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Dokument-ID: 009591

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 61/09w; OGH; 12. Mai 2009

GZ: 5 Ob 61/09w | Gericht: OGH vom 12.05.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann–Prentner als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin R***** GmbH & Co OEG, *****, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegner 1. Dr. Hilde R*****, 2. Dr. Gerhard R*****, 3. Dr. Hella R*****, alle vertreten durch Dr. Helmut Klement, Dr. Annemarie Stipanitz–Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wegen § 37 Abs 1 Z 5 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. Februar 2009, GZ 3 R 156/08w–22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Die Erstantragsgegnerin und – wie im gegenständlichen Verfahren aufgrund der nie in Zweifel gezogenen Sachlegitimation zu unterstellen ist – auch die übrigen Antragsgegner sind Mieter einer 224 m² großen Wohnung im Hochparterre einer Villa, die von einer Gartenfläche im Ausmaß von 5.714 m² umgeben ist. Ihnen stehen Mitbenützungsrechte am Garten zu.

Die Antragstellerin beabsichtigt die Errichtung eines Neubaus auf dem hinter der Villa gelegenen nördlichen Grundstücksteil als zweigeschossigen Baukörper mit elf Wohneinheiten in exklusiver Ausführung samt einer Zufahrt am unteren Ende des Grundstücks durch eine eingehauste und begrünte Tiefgaragenrampe. Der umgebaute Grundstücksbereich soll begrünt und als parkähnlicher Garten gestaltet werden. Ein Bescheid über die Festlegung der Bebauungsgrundlagen liegt bereits vor. Die Antragstellerin beabsichtigt, um die Villa eine Gartenfläche im Ausmaß von etwa 1.600 m² abzugrenzen, die ausschließlich den Bewohnern der Villa zur Verfügung stehen soll.

Beide Vorinstanzen haben das auf § 8 Abs 2 MRG bzw § 18c Abs 2 MRG gegründete Begehren, die Antragsgegner zur Duldung dieser Baumaßnahmen zu verpflichten, abgewiesen.

Einer Duldungsverpflichtung nach § 8 Abs 2 Z 2 MRG stehe wesentlich entgegen, dass mit den geplanten Veränderungen eine dauernde Einschränkung des Gartenmitbenützungsrechts der Antragsgegner auf ein Drittel der bisher zur Verfügung stehenden Fläche verbunden sei. Diese dauernde und erhebliche Beeinträchtigung des Mietrechts der Antragsgegner sei von diesen jedenfalls nicht zu dulden.

Aber auch § 18c MRG könne das Duldungsbegehren nicht rechtfertigen. Durch diese Bestimmung würden nur Auf-, Ein-, Um- oder Zubauten, durch die Bestandobjekte neu errichtet würden, betroffen. Die durch das 3. WÄG eingeführte Regelung habe nach den Gesetzesmaterialien ausschließlich die Schaffung neuen Wohnraums im Wege der wohnungspolitisch erwünschten „Nachverdichtung bestehender Gebäudesubstanz erleichtern wollen“ (vgl AB zu Art I Z 19 und Art II Z 19 des 3. WÄG, abgedruckt bei Würth/Zingher, Wohnrecht 94, 67 und 173). Die Neuerrichtung eines Gebäudes sei von diesen besonderen Duldungspflichten nicht erfasst. Die Vorinstanzen lehnten mangels erkennbarer planwidriger Lücke im Gesetz auch eine analoge Anwendung der in dieser Bestimmung enthaltenen Duldungspflicht auf anders gelagerte Sachverhalte ab.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob durch § 18c MRG nicht auch die Neuerrichtung von Gebäuden zur Schaffung von Wohnraum erfasst sei, wo doch in § 18c Abs 1 MRG auch die „Liegenschaft“ erwähnt sei und § 18c Abs 2 MRG demonstrativ auch „Grünanlagen“ einbeziehe.

Auch § 8 Abs 2 MRG rechtfertige das Duldungsbegehren, weil der Begriff „vorübergehend“ nur auf die Benützung, nicht aber auf die Veränderung, die notwendigerweise auch eine dauernde sein dürfe, bezogen werde (vgl 5 Ob 233/06k; 5 Ob 86/89; 5 Ob 26/89; RIS-Justiz RS 0069346). Nach der Judikatur könne es sogar zu Verkleinerungen eines Mietgegenstands kommen. Es stehe daher die dauernde Einschränkung des Gartenmitbenützungsrechts der Antragsgegner einem Duldungsbegehren nicht entgegen. Die Verkleinerung sei auch deshalb zumutbar, weil die Erstantragsgegnerin, eine alte Dame, die Wohnung allein bewohne.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts steht nämlich in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage und ergangener Rechtsprechung.

Der Begriff „anderer Mietgegenstand“ im Sinn des § 8 Abs 2 Z 2 MRG wird von der Rechtsprechung nicht so eng gesehen, dass darunter nur eine Wohnung oder ein Geschäftslokal fiele; auch Dachbodenausbauten, die Errichtung einer Tiefgarage, Baumaßnahmen an einem im Innenhof gelegenen Objekt oder der Ausbau eines bisher unbenützten Hofgebäudes zu Büro– und Wohnzwecken wurden bisher darunter subsumiert (vgl RIS–Justiz RS 0069510; zuletzt 5 Ob 257/08t).

Auch der Umstand, dass es nicht um in alleinige Benützungsrechte fallende Liegenschaftsteile geht, steht der Anwendung des § 8 MRG nicht entgegen (vgl 8 Ob 40/07a: allen Mietern zugängliche Waschküche; 5 Ob 109/90: Mitbenützungsrecht an zu verbauender Fläche; 5 Ob 74/90: Mitbenützung eines Dachbodens ua).

Dass der Begriff „vorübergehend“ sich nur auf die Benützung bezieht, Veränderungen eines Mietgegenstands aber unter den in § 8 Abs 2 Z 1 und 2 MRG genannten Voraussetzungen auch dauernd sein können, entspricht ständiger Rechtsprechung. Auch eine Verkleinerung von Mietobjekten oder Ersatzflächen (5 Ob 26/89 = MietSlg 41.208/20; 5 Ob 109/90 = MietSlg 43.157/9; RIS–Justiz RS 0042771) wurde im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung als nicht grundsätzlich unzulässig angesehen (vgl RIS–Justiz RS 0042771).

Entscheidend ist, dass dem Mieter ein Eingriff in seine Rechtsposition nach § 8 Abs 2 Z 2 letzter Satz MRG insbesondere dann zuzumuten ist, wenn die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat. Das erlaubt den Rückschluss, dass der Mieter eine wesentliche und zugleich dauernde Beeinträchtigung seines Mietrechts in der Regel nicht hinzunehmen hat.

Mit der Beurteilung, dass die hier angestrebte Veränderung nicht nur eine dauernde, sondern – weil sie eine Verkleinerung der in Rede stehenden Gartenfläche um 2/3 bewirkt – auch eine wesentliche ist und daher eine Duldungspflicht nicht besteht, hat das Rekursgericht jedenfalls den ihm in dieser Frage zustehenden Wertungsspielraum nicht verlassen, sodass keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (vgl RIS–Justiz RS 0042771).

Die in § 8 Abs 3 MRG vorgesehene Entschädigung des Mieters betrifft nur den Ersatz für eine Beeinträchtigung während der Durchführung der Erhaltungs–, Verbesserungs–, Änderungs– und Errichtungsarbeiten, die ein Mieter zuzulassen hat. Sie setzt somit die Bejahung einer Duldungspflicht voraus, kann aber eine solche nicht begründen (vgl RIS–Justiz RS 0069538).

Lediglich § 18c Abs 2 MRG sieht eine Duldungsverpflichtung auch dann vor, wenn einem Mieter weder gleichwertige Benützungsrechte noch die sonstige Möglichkeit zur gleichwertigen Befriedigung seiner Interessen eingeräumt werden kann, jedoch der Verlust des Benützungsrechts unter Berücksichtigung der bisherigen Ausübung abgegolten wird (vgl 5 Ob 2426/96t = SZ 70/3). Eine entsprechende Bestimmung ist in § 8 Abs 2 MRG nicht enthalten.

Zur Anspruchsgrundlage des § 18c Abs 2 MRG:

Der Revisionsrekurswerberin ist zuzugestehen, dass das gesetzgeberische Ziel, eine „Nachverdichtung“ bestehender Altsubstanz zu ermöglichen (vgl die oben zitierte RV) nicht wörtlich in die Bestimmung des § 18c MRG, der mit „Nachträgliche Neuerrichtung von Mietgegenständen“ überschrieben ist, eingeflossen ist. Durch die Verwendung des Begriffs „Ein–, Um–, Zu–, Aufbau“ wird das angestrebte Ziel aber verdeutlicht: Durch die Verwendung dieser Wortfolge wird dem in § 16 Abs 1 Z 2 MRG und früher in § 1 Abs 3 Z 1 MG verwendeten identen Begriff entsprochen (vgl dazu 5 Ob 54/91 = wobl 1992/93 [zust Würth]; 4 Ob 2273/96k; 7 Ob 343/97k = wobl 1998/185 = MietSlg 50.389/6; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, Rz 6 zu § 18c MRG ua).

In der Rechtsprechung wird stets auf die Unterschiedlichkeit der mit unterschiedlichen Rechtsfolgen versehenen Tatbestände der Neuerrichtung eines Gebäudes und der (bloßen) Neuschaffung von Bestandobjekten im Sinn des § 16 Abs 1 Z 2 MRG hingewiesen (vgl 7 Ob 343/97k; 5 Ob 19/03k; 5 Ob 214/04p ua).

Dem Rekursgericht ist also darin zuzustimmen, dass die Bestimmung des § 18c MRG schon nach ihrem Wortlaut und den darin verwendeten Rechtsbegriffen auf den Fall der Neuerrichtung eines Gebäudes auf einer Liegenschaft nicht anzuwenden ist.

Deshalb nützt es der Antragstellerin nichts, dass § 18c Abs 2 MRG eine Duldungspflicht für die Aufgabe von Mitbenützungsrechten an allgemeinen Teilen (vgl dazu Würth/Zingher/Kovanyi21 Rz 7 zu § 18c MRG unter Hinweis auf 6 Ob 2293/96s = wobl 1997/42 [Call] = SZ 70/6) vorsieht, die unter Abgeltung des Verlusts des Benützungsrechts erwirkt werden könnte.

Obwohl nach dem oben zitierten Bericht des Bautenausschusses zum 3. WÄG „§ 18c im engen inhaltlichen Zusammenhang mit § 8 Abs 2 MRG zu sehen ist, mit dem auch die erforderlichen Duldungspflichten verankert werden“, kommt doch nach Ansicht des erkennenden Senats schon nach der klaren Rechtslage eine Kombination beider Bestimmungen wegen ihrer unterschiedlichen Eingriffsqualität in Rechte eines Mieters nicht in Betracht: Die dem § 1098 ABGB entnommenen Grundsätze (vgl Würth zu 1 Ob 570/88 = wobl 1989/42) wurden in § 8 Abs 2 Z 2 MRG (nach dem Vorbild des § 15 WVG) für dessen Anwendungsbereich dahingehend präzisiert, dass dem Mieter ein Eingriff in seine Rechtsposition dann zuzumuten ist, wenn die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat. § 8 MRG hat den Eingriff in das Mietrecht am Bestandgegenstand unter ganz bestimmten engen Grenzen, die oben ausgeführt wurden, zum Gegenstand. § 18c MRG hingegen betrifft bloß Mitbenützungsrechte an allgemeinen Teilen. Nicht die einzelnen Mietern eingeräumten Sonderrechte an räumlich abgegrenzten, mitvermieteten Teilen (vgl dazu wobl 1997/42 [Call]; E. M. Hausmann aaO, Rz 16 zu § 18c MRG) sind Gegenstand dieser Eingriffsmöglichkeiten, sondern „typisch“ allgemeine Teile, an denen nicht ausschließliche Benützungsrechte bestehen (Letztere könnten nur durch Teilkündigung freigemacht werden [vgl zur gemeinsamen Dachbodenbenützung: 5 Ob 2426/96t]). Diese gegenüber dem Bestandgegenstand qualitativ untergeordneten bloßen Mitbenützungsrechte unterliegen hinsichtlich der Eingriffsmöglichkeit nicht den strengen Kriterien des § 8 Abs 2 MRG, sondern denen des § 18c Abs 2 MRG, welche Bestimmung sogar einen Verlust des Benützungsrechts vorsehen, der unter Berücksichtigung der bisherigen Ausübung abzugelten ist. Die angestrebte analoge Anwendung des § 18c Abs 2 MRG würde aber gerade eine solche Kombination ausdrücklich angeordneter unterschiedlicher Eingriffsmöglichkeiten bewirken und ist daher abzulehnen.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses, in dem Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht aufgezeigt wurden, zu führen.

Leitsätze

  • Der Umfang des Benützungsrechtes durch den Mieter

    Eine Kombination der Bestimmungen des § 8 Abs 2 MRG und § 18c MRG kommt schon wegen ihrer unterschiedlichen Eingriffsqualität in Rechte eines Mieters nicht in Betracht.
    Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 61/09w | OGH vom 12.05.2009 | Dokument-ID: 259511