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Roman Reßler | News | 06.07.2022

COVID-19: Anspruch auf Mietzinsminderung – Rechtsanwaltskanzlei vs. Bäckerei-Cafe

Mag. Roman Reßler erläutert zwei aktuelle OGH-Entscheidungen zur Frage, ob Anspruch auf Mietzinsminderung aufgrund von COVID-19 bei Vermietung an eine Rechtsanwaltskanzlei und Betrieb eines Bäckerei-Cafés in einem Fachmarktzentrum besteht.

OGH-Entscheidung: Mietzinsminderung bei Rechtsanwaltskanzlei

In einer jüngst ergangenen Entscheidung des OGH vom 29.04.2022, 7 Ob 207/21y hatte sich dieser mit Mietzinsminderungsansprüchen einer auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei für den Zeitraum Mitte März bis Mai 2020 in der Höhe von 80 % des Mietzinses auseinander zu setzen.

Im vorliegenden Fall konnte und durfte das Bestandobjekt mangels eines Betretungsverbotes vertragsgemäß als Rechtsanwaltskanzlei genutzt werden, jedoch wurden die von der Kanzlei angebotenen Dienstleistungen um rund 80 % weniger nachgefragt und mit den Mitarbeitern durch unternehmerische Entscheidung eine Kurzarbeitsvereinbarung? getroffen.

OGH zur objektiven (vollständigen oder teilweisen) Unbenutzbarkeit

In seiner rechtlichen Begründung hielt das Höchstgericht fest, dass es für die Frage der (teilweisen) Unbenutzbarkeit im Sinne der §§ 1104, 1105 ABGB auf eine pandemiebedingte, gemessen am Vertragszweck objektive (vollständige oder teilweise) Unbenutzbarkeit ankommt. Wird der Gebrauch des Bestandgegenstandes nicht wegen dessen Beschädigung, sondern aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernis oder Unglücksfall vereitelt, so fällt dies dem Bestandnehmer (Mieter) zur Last (§ 1107 ABGB).

Im vorliegenden Fall durfte das Bestandobjekt vertragsgemäß als Rechtsanwaltskanzlei genutzt werden. Daran ändert auch eine eingeschränkte, aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung des Geschäftsführers (Mieters) vorgenommene Nutzung nichts, wenn dies nicht durch pandemiebedingte behördliche Maßnahmen (Anordnungen) erfolgt ist, weshalb im gegenständlichen Fall kein Anspruch auf Mietzinsminderung bestand.

OGH-Entscheidung: Mietzinsminderung bei Bäckerei-Café

Anders verhielt es sich im Falle der Mietzinsminderung bei Vermietung einer Geschäftsräumlichkeit als Bäckerei-Café. In der Entscheidung des OGH vom 19. Mai 2022, 3 Ob 36/22y wurde ein Bäckerei-Café in einem Fachmarktzentrum überwiegend zu Kaffeehauszwecken und untergeordnet zum Verkauf von Backwaren vermietet. Als Grundlage des §1 COVID 19 Maßnahmengesetzes wurde durch mehrere Verordnungen das Betreten von Gastronomielokalen vom 16. März bis 14. Mai 2020 und vom 3. November 2020 bis 19. Mai 2021 untersagt. Das Betreten von Betriebsstätten des Lebensmittelhandels und damit Bäckereien war jedoch erlaubt. Dennoch schloss die Geschäftsraummieterin das Geschäftslokal vom 17. März bis 14. Mai 2020 zur Gänze. In der Folge wurde die Filiale ebenfalls vom 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 geschlossen und die Mieterin zahlte für diesen Zeitraum keinen Zins.

OGH zu Betretungsverbot und Unbenützbarkeit

In seiner rechtlichen Begründung stellte der OGH wie schon in den bisherigen Entscheidungen zur Mietzinsminderung wegen COVID-19 klar, dass die COVID-19-Pandemie einen außerordentlichen Zufall gemäß 1104 f ABGB darstellt und ein Betretungsverbot zur gänzlichen Unbenützbarkeit des Bestandobjektes führt (1104 ABGB). Die Frage, ob (teilweise) Unbenützbarkeit vorliegt, ist nach dem vereinbarten Vertragszweck zu beurteilen. Im gegenständlichen Fall ging es den Vertragsparteien primär um den Betrieb eines Kaffeehauses, weil eine ausschließlich oder überwiegend auf den Verkauf von Backwaren ausgerichtete Geschäftstätigkeit aufgrund des des Standortes im Gewerbebetrieb wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre. Auch die Möglichkeit kurzfristig ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, wäre im vorliegendem Fall wegen der Lage des Objekts in einem Fachmarktzentrum nicht möglich gewesen, weil es für potenzielle Käufer von Backwaren keinen Anlass gab, nicht in der Nähe ihres Wohnortes diese Backwaren zu beziehen und sich somit ein Lieferservice für unwirtschaftlich erwiesen hätte.

Fazit 

Für die Frage des Ausmaßes einer Mietzinsminderung wegen der COVID-19-Pandemie kommt es neben den vereinbarten Geschäftszweck auch auf die Umstände des Einzelfalles an. Selbst bei geschäftlichen Tätigkeiten, die an sich nicht vom Betretungsverbot umfasst sind, kann sich aufgrund der räumlichen Situierung des Bestandobjektes in einem Fachmarktzentrum ein nicht unerheblicher Mietzinsreduktionsanspruch der Mietpartei ergeben.

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.