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Dokument-ID: 1025877

Eva-Maria Hintringer | News | 10.05.2019

Zum Vorliegen eines Gründerzeitviertels und der Zuerkennung eines Lagezuschlags

Das relevante Gebiet, für das die in § 2 Abs 3 RichtWG genannten Kriterien zu prüfen sind, umfasst nicht einen ganzen Bezirk oder Stadtteil, sondern mehrere Wohnblöcke oder Straßenzüge mit einer gleichartigen Gebäudecharakteristik.

Geschäftszahl

OGH 20.02.2019, 5 Ob 198/18f

Norm

§ 16 MRG; § 2 Abs 3 RichtWG

Leitsatz

Quintessenz:

Liegt ein Haus innerhalb eines Gebiets mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der zwischen 1870 und 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen aufwies, gilt die Lage nach § 2 Abs 3 RichtWG höchstens als durchschnittlich. Der Beweis, dass das relevante Gebiet kein Gründerzeitviertel mehr darstellt, ist zulässig. Diesfalls ist dennoch nicht ohne Prüfung von der Überdurchschnittlichkeit der Lage auszugehen.

OGH: Die Lage (Wohnumgebung) des Hauses zählt zu jenen in § 16 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG taxativ aufgezählten Umständen, die zu Zuschlägen oder Abstrichen vom Richtwert führen können. Ein Lagezuschlag iSd § 16 Abs 2 Z 3 MRG ist dann zulässig, wenn die Lage der Wohnung besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 16 Abs 4 MRG).

Die „durchschnittliche Lage“ ist nach § 2 Abs 3 RichtWG nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen der Ausstattungskategorie D aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist. Ein solcher Gebäudebestand, der nach der Rechtsprechung als „Gründerzeitviertel“ bezeichnet wird, liegt vor, wenn die Lage des fraglichen Hauses noch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung zu mehr als 50 % aus Gebäuden besteht, die die genannten Merkmale aufweisen. Die Lage innerhalb eines Gründerzeitviertels verhindert somit zwingend die Zuerkennung eines Lagezuschlags.

Das relevante Gebiet, für das die in § 2 Abs 3 RichtWG genannten Kriterien zu prüfen sind, umfasst nach den Materialien zum 3. Wohnrechtsänderungsgesetz (AB 1268 BlgNR 18. GP 19) nicht einen ganzen Bezirk oder Stadtteil. Der Beurteilung zugrunde liegen mehrere Wohnblöcke oder Straßenzüge mit einer gleichartigen Gebäudecharakteristik. Die Frage der räumlichen Ausdehnung dieses relevanten Gebiets und der Möglichkeiten seiner Ermittlung im konkreten Einzelfall ist im Schrifttum strittig. Für die Ermittlung der konkreten Lage in einem Gründerzeitviertel wird in der Praxis das vom Magistrat der Stadt Wien erstellte Verzeichnis sämtlicher Gründerzeitviertel herangezogen. Der (Gegen-)Beweis, dass eine Liegenschaft ungeachtet des veröffentlichten Plans oder des Straßenverzeichnisses doch nicht oder aufgrund von die Altbauten ersetzenden Neubauten nicht mehr in einem Gründerzeitviertel liegt, ist aber nach stRsp zulässig.

Schon grundsätzlich lässt sich aus § 2 Abs 3 RichtWG nach stRsp nicht der Schluss ziehen, dass jegliche Lage außerhalb eines solchen Gründerzeitviertels bereits überdurchschnittlich sei. Das gilt auch für die Fälle der „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“, bei denen daher entsprechend zu prüfen ist, ob das „Nicht-(mehr-)Gründerzeitviertel“ eine überdurchschnittliche Lage aufweist und ein Lagezuschlag berücksichtigt werden kann.