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Dokument-ID: 356323

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

1.1.2.1. Allgemeines

28
Unter § 1 Abs. 1 Z 1 bis 3 UmgrStG fallen Verschmelzungen nach inländischem Verschmelzungsrecht. Die Voraussetzungen und das Verfahren der Verschmelzung richten sich nach dem Personalstatut der beteiligten Körperschaften. Gemäß § 10 IPRG ist das Personalstatut einer juristischen Person das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat (Verwaltungssitz). Im Gegensatz zur Gründungstheorie, nach welcher das Recht jenes Staates maßgebend ist, nach dem die Körperschaft gegründet worden ist (Staat in dem die Körperschaft ihren statutarischen Sitz hat) folgt § 10 IPRG der Sitztheorie. Der tatsächliche Verwaltungssitz ist jener Ort, an dem üblicherweise die leitenden Entscheidungen des ständigen Geschäftsbetriebes gefasst werden. Der für die unbeschränkte Steuerpflicht maßgebende Ort der Geschäftsleitung (§ 27 Abs. 2 BAO) ist zwar mit dem gesellschaftsrechtlichen effektiven Verwaltungssitz nicht deckungsgleich, im Regelfall werden allerdings beide Orte übereinstimmen.

29
Nach § 12 IPRG ist die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren „Personalstatut“ zu beurteilen (siehe hierzu Rz 28). In der Vergangenheit haben die österreichischen Gerichte daher auf der Grundlage der §§ 12 und 10 IPRG auf Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Staates errichtet worden sind, jedoch ihren tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung nach Österreich verlegt hatten, die materiellen Normen des österreichischen Gesellschaftsrechts angewendet. Danach aber erwirbt eine Gesellschaft ihre Eigenschaft als juristische Person und damit ihre Rechtsfähigkeit erst mit der Eintragung in das österreichische Firmenbuch. Da aber eine nach ausländischem Recht wirksam errichtete Gesellschaft nicht alle formellen und materiellen Gründungsvoraussetzungen des österreichischen Rechts erfüllt, wurde ihr als solche die Eintragung in das Firmenbuch verweigert und sie wurde folglich von den österreichischen Gerichten nicht als rechtsfähige juristische Person anerkannt (so zB OGH 28.08.1997, 3 Ob 2029/96w). Allerdings hat sich durch die EUGH-Rechtsprechung (zunächst EuGH 09.03.1999, in der Rechtssache C-212/97, Centros Ltd., und schließlich EuGH 05.11.2002, in der Rechtssache C-208/00, Überseering) im EU/EWR-Raum eine Wende in Richtung Gründungstheorie vollzogen. Nun sind auch Staaten, die der „Sitztheorie“ folgen, verpflichtet, bei einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet wurde, nach Verlegung des Verwaltungssitzes in ihr Staatsgebiet die Rechts- und Parteifähigkeit dieser Gesellschaft anzuerkennen, wenn diese Gesellschaft aus einem der Gründungstheorie folgenden Mitgliedstaat zugezogen ist und auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes in das Inland nach dem Gründungsstatut rechtlich weiter bestehen bleibt und nicht aus diesem Anlass aufgelöst wird. Die durch die EuGH-Rechtsprechung geklärte Frage der zivil- und gesellschaftsrechtlichen Rechtsfähigkeit einer im Ausland gegründeten Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz (doppelt ansässige Gesellschaft) war allerdings einerseits für die Frage ihrer Körperschaftsteuerpflicht insoweit nicht von Bedeutung, als der Umstand, dass einer im Ausland gegründeten Kapitalgesellschaft im Inland keine gesellschaftsrechtliche Rechtsfähigkeit zuerkannt wurde, auch in der Vergangenheit ihre unbeschränkte Steuerpflicht nicht ausgeschlossen hat (BFH 23.06.1992, BStBl II 1992, 972). Andererseits kann aber nach wie vor durch die Verlegung des Verwaltungssitzes aus der „ausländischen Körperschaft“ keine „inländische Körperschaft“ werden.

Aufgrund des EU-Verschmelzungsgesetzes, BGBl. I Nr. 72/2007, sind grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines der Mitgliedstaaten gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der Gemeinschaft haben, zulässig, ohne dass zu prüfen ist, ob das Gesellschaftsrecht jenes Mitgliedstaates, nach dessen Recht die von der Verschmelzung betroffene Kapitalgesellschaft gegründet wurde, mit dem österreichischen Gesellschaftsrecht vergleichbar ist. Dies gilt auch für grenzüberschreitende Verschmelzungen zur Gründung einer SE oder SCE.

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Nach dem Verständnis der in Österreich herrschenden Sitztheorie ist anlässlich der Verlegung des Verwaltungssitzes einer juristischen Person in das Ausland ein Wechsel des Gesellschaftsstatuts in identitätswahrender Form nicht möglich, da der Wegzugsstaat idR eine Liquidation und der Zuzugsstaat eine Neugründung nach Maßgabe der nationalen Gründungserfordernisse verlangt. Führt die Verlegung des Verwaltungssitzes kraft gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zu einer Auflösung der Körperschaft und wird sie tatsächlich abgewickelt, ist gemäß § 19 KStG 1988 der Liquidationsgewinn der Besteuerung zu Grunde zu legen.