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Corona und kein Ende in Sicht: Geschäftsraummiete & Mietzinsminderung
Nach dem inzwischen 4. Lockdown, zahlreichen Diskussionen und zwischenzeitig ergangenen Erkenntnissen, haben wir nun – zumindest in ein paar Punkten – ein wenig Klarheit bekommen. Dr. Andrea Weisert erläutert das Thema anhand aktueller Judikatur.
COVID-19 ist eine Seuche iS § 1104 ABGB
Feststeht, dass die Covid-Pandemie als Seuche im Sinne des § 1104 ABGB angesehen wird, was dementsprechende Rechtsfolgen auslösen kann. „Kann“ deswegen, weil diese Bestimmung explizit in Mietverträgen ausgenommen werden kann und in manchen auch tatsächlich wurde.
Mietzins kann gemindert werden, Höhe fraglich
§ 1104 ABGB enthält eine so genannte Gefahrtragungsregel, die auf die Unbenützbarkeit des Objektes zum bedungenen Gebrauch abstellt.
Wenn bei Vorliegen von außerordentlichen Zufällen (wie zum Beispiel Feuer, Krieg und Seuche) das Mietobjekt nicht benützt werden kann, ist kein Mietzins zu entrichten. Freilich kann – wie schon erwähnt - diese Bestimmung im Mietvertrag abbedungen werden, von dieser Möglichkeit wurde aber in den letzten Jahrzehnten kaum Gebrauch gemacht, sodass sich nach den diversen Lockdowns und Betretungsverboten die Frage – vor allem bei Geschäftsraummieten – gestellt hat, ob die Mieter die Miete mindern können oder nicht.
Mietzinsminderung: Was gilt für Geschäftsraummieter?
Vor allem betrifft die Frage Geschäftsraummieter, die aufgrund der diversen Betretungsverbote im Lockdown, ihre Geschäftsräumlichkeiten nicht nutzen konnten, sohin keinen vertraglich vereinbarten Gebrauch von ihren jeweils angemieteten Objekten machen konnten.
Die Grundlage für die Verordnungen, mit denen Betretungsverbote erlassen wurden, ist das Covid-19-Maßnahmegesetz. Das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben wurde (während der Lockdowns) untersagt. Es waren aber auch konkrete Ausnahmen vorgesehen.
Die Mietzinsminderung tritt, wie bei § 1096 ABGB, bei § 1104 ABGB und § 1105 ABGB bei teilweiser Unbrauchbarkeit nur verhältnismäßig ein. Die Verhältnismäßigkeit der Mietzinsminderung wird prinzipiell im Streitfall nach den Grundsätzen des § 273 ZPO vom Richter ausgemittelt; bei Geschäftslokalen wird eine relative Berechnungsmethode (aus dem Gewährleistungsrecht abgeleitet) angewandt, das heißt, es wird das Entgelt/der Preis einer Sache ohne Mangel, dem Preis der Sache mit Mangel gegenübergestellt.
Die Frage, die sich stellt, ist, ob aufgrund des Betretungsverbotes für manchen Branchen ein genereller Mietzinsentfall die Folge ist oder ob man nur eine teilweise Unbenützbarkeit anzunehmen hat. D.h. ob man zu 100 % Miete mindern darf, wenn man das Objekt nicht in bedungener Weise nützen kann.
Aktuelle Entscheidung zur Mietzinsminderung bei Betretungsverbot und Abhol- und Lieferservice
Doch auch eine gänzliche Unbenützbarkeit aufgrund eines Betretungsverbotes muss nicht unbedingt zu einem gänzlichen Mietzinsentfall führen, wie unlängst die Entscheidung des OGH vom 25.01.2022, 8 Ob 131/21d zeigt.
Sachverhalt
Im gegenständlichen Fall ging es um ein Restaurant, das aufgrund des Betretungsverbotes und der Covid-19-Maßnahmen nicht so benutzt werden konnte, wie dies vorgesehen war, nämlich als Gastronomiebetrieb.
In der Gastronomie wurden jedoch durch die Covid-19-Verordnungen, Ausnahmen festgelegt, nämlich insbesondere, dass die Abholung und Auslieferung von Speisen (Gassenverkauf) und auch der Lieferservice, erlaubt waren.
Gegenständlich wurde im Mietvertrag des Restaurantbesitzers als Geschäftszweck der Betrieb einer Gastwirtschaft angeführt. Ein Lieferservice oder ein Gassenverkauf (Take away) waren nicht im Mietvertrag als Nutzungsmöglichkeit genannt, laut Vorbringen des Mieters wurde auch einer Verwendung in dieser Art erst im Nachhinein zugestimmt.
Die beiden ersten Instanzen wiesen die Klage auf Mietzinszahlung des Vermieters ab und verwiesen auf § 1104 ABGB und das Vorliegen des außerordentlichen Zufalles (Pandemie). Der Mieter sei angesichts des erlassenen Betretungsverbotes, berechtigt, die Miete zur Gänze zu mindern. Eine Bestandsache muss eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt.
Dagegen erhob der Vermieter Revision an den OGH – durchaus mit Erfolg:
Entscheidung des OGH
Der OGH bestätigte zunächst, dass wenn der bedungene Gebrauch des Bestandobjektes durch Kundenverkehr gekennzeichnet ist, ein Betretungsverbot zur gänzlichen Unbenützbarkeit führen würde, wäre aber die charakteristische Nutzung nur eingeschränkt, käme es zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung; beschäftigte sich aber letztendlich auch mit der Frage, ob eine abstrakte Nutzungsmöglichkeit zu beachten wäre und zu einer bloß anteiligen Mietzinsminderung führen würde.
Objektiv ist ein Restaurant, durch das öffentlich-rechtliche Verbot einer Konsumation in den Betriebsräumlichkeiten zwar weitgehend, aber durch die zugleich öffentlich-rechtlich bestehende Erlaubnis des Anbietens eines Liefer- oder Abholservice, noch nicht vollkommen unbrauchbar.
Abstrakte Nutzung
Die Unbrauchbarkeit bzw die Unbenützbarkeit des Bestandobjektes wäre – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabes zu beurteilen. Wenn daher die objektiv bestehende Möglichkeit eines Mieters vorliegt, (betrifft Gastronomiebetriebe) zB einen Liefer- oder Abholservice anzubieten, wird eine zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokales begründet und steht einer vollständigen Mietzinsbefreiung entgegen.
Laut Herrn Dr. Pesek, dessen Meinung zu diesem Thema, der OGH gefolgt ist, kommt es auch nicht darauf an, ob ein Mieter von dieser objektiv bestehenden Möglichkeit tatsächlich (erlaubterweise) Gebrauch macht, da es in der Sphäre eines Unternehmers liege, seinen Betrieb auf geänderte Umstände anzupassen. Es sei daher rechtlich irrelevant, ob ein Gastwirt vor der Pandemie bereits ein Abhol-/Lieferservice angeboten hätte oder nicht. Es kommt darauf an, ob es möglich gewesen wäre, dh auch dass in einem Mietvertrag kein explizites Verbot enthalten sein dürfte.
Zumutbarkeit, ein Kriterium?
Der OGH führte noch aus, dass eine (eingewandte) Unzumutbarkeit einer solchen „Geschäftsanpassung“ geprüft werden müsste.
Gegenständlich hat der Mieter vorgebracht, dass ihm ein Gassenbetrieb unzumutbar ist, insbesondere, weil er keinen Kundenkreis hat, der sich für dieses Anbot interessieren würde und sohin ein Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre, hätte er einen Gassenverkauf oder einen Lieferservice angeboten.
Da in den Vorinstanzen dieser Frage nicht nachgegangen wurde, weil man davon ausging, dass einem Gastronomen nicht vorgeschrieben werden kann, Alternativgeschäfte anzubieten, wurde die Angelegenheit wieder an die erste Instanz zur Feststellung dieser Umstände (eventuelles Verlustgeschäft, Kundennachfrage, etc.) zurückverwiesen.
Fazit zur OGH-Entscheidung
Zusammenfassend ist daher – bei Gastronomiebetrieben nun konkret – davon auszugehen, dass die bloße Möglichkeit des Anbietens eines Liefer- und Abholservice einer vollständigen Mietzinsbefreiung entgegensteht, sohin dass jedenfalls eine abstrakte Nutzungsmöglichkeit zu einer zumindest teilweisen Brauchbarkeit des Bestandobjektes und damit zu einer bloß anteiligen Mietzinsminderung führt.
Ob sich diese Grundsätze, die sich aus der Lehre entwickelt haben und die der OGH aufgegriffen hat, auch für andere Branchen durchsetzen, bleibt abzuwarten. Viele Geschäftsleute haben ohnehin nicht die gesamte Miete gemindert, wenn sie einen Teil des Mietobjektes in irgendeiner Weise nutzen konnten (Lager).
Branchen, die vor allem durch das Betretungsverbot betroffen waren, wie Friseure, Masseure, Gastronomiebetriebe, usw. sind meiner Ansicht nach unterschiedlich zu behandeln. Es wäre branchenmäßig zu prüfen, ob eine objektive Nutzung aufgrund von Ausnahmebestimmung der öffentlich-rechtlichen Verordnungen und Gesetzen möglich gewesen wäre, um beurteilen zu können, ob eine gänzliche Mietzinsbefreiung gerechtfertigt war.
Ob freilich einem Friseur, der zB Onlinekurse für diverse Haarpflege etc. anbietet, eine teilweise Nutzung seines Objektes unterstellt werden kann, bleibt fraglich, da er Onlinekurse auch zuhause abhalten könnte und nicht unbedingt sein Geschäftslokal dafür verwendet. Ob man diesem dann eine abstrakte Nutzung seines Geschäftslokales „anlasten“ kann, wird vielleicht auch noch Thema werden. Meiner Ansicht nach kann daher nicht jegliche mögliche Nutzung dazu führen, eine objektive Nutzbarkeit zu argumentieren und daraus den Schluss zu ziehen, das Objekt wäre nur teilweise unbenützbar gewesen.
Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass eine komplette Mietzinsminderung während des Lockdowns für Geschäftsleute, die unmittelbar von Betretungs- oder Ausübungsverboten betroffen waren, möglich ist, Vermieter aber Einwände von möglichen abstrakten Nutzungen haben.
Fixkostenzuschuss, staatliche Hilfen, Herausgabepflicht?
In diesem Zusammenhang stellt sich auch immer wieder die Frage, ob die erhaltenen Fixkostenzuschüsse in irgendeiner Weise maßgeblich dafür sind, ob jemand den Mietzins mindern darf oder nicht.
Der OGH hat sich in seiner Entscheidung vom 21.10.2021 (3 Ob 78/21y) mit dieser Frage auseinandergesetzt, nämlich ob der Bezug eines Fixkostenzuschusses (Corona-Förderungen) bzw eines Umsatzersatzes Auswirkungen auf eine Mietzinsminderung haben.
Die Unbenützbarkeit des Mietgegenstandes ist jedenfalls auf die Erfüllung des vertraglichen Geschäftszweckes abzustellen. Wenn der Kundenbereich eines gemieteten Geschäftslokales nicht von den Kunden betreten werden darf, kann der bestimmungsgemäße Geschäftszweck nicht erfüllt werden.
Der OGH führte aus, dass die Intention des Fixkostenzuschusses in der Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und der Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten vom Unternehmen im Zusammenhang mit Covid-19 und der dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen liegen würde. Eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme war und ist, dass das Unternehmen zumutbare Maßnahmen gesetzt haben muss, um die durch den Fixkostenzuschuss zu deckenden Fixkosten zu reduzieren. Der OGH sah keine Verpflichtung für den Mieter, die staatliche Unterstützung in Form des Fixkostenzuschusses an den Vermieter herauszugeben, das heißt, der Fixkostenzuschuss dient also nicht dazu, den gesetzlichen Mietzinsausfall des Vermieters wettzumachen. Ausgeführt wurde weiters, dass die Mieterin (im Entscheidungsfall ein Sonnenstudio) überdies ihrer Schadensminderungspflicht im Zusammenhang mit dem Fixkostenzuschuss gerade dadurch nachgekommen ist, dass sie die ihr zustehende Mietzinsminderung auch geltend gemacht hat.
Fazit
De facto sind auch Vermietern Coronaförderungen zugekommen, die einen Ausgleich für den Entfall der Miete schaffen sollten. Der Erhalt von staatlichen Hilfen während Corona ist für das Recht auf Mietzinsminderung unbeachtlich.
Autorin
Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.
Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online und ist Autorin von Loseblattwerken zum WEG und Zivilverfahrensrecht.