotes (Betretungsverbotes) nicht betreten werden darf, ist der bestimmungsgemäße Geschäftszweck nicht erfüllbar. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn die Unbenutzbarkeit auf hoheitliche (gesetzlich oder behördliche Maßnahmen) zurückzuführen ist. Ein Betretungsverbot anlässlich der Covid-19 Pandemie führt in der Regel zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts im Sinne des § 1104 ABGB. Für die Beurteilung der vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeit ist auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf das übrige geschäftliche Umfeld des Einkaufszentrums abzustellen. Der Umstand, dass einzelne Geschäftslokale, wie Lebensmittelhandel oder Apotheken während des Lockdowns betreten werden durften, ändert nichts an der Unbenutzbarkeit des Fitnessstudios.
Im gegenständlichen Fall war noch dazu die Bestandnehmerin zu einer Änderung des Geschäftszweckes (Onlinevertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln oder Fitnessbekleidung) überhaupt nicht berechtigt. Zum Verzicht des Bestandnehmers auf den Entfall oder die Minderung des Mietzinses hielt das Höchstgericht fest, dass es sich dabei grundsätzlich um dispositives Recht handelt. Dies bedeutet, dass die gesetzliche Regelung über den Entfall oder die Minderung des Mietzinses von den Vertragsparteien grundsätzlich abbedungen werden kann.
Grundsätzlich ist bei der Auslegung von Verträgen entsprechend § 914 ABGB vom Wortlaut des schriftlichen Vertragstextes auszugehen und der Wille der Parteien zu erforschen. Ist dies nicht der Fall, so ist ein Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.
Verzicht des Mieters auf das Mietzinsminderungsrecht
Hinsichtlich des Verzichtes des Mieters auf das Mietzinsminderungsrecht oder -entfall geht es im gegenständlichen Fall um eine wesentliche Einschränkung der Nutzung durch Umstände, die der Bestandgeber zumindest grob fahrlässig zu verantworten hat. Andererseits bezieht sich ein Ausnahmefall darauf, dass dem Bestandnehmer hieraus ein erheblicher, nachweislicher Nachteil entsteht. Da diese beiden Ausnahmefälle mit dem Wort „oder“ verknüpft sind, spricht der Wortlaut des Verzichtes auf zwei gesondert nebeneinanderstehende Ausnahmefälle. Nach logischem und systematischem Verständnis bezieht sich das Wort hieraus auf den Grundausnahmetatbestand, nämlich der wesentlichen Einschränkung der Nutzung und nicht auf die grob fahrlässig zu verantwortenden Umständen. Bei einer derartigen Interpretation hätte die zweite Ausnahme keinen Anwendungsbereich, weil die grob fahrlässige Herbeiführung der wesentlichen Nutzungseinschränkungen nach der ersten Ausnahme bereits ausreichen würde und ein erheblicher Nachteil daraus gar nicht erforderlich wäre. Die grob fahrlässige Herbeiführung und der erhebliche Nachteil würden dann nicht in einem Alternativverhältnis stehen. Damit ist der vertragliche Verzicht rechtsunwirksam.
Gewährung des Fixkostenzuschusses
Hinsichtlich der Gewährung des Fixkostenzuschusses hielt das Höchstgericht fest, dass die gewährten Zuschüsse zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen dienen. Darüber hinaus müssen Unternehmen zumutbare Maßnahmen gesetzt haben, um die durch den Fixkostenzuschuss zu deckenden Fixkosten zu reduzieren (Schadensminderungspflicht von Unternehmen). Die Verordnung einschließlich der Richtlinien statuiert jedoch für diesen Fall keine Verpflichtung für den Bestandnehmer die staatlichen Unterstützungen an den Bestandgeber herauszugeben.
Somit handelt es sich nach Ansicht des Höchstgerichtes nicht um eine Zuwendung, die dazu gedacht ist, den gesetzlichen Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermieter wettzumachen. Dies führte im Ergebnis dazu, dass das Klagsbegehren des Bestandgebers nur insoweit berechtigt war, als es den Zeitraum 30. bis 31. Mai 2020 betraf und der Mieter anteilig für diesen Zeitraum den Bestandzins zu zahlen hatte. Im Übrigen wurde jedoch das Klagsbegehren der Klägerin als unberechtigt erachtet und abgewiesen.
Fazit
Bei der Beurteilung von Mietzinsminderungsansprüchen von Geschäftsraummietern sind immer die Umstände des Einzelfalles maßgebend. Dabei kommt es auf den vereinbarten vertraglichen Nutzungszweck an. Bei Betretungsverboten führt dies in letzter Konsequenz zum Bestandzinsentfall. Hätte die Bestandnehmerin den Bestandgegenstand auch zum Onlineverkauf oder als Online-Abholstelle für Sport-, Fitnessbekleidung oder Fitnessnahrung verwenden können, so wäre meines Erachtens zumindest eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit gegeben.
Autor
Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.
Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.