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Dokument-ID: 1033069
Besitzstörung unter Ehegatten, eingetragenen Partnern und Lebensgefährten
- Besitzstörungsklagen sind auch zwischen Mitbesitzern und somit auch zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern und Lebensgefährten zulässig. Bei Mitbesitzern liegt eine Besitzstörung dann vor, wenn einer der Mitbesitzer dem anderen eigenmächtig die Sache entzieht und ihn dadurch von der Benutzung überhaupt ausschließt oder die bisherige Gebrauchsordnung erheblich stört (LGZ Wien EF 51.383, 63.010, 117.164 uva). Dies zeigt sich in der Regel daran, dass sich ein Mitbesitzer wie ein Alleinbesitzer verhält und die bisherigen Benützungsverhältnisse dadurch erheblich verändert. Zwischen Mitbesitzern kommt es also nicht darauf an, welche Gebrauchsrechte bestehen, sondern lediglich darauf, welche bindende Gebrauchsordnung zuletzt tatsächlich bestand. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (nicht einvernehmlichen) Veränderung des faktischen Zustands als Ausgangspunkt für die Qualifizierung von Eingriffen als Besitzstörungshandlungen ist daher die bisherige Ausübung des Mitbesitzes (1 Ob 213/07s; Gitschthaler/Höllwerth, § 339 ABGB [Beck]).
- Besitzstörung unter Ehegatten liegt vor, wenn die Gebrauchsordnung wesentlich gestört oder einer der Ehegatten vom anderen von der Benutzung einer Sache ausgeschlossen wird (EFSlg 29.312; EFSlg 66.182, EFSlg 68.932, EFSlg 75.253 ua). Nimmt bspw ein Ehegatte das gemeinsame Sparbuch eigenmächtig aus dem Banksafe, wird die zwischen den Ehegatten bestehende Gebrauchsordnung im Hinblick auf das Vorhandensein dieses Sparbuchs im gemeinsamen Safe wesentlich gestört und der andere Ehegatte vom Zugriff auf das gemeinsame Sparbuch ausgeschlossen, sodass eine Störung seines Mitbesitzes am Sparbuch vorliegt (LGZ Wien EF 93.270). Die Beiträge der Ehegatten zum Zustandekommen des Sparguthabens und die Frage seiner Zugehörigkeit zum Aufteilungsvermögen iSd § 81 EheG sind hingegen im Besitzstörungsverfahren unerheblich.
- Ehewohnung und Einrichtung:
- Den beiden Ehegatten steht nicht nur an der Ehewohnung Mitbesitz zu (EFSlg 48.480, EFSlg 75.242 ua), sondern auch an den in der ehelichen Wohnung befindlichen Hausrats- und Einrichtungsgegenständen, wobei der Frage, ob diese Gegenstände vor oder während der Ehe angeschafft wurden bzw in wessen Eigentum sie stehen, keine Bedeutung zukommt (MietSlg 27.035, EFSlg 40.964, EFSlg 45.927, EFSlg 66.180 ua), was grundsätzlich auch selbst dadurch keine Änderung erfahren würde, wenn man von einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zwischen den Ehegatten ausginge (EFSlg 56.874, EFSlg 63.020, EFSlg 75.258 ua).
- Mitbesitz der Ehegatten besteht auch an in der Ehewohnung befindlichen elektronischen Geräten (vgl EFSlg 45.928).
- Die Ansicht, dass keine Besitzstörung vorliege, wenn in einem Haushalt zwei oder mehrere gleichartige Geräte für die Ehegatten vorhanden sein, trifft nicht zu, weil ein Ehegatte an allen Gegenständen seinen Besitz ausüben kann (LGZ Wien EF 71.992).
- Besitzstörungen liegen auch dann vor, wenn ein Ehegatte bisher gemeinsam benutzte Gegenstände aus der Wohnung im Keller versteckt (LGZ Wien EF 54.104) oder sie in einem dem anderen Ehegatten zwar zugänglichen Schlafzimmerkasten verwahrt, ihn aber darüber nicht in Kenntnis setzt, sodass dieser davon ausgehen musste, dass der Ehegatte diese Sachen bei seinem Auszug aus der Wohnung mitgenommen hat (LGZ Wien EF 33.673).
- Die Mitnahme von ausschließlich durch gemeinsame Kinder benutzten Gegenständen ist nicht als Besitzstörung zu werten. Werden Sachen, die in der Ehewohnung bisher nur von den Kindern der Ehegatten benützt wurden, von dem einen Ehegatten aus der Wohnung gebracht, so liegt keine Entziehung eines Mitbesitzes des anderen Ehegatten vor, weil durch die Verbringung dieser Sachen keine beeinträchtigende Störung der Gebrauchsordnung gegeben ist (LGZ Wien EF 68.933).
- Durch Entfernung von Gegenständen aus der Ehewohnung kann ein Nachteil entstehen, da diese zuvor zur jederzeitigen Nutzung in der Ehewohnung zur Verfügung standen. Ein Nachteil iSd § 339 ABGB kann jedenfalls schon im Durchkreuzen des subjektiven Beliebens liegen (vgl MietSlg 47.010, ZVR 1997, 200).
- Nachdem Besitz bzw Mitbesitz an beweglichen Sachen durch die Benützung bzw Mitbenützung erworben wird, hat ein Ehegatte an in der Wohnung befindlichen Gegenständen, die er noch nie benützt hat, weder Besitz noch Mitbesitz. Durch die Wegnahme dieser Sachen durch den anderen Ehegatten kann daher eine bestehende Gebrauchsordnung zwischen den Ehegatten nicht gestört und eine Besitzstörungsklage nicht gerechtfertigt werden (LGZ Wien EF 78.339).
- Das Anbringen eines neuen Schlosses an der Wohnungstür (oder auch nur am Kellerabteil der Wohnung: LG Salzburg EF 93.271) durch einen Mitbesitzer, der dem anderen den Schlüssel dazu vorenthält, stellt eine Entziehungshandlung iS des § 339 ABGB dar, die nur dann nicht als eigenmächtig zu beurteilen ist, wenn ihr der andere Mitbesitzer zugestimmt bzw seinen Rechtsbesitz bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz über die Besitzstörungsklage freiwillig aufgegeben hat (zum Beispiel LGZ Wien EF 31.431, 117.165).
- Auch das nur fallweise Verschlossenhalten der Ehewohnung in der Absicht, dem Ehegatten den Besitz daran nach Gutdünken, wenn auch nur von Zeit zu Zeit, zu entziehen, erfüllt den Tatbestand der Besitzstörung. War die Absicht des einen Ehegatten (etwa durch Versperren der Eingangstür von innen und Steckenlassen des Schlüssels) darauf ausgerichtet, dem anderen den Besitz an der Wohnung zumindest zeitweise zu entziehen, wurde es diesem dadurch unmöglich gemacht, die Wohnung, wann immer er wollte, zu betreten, sodass dadurch in seinen (Mit)Besitz eingegriffen wurde (LGZ Wien EF 33.672 = Miet 31.018).
- Die Wegweisung eines Ehegatten aus der Wohnung mit einer einstweiligen Verfügung gem § 382b Abs 1 EO als Instrument der einstweiligen Konfliktregelung berechtigt den verbliebenen Ehegatten nicht zum Austausch der Türschlösser. Da eine Besitzaufgabe im Zweifel nicht zu vermuten ist und das Verlassen der Wohnung unter diesen Umständen nicht freiwillig erfolgte, kann aus dem Auszug nicht die Schaffung einer neuen Gebrauchsordnung abgeleitet werden. Der Mitbesitz erlischt somit nicht durch Wegweisung. Daher liegt eine Besitzstörung vor, wenn der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte in einem solchen Fall die Türschlösser austauschen ließ und dem Weggewiesenen keinen Schlüssel aushändigte (LGZ Wien EF 33.675).
- Pkw: Die Wegnahme eines Pkw stellt eine Entziehung des typischen Gebrauches dar und begründet hierdurch jedenfalls einen im Durchkreuzen des subjektiven Beliebens des bisherigen Besitzers gelegenen Nachteil, weil dieser jederzeit mit dem Fahrzeug fahren hätte können (vgl EFSlg 84.280).
- Die Wegnahme des Fahrzeuges durch den Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten stellt eine Entziehung des typischen Gebrauchs und damit einen Nachteil dar, wie er eine Voraussetzung für die Qualifizierung als Besitzstörungshandlung bildet. Der Umstand, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur Zahlung der vom Konto des anderen abgebuchten Versicherungsprämien im Innenverhältnis nicht nachkommt, rechtfertigt nicht die Wegnahme des Fahrzeuges (LGZ Wien EF 94.289). Durch solches Verhalten hat der Beklagte den Rechtsbesitz des Klägers am Pkw eigenmächtig gestört.
- Telefonanschluss: Die Benützungsmöglichkeit eines Telefons in der gemeinsamen Wohnung stellt die Ausübung eines besitzfähigen Rechts durch beide Mitbesitzer dar, wobei Eingriffe in die bestehende Gebrauchsordnung Besitzstörungshandlungen sind. Wer gegenüber der Fernmeldebehörde Vertragspartner ist und somit als Fernsprechteilnehmer aufscheint, ist für eine Besitzstörung unerheblich. Der Einwand, wonach der Kläger die Kosten des Telefonanschlusses getragen hätte, ist im Besitzstörungsverfahren ebenfalls unbeachtlich, weil die Verpflichtung zur Kostentragung im Innenverhältnis in diesem Prozess irrelevant ist (LGZ Wien EF 51.389, 109.042). Maßgeblich für das Vorliegen einer Besitzstörung ist in diesem Zusammenhang, dass der Ehegatte insofern im (Mit)Besitz des Telefonanschlusses war, als er dort – unabhängig von der Frage, wer Anschlussinhaber ist – unter der konkreten Telefonnummer (LGZ Wien EF 89.918) Telefonate tätigen und entgegennehmen konnte, und dass ihm das Telefonieren in der Wohnung in der Folge nicht mehr möglich war. Das Abmelden des bisher gemeinsam benutzten Telefons (LGZ Wien EF 111.023) bzw die Veranlassung der Aktivsperre des Telefons (LGZ Wien EF 111.023), die Verhinderung der Benutzung des Telefons durch dessen Entfernung (LGZ Wien EF 40.966f) oder das Anbringen eines Schlosses am Telefongerät (LGZ Wien EF 111.023) sind Besitzstörungen, die dazu führen, dass der beklagte Ehegatte den früheren Zustand durch Wiederanmeldung des Anschlusses bzw Zurückstellung des Geräts wiederherstellen muss. Besteht die bisherige Gebrauchsordnung darin, dass zwei Festnetzanschlüsse in der Ehewohnung verwendet werden, so wird durch die einseitige Anbringung einer Aktivsperre an einem dieser Anschlüsse eine Besitzstörung verwirklicht (LGZ Wien EF 96.864) (Ehe- und Partnerschaftsrecht, Kommentar, Gitschthaler-Höllwerth, zu § 339 ABGB, 4. [Beck]).
- Der Ehegatte, der das Telefon der Ehewohnung abmeldet, kann dem Begehren des anderen, festzustellen, dass dieser ihn im Besitz des Telefons gestört habe, und auszusprechen, dass er verpflichtet sei, sich künftig derartiger Störungen zu enthalten und den vorigen Zustand durch entsprechende Erklärung gegenüber der zuständigen Stelle wieder herzustellen, nicht mit Erfolg entgegnen, die Wiederherstellung sei nicht möglich, weil als Wiederherstellungsmaßnahme nur ein neuer Antrag auf Anschluss eines Telefonapparats gestellt werden könne. Im Besitzstörungsverfahren hat der Kläger nicht nur ein Interesse an der Wiederherstellung, sondern auch an der Feststellung der Störung und dem an den Beklagten gerichteten Verbot einer künftigen Störung (LGZ Wien EF 36.080).
- Die Zahlungspflicht für die Telefonkosten ist im Besitzstörungsverfahren bedeutungslos; dem Beklagten ist daher der Einwand stark ansteigender Telefonkosten regelmäßig verwehrt, wenn er auch die Möglichkeit hat, mittels Klage (oder bei besonders dringlichen Fällen mittels EV) vorzugehen (LGZ Wien EF 56.873, 107.997). Nur in Ausnahmefällen, in denen sogar eine EV zu spät käme, wird dem Ehegatten ein Selbsthilferecht eingeräumt. Eine solche Konstellation liegt etwa dann vor, wenn innerhalb kurzer Zeit (beispielsweise binnen 24 Stunden) infolge des Verhalten des Beklagten extrem hohe Telefongebühren anfallen und diese nicht einmal mit einer EV vor Eintritt des Schadens unterbunden werden können (LGZ Wien EF 63.018, 107.997); nicht hingegen dann, wenn der Beklagte entgegen der bisherigen Gebrauchsordnung einmal eine außergewöhnlich hohe Telefonrechnung verursacht hat (LGZ Wien EF 48.499 [ca EUR 140,–]).
- Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung: Das Ausziehen eines Ehegatten aus der gemeinsamen Wohnung kann eine Besitzaufgabe bedeuten, dies ist jedoch im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Im Zweifel ist eine Besitzaufgabe nicht zu vermuten LGZ Wien EF 123.569 uva), und zwar auch dann nicht, wenn ein Ehegatte freiwillig aus der Ehewohnung mit dem Willen auszieht, die Ehegemeinschaft endgültig aufzuheben (LGZ Wien 119.989). Vom Willen, das eheliche Zusammenleben zu beenden, ist somit nicht schon auf den Willen, auch den Besitz an der Ehewohnung aufzugeben, zu schließen. Der Mitbesitz an der Wohnung und an Hausratsgegenständen geht daher im Allgemeinen nicht verloren, wenn der Ehegatte die Wohnung infolge gewisser Umstände tatsächlich nicht mehr bewohnt, weil gem § 351 ABGB der bloße Nichtgebrauch eines Rechts noch nicht zum Besitzverlust führt (LGZ Wien EF 93.259).
- Eine schlüssige Besitzaufgabe liegt nur dann vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein Verhalten vernünftigerweise keine andere Deutung zulässt (LGZ Wien EF 123.569 uva) und die Willensbildung des Ehegatten eindeutig im Sinne einer Aufgabe des Besitzes zu werten ist. Durch die urlaubsbedingte Abwesenheit ist ein Verzicht auf Besitzrechte an der Ehewohnung und den darin befindlichen Gegenständen selbstverständlich nicht gegeben (LGZ Wien EF 96.861).
- Das Behalten des Wohnungsschlüssels spricht im Allgemeinen eindeutig gegen die Absicht der Besitzaufgabe (LGZ Wien EF 123.569 uva). Dies gilt auch dann, wenn ein endgültiger Auszug erfolgt ist. Wenn ein Ehegatte die Wohnung noch von Zeit zu Zeit aufsucht, über den Wohnungsschlüssel verfügt und in der Wohnung auch noch Sachen hat, kann daher nicht von einer Aufgabe des Besitzes an der Wohnung gesprochen werden (LGZ Wien 93.261)
- Besitzstörung durch Unterlassung: Eine Unterlassung stellt keine Besitzstörung iSd § 339 ABGB dar. Daher wird etwa durch das Unterbleiben der Zahlung der Kreditraten für die Anschaffung der Ehewohnung der Besitz an ihr nicht gestört (LGZ Wien EF 87.133), weil dem Bankinstitut nicht die Möglichkeit offen steht, dem Besitzer im Fall eines Leistungsverzugs die Benutzung der Wohnung unmittelbar zu entziehen. Ein bisher bestehender Rechtsbesitz verschafft einem Ehegatten keinen Rechtsanspruch auf künftige Zahlungen. Überdies können Forderungen, die erst künftig fällig werden, schon begrifflich nicht einem Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustands zugeordnet werden.
- Das Unterlassen einer bisher regelmäßig erbrachten Leistung (bspw die Zahlung der Telefongebühren oder Energiekosten durch einen Ehegatten) kann nur dann ausnahmsweise eine Störung des Rechtsbesitzes darstellen, wenn der bisher Zahlende zugleich seine Verpflichtung überhaupt bestreitet (LGZ Wien EF 51.386, 93.257).
- Ein eigenmächtiger Eingriff in den Besitz einer Wohnung im Sinne dieser Rechtsprechung kann nicht nur durch Kündigung des Strom- und Gasbezugsvertrags, sondern ebenfalls durch die Unterlassung der Zahlung der Rechnungen erfolgen, welche dann eine Einstellung der Strom- und Gaslieferungen zur Folge hat (LGZ Wien EF 51.388, 71.986, 114.025). Auch ein solches Verhalten ist gem § 339 ABGB grundsätzlich verboten (LGZ Wien EF 71.986, 111.023). Werden hingegen die Rechnungen nicht (mehr) bezahlt und kommt es dennoch nicht zum Eintritt einer Störung des Rechtsbesitzes in Form des Rechts auf Strom- und Gasbezugs, ist die Besitzstörungsklage nicht berechtigt (LGZ Wien EF 71.987, 114.025, 117.166).
- Nach diesen Leitsätzen der Rechtsprechung löst somit das bloße Unterlassen weiterer Zahlungen – im Gegensatz zur Einstellung der bisher erbrachten Leistungen mit gleichzeitiger Bestreitung der Zahlungsverpflichtung dem Grunde nach – keine im Besitzstörungsverfahren bekämpfbare Beeinträchtigung des letzten Besitzstandes aus. In der Praxis wird diese Differenzierung aber nur selten klar vorzunehmen sein und regelmäßig vom Aussageverhalten des Beklagten und von den Umständen des Einzelfalls abhängen.