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Umgründungssteuerrichtlinien 2002
3.4.2.1d. Vorzeitige Fälligstellung offener Raten (ab 1.1.2016) und Festsetzung der Steuerschuld
860g
Erfolgte einbringungsbedingt eine (gänzliche oder teilweise) Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich (Rz 854 ff), ist im Hinblick auf die Umstände, die zu einer Fälligstellung noch offener Raten bzw. zu einer Festsetzung der Steuerschuld führen, zu unterscheiden:
860ga
Einbringungen, die ab dem 1.1.2016 beschlossen oder unterfertigt wurden (Ratenzahlung, siehe Rz 860a):
Da im Anwendungsbereich des Ratenzahlungskonzepts die Einbringung bereits zur Festsetzung der Steuerschuld geführt hat, stellt sich bei einer späteren Veräußerung oder einem sonstigen Ausscheiden des eingebrachten Vermögens anders als beim Nichtfestsetzungskonzept nicht die Frage der Festsetzung der Steuerschuld, sondern nur noch die Frage nach der vorzeitigen Fälligstellung noch offener auf das Anlagevermögen entfallenden Raten (siehe Rz 44a). Dabei ist zu beachten, dass Einschränkungen des Besteuerungsrechts infolge von Kapitalanteilseinbringungen durch natürliche Personen und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften in der Regel nur bis zum 31.12.2019 dem Ratenzahlungskonzept unterliegen (ab 1.1.2020 Anteilstausch mit Nichtfestsetzung, siehe dazu Rz 860gb).
Bei Einschränkungen des Besteuerungsrechts im Anwendungsbereich des Ratenzahlungskonzepts ist hinsichtlich der Fälligstellung noch offener Raten zu unterscheiden:
- Im Falle der teilweisen Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich führt ausschließlich die Veräußerung bzw. das sonstige Ausscheiden der Gegenleistungsanteile zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten (§ 16 Abs. 1 vierter Satz UmgrStG); die Veräußerung oder das sonstige Ausscheiden des eingebrachten Vermögens durch die übernehmende Körperschaft ist für die Fälligstellung noch offener Raten hingegen unerheblich, löst aber ohnehin die Besteuerung im Rahmen der Körperschaftsteuerpflicht mit 25 % (ab 1.1.2023 24 % bzw. ab 1.1.2024 23 %) aus, weil der Ansatz des eingebrachten Vermögens zu Buchwerten erfolgt (§ 18 Abs. 1 Z 1 UmgrStG).
Fortsetzung Beispiel 1 in Rz 860a (bis 31.12.2019 beschlossene Einbringungen):
A ist Einzelunternehmer und bringt eine im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligung des Anlagevermögens iHv 25 % an der inländischen X-GmbH (Buchwert 10.000; Fremdvergleichswert 25.000) in die deutsche Y-GmbH zum Stichtag 31.12.01 ein. Die Einbringung erfolgt unter Verzicht auf Anteilsgewährung, weil A an der Y-GmbH bereits vor der Einbringung zu 100 % beteiligt war (Anschaffungskosten 40.000). Gemäß § 16 Abs. 1 zweiter Satz UmgrStG kommt es zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich hinsichtlich des eingebrachten Vermögens, weil nach der Einbringung das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Kapitalanteils Deutschland zukommt. Da die Einschränkung des Besteuerungsrechtes gegenüber einem EU-Staat (Deutschland) erfolgt, stellt A in der ESt-Erklärung des Jahres 01 den Antrag, die auf die stillen Reserven des Anteils an der X-GmbH (15.000) entfallende Steuerschuld gleichmäßig in fünf Raten zu entrichten. In der Einbringungsbilanz ist der Anteil an der X-GmbH mit dem Fremdvergleichswert von 25.000 auszuweisen, weswegen das Einbringungskapital ebenfalls 25.000 beträgt. Die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Y-GmbH sind um den nach § 16 UmgrStG maßgebenden Wert von 25.000 auf insgesamt 65.000 zu erhöhen (§ 20 Abs. 4 Z 1 UmgrStG).
Veräußert die übernehmende Y-GmbH den eingebrachten Anteil an der X-GmbH innerhalb der nächsten fünf Jahre, sind die noch offenen Raten fällig zu stellen (§ 16 Abs. 1 zweiter Satz UmgrStG iVm § 6 Z 6 lit. d EStG 1988). Zu einer Fälligstellung kommt es aber auch, wenn der Einbringende A die Anteile an der Y-GmbH veräußert (§ 16 Abs. 1 dritter Satz UmgrStG).
Fortsetzung Beispiel 3 in Rz 860a:
Die deutsche A-GmbH ist zu 100 % an der österreichischen B-GmbH und diese wiederum zu 100 % an der deutschen C-GmbH beteiligt. Bringt die B-GmbH den Anteil an der C-GmbH up-stream in die A-GmbH ein, führt dies zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts am Anteil an der C-GmbH. Mangels Gewährung einer Gegenleistung (Rz 1087) kommt das Sonderregime Anteilstausch gemäß § 16 Abs. 1a UmgrStG nicht zur Anwendung, weshalb anlässlich der Einbringung die Steuerschuld entsteht. Da jedoch die Einschränkung des Besteuerungsrechtes gegenüber einem EU-Staat erfolgt, kann die B-GmbH für die entstehende Steuerschuld einen Antrag auf Ratenzahlung stellen.
Veräußert die deutsche A-GmbH den Anteil an der deutschen C-GmbH, liegt ein rückwirkendes Ereignis vor, das die Fälligstellung noch offener Raten bei der B-GmbH auslöst.
- Im Falle der teilweisen Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich führt ausschließlich die Veräußerung bzw. das sonstige Ausscheiden der Gegenleistungsanteile zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten (§ 16 Abs. 1 vierter Satz UmgrStG); die Veräußerung oder das sonstige Ausscheiden des eingebrachten Vermögens durch die übernehmende Körperschaft ist für die Fälligstellung noch offener Raten hingegen unerheblich, löst aber ohnehin die Besteuerung im Rahmen der Körperschaftsteuerpflicht mit 25 % aus, weil der Ansatz des eingebrachten Vermögens zu Buchwerten erfolgt (§ 18 Abs. 1 Z 1 UmgrStG).
Folgeumgründungen in Staaten außerhalb der EU oder des EWR führen als sonstiges Ausscheiden zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten (siehe auch Rz 44a). Bleibt hingegen das mit Ratenzahlung behaftete Vermögen bzw. die Gegenleistung im Zuge einer weiteren steuerneutralen Umgründung innerhalb des EU/EWR-Raumes (ersatzweise) erhalten und weiter steuerhängig, laufen die noch offenen Raten weiter. Ein sonstiges Ausscheiden mit vorzeitiger Fälligstellung noch offener Raten kann dabei aber vorliegen, wenn im Zuge der Folgeumgründung die Kapitalgesellschaft, hinsichtlich deren Anteile vormals ein Antrag auf Ratenzahlung gestellt wurde, als übertragende Gesellschaft up-stream verschmolzen wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Folgeumgründung steuerneutral erfolgt oder nicht.
Beispiel 1:
A hält 50 % an der B-GmbH. Zum 31.12.X0 bringt A die Beteiligung an der B-GmbH in die deutsche C-GmbH nach Art. III UmgrStG ein (Einbringung bis 31.12.2019). A erhält eine Gegenleistung in Höhe von 30 % an der C-GmbH. Aufgrund von § 16 Abs. 1 UmgrStG kommt es zu einer (gänzlichen) Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich im eingebrachten Vermögen, weshalb A einen Antrag auf Ratenzahlung stellt.
Folgeumgründungen Beispiel 1:
Variante 1:
Zum 31.12.X1 wird die B-GmbH auf ihre deutsche Schwesterngesellschaft D-GmbH nach Art. I UmgrStG steuerneutral verschmolzen (side-stream-Verschmelzung). Es liegt kein sonstiges Ausscheiden des mit Ratenzahlung behafteten Vermögens vor, weil dieses nach wie vor (ersatzweise in der Beteiligung der C an der D) innerhalb der EU steuerhängig bleibt. Folglich laufen die noch offenen Raten bei A unverändert weiter.
Variante 2:
Zum 31.12.X1 bringt A seine Gegenleistungsanteile an der deutschen C-GmbH in die im Drittstaat ansässige X-GmbH ein. Es liegt ein sonstiges Ausscheiden der Gegenleistungsanteile vor, die noch offenen Raten werden bei A vorzeitig fällig gestellt.
Variante 3:
Zum 31.12.X1 wird die B-GmbH auf die C-GmbH nach Art. I UmgrStG verschmolzen (up-stream-Verschmelzung). Es liegt ein sonstiges Ausscheiden vor, weshalb es bei A zu einer vorzeitigen Fälligstellung noch offener Raten kommt.
Beispiel 2:
Im Zuge einer Export-Einbringung des Kapitalanteils an der deutschen X-GmbH in die deutsche Y-GmbH wurde vom im Inland ansässigen A ein Antrag auf Ratenzahlung gestellt (Einbringung bis 31.12.2019). In weiterer Folge wird die X-GmbH als übertragende Körperschaft auf ihre ebenfalls in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft Z-GmbH unter Buchwertfortführung verschmolzen (down-stream-Verschmelzung).
Das mit Ratenzahlung behaftete Vermögen bleibt ersatzweise innerhalb des EU/EWR weiterhin steuerhängig (Anteil der Y-GmbH an Z-GmbH), weshalb kein die Fälligstellung offener Raten auslösendes Ereignis vorliegt.
860gb
Einbringungen von Kapitalanteilen, die ab dem 1.1.2020 beschlossen oder unterfertigt wurden (Anteilstausch mit Nichtfestsetzung, Rz 860b):
Das Anteilstauschregime mit Nichtfestsetzung orientiert sich zwar an jenem des § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988, weist aber im Hinblick auf die Festsetzung der Steuerschuld aus unionsrechtlichen Gründen Besonderheiten auf. Gemäß § 17 Abs. 1a UmgrStG kommt es lediglich im Falle der tatsächlichen Veräußerung, des sonstigen Ausscheidens oder des steuerneutralen Untergangs der dem Einbringenden gewährten Gegenleistung zu einer Festsetzung der Steuerschuld im eingebrachten Vermögen. Hingegen führen die tatsächliche Veräußerung, das sonstige Ausscheiden oder der steuerneutrale Untergang des eingebrachten Kapitalanteils für sich genommen nicht zu einer Festsetzung der Steuerschuld; der Antrag auf Nichtfestsetzung bleibt davon unberührt, sollte nicht schon davor die Gegenleistung veräußert worden oder aus dem Betriebsvermögen der übernehmenden Körperschaft auf sonstige Weise ausgeschieden sein.
Zur Vermeidung unerwünschter Gestaltungen sowie zur Sicherstellung der Einmalerfassung der stillen Reserven gilt allerdings als tatsächliche Veräußerung der Gegenleistung auch, wenn die eingebrachten Kapitalanteile von der übernehmenden Gesellschaft veräußert werden oder sonst aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und in diesem Zusammenhang ein Wegzug oder eine unentgeltliche Übertragung der Gegenleistung durch den Steuerpflichtigen erfolgt (§ 17 Abs. 1a letzter Satz UmgrStG idF AbgÄG 2022), wodurch das Besteuerungsrecht Österreichs eingeschränkt wird. Diesfalls ist § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 hinsichtlich der „weggezogenen“ Gegenleistung nicht anzuwenden. Dabei ist es unerheblich, ob die Veräußerung des vormals eingebrachten Kapitalanteils durch die übernehmende Körperschaft vor oder nach dem Wegzug (oder der unentgeltlichen Übertragung der Gegenleistung) erfolgt; entscheidend ist ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang. Der Festsetzungstatbestand des § 17 Abs. 1a letzter Satz UmgrStG idF AbgÄG 2022 tritt mit 20.7.2022 in Kraft und ist auch auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Nichtfestsetzungen anzuwenden.
Das die Festsetzung der Steuerschuld auslösende Ereignis stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar (§ 17 Abs. 1a UmgrStG iVm § 27 Abs. 6 Z 1 lit. c EStG 1988). Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 209 Abs. 5 BAO die absolute Verjährungsfrist für die Festsetzung der Steuerschuld erst mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses, dh. im Jahr der tatsächlichen Veräußerung, des sonstigen Ausscheidens oder des steuerneutralen Untergangs der Gegenleistungsanteile zu laufen beginnt. Allerdings besteht für den Einbringenden – losgelöst von diesen Ereignissen – bis zum 19.7.2022 die Möglichkeit, einen Antrag auf vorzeitige Festsetzung der Steuerschuld zu stellen (§ 17 Abs. 1 erster Satz UmgrStG iVm § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b zweiter Teilstrich EStG 1988 jeweils idF StRefG 2020); ab dem 20.7.2022 besteht diese Möglichkeit hingegen nicht mehr (vgl. 3. Teil des UmgrStG idF AbgÄG 2022)
Anlässlich der (bis zum 19.7.2022: vorzeitigen) Festsetzung der Steuerschuld kommt es mit Beginn des dem Einbringungsstichtag folgenden Tages zu einer rückwirkenden Erhöhung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte der Gegenleistung (§ 20 Abs. 2 Z 5 UmgrStG). Dadurch wird die der Fusionsrichtlinie zu Grunde liegende „Einmalerfassung“ der stillen Reserven im übertragenen Kapitalanteil sichergestellt: Kommt Österreich ein Besteuerungsrecht an den Gegenleistungsanteilen zu, vermindert die rückwirkende Erhöhung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte der Gegenleistungsanteile um die festgesetzten stillen Reserven insoweit den anlässlich der Veräußerung entstehenden steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn; eine doppelte Erfassung der stillen Reserven wird insoweit vermieden.
Im Falle einer lediglich anteiligen tatsächlichen Veräußerung (bzw. eines anteiligen sonstigen Ausscheidens oder steuerneutralen Untergangs) der Gegenleistungsanteile kommt es nur insoweit zu einer Festsetzung der Steuerschuld. Diesfalls sind auch die Anschaffungskosten bzw. Buchwerte der Gegenleistung nur anteilig rückwirkend zu erhöhen (§ 20 Abs. 2 Z 5 UmgrStG).
Beispiel 1 (siehe auch Rz 860b):
Die im Inland ansässige natürliche Person A bringt ihre im Privatvermögen gehaltene 30-prozentige Beteiligung an der österreichischen B-GmbH (Anschaffungskosten 100.000; Fremdvergleichswert 500.000) zum 31.12.X1 in die deutsche D-GmbH ein. Als Gegenleistung erhält A eine Beteiligung in Höhe von 25 % an der D-GmbH. Gemäß § 17 Abs. 1 UmgrStG iVm § 16 Abs. 1 UmgrStG kommt es zu einem Ansatz des Fremdvergleichswertes infolge der Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich, weil das Besteuerungsrecht am eingebrachten Kapitalanteil künftig Deutschland zusteht. Allerdings liegt ein Anteilstausch (§ 16 Abs. 1a UmgrStG) vor, weshalb A in seiner Einkommensteuererklärung aufgrund von § 16 Abs. 1a vierter Teilstrich iVm § 17 Abs. 1 iVm § 17 Abs. 1a UmgrStG einen Antrag auf Nichtfestsetzung der durch Ansatz des Fremdvergleichswert entstehenden Steuerschuld in Höhe von 110.000 (= 400.000*27,5 %) stellen kann. Der eingebrachte Kapitalanteil ist in der Einbringungsbilanz mit den Buchwerten von 100.000 anzusetzen; auch die Gegenleistungsanteile hat A (bis zu einer allfälligen Festsetzung der Steuerschuld) mit den Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 anzusetzen.
A veräußert seine Beteiligung an der deutschen D-GmbH um 800.000. Die tatsächliche Veräußerung der Gegenleistung stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar und führt zur Festsetzung der im Zeitpunkt der Einbringung nicht festgesetzten stillen Reserven in Höhe von 400.000 (§ 17 Abs. 1a UmgrStG iVm § 27 Abs. 6 Z 1 lit. c EStG 1988). Die Anschaffungskosten des A an den Gegenleistungsanteilen (100.000) erhöhen sich aufgrund von § 20 Abs. 2 Z 5 UmgrStG rückwirkend mit dem dem Einbringungsstichtag folgenden Tag um 400.000 und betragen folglich 500.000. Infolgedessen liegen nur noch steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 300.000 vor (800.000 – 500.000). Insgesamt führt die Veräußerung der Beteiligung bei A somit zu steuerlichen Auswirkungen iHv 700.000.
Neben der tatsächlichen Veräußerung führen auch ein sonstiges Ausscheiden oder ein steuerneutraler Untergang der Gegenleistungsanteile – insbesondere durch Folgeumgründungen – zu einer Festsetzung der Steuerschuld.
Folgeumgründungen Beispiel 1:
Variante 1:
Die den Kapitalanteil übernehmende deutsche D-GmbH wird auf ihre ebenfalls in Deutschland ansässige Schwesterngesellschaft C-GmbH steuerneutral verschmolzen (side-stream-Verschmelzung). Der für die Festsetzung der Steuerschuld maßgebliche Gegenleistungsanteil des A bleibt weiterhin innerhalb der EU steuerhängig und besteht künftig ersatzweise im Anteil an der deutschen C-GmbH. Folglich liegt kein sonstiges Ausscheiden der Gegenleistungsanteile vor, sodass der Antrag auf Nichtfestsetzung bei A weiterhin aufrecht bleibt.
Variante 2:
Die inländische B-GmbH wird auf die übernehmende deutsche D-GmbH verschmolzen (up-stream-Verschmelzung). Da der für die Festsetzung der Steuerschuld maßgebliche Gegenleistungsanteil von der Folgeumgründung unberührt bleibt, bleibt auch der Antrag auf Nichtfestsetzung bei A weiterhin aufrecht.
Variante 3:
A bringt seinen Anteil an der übernehmenden deutschen D-GmbH in die Drittstaatsgesellschaft X-GmbH ein (Drittstaatseinbringung). Es liegt – unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen dieses Vorgangs – ein sonstiges Ausscheiden der Gegenleistungsanteile vor, das zur Festsetzung der Steuerschuld iHv 110.000 (= 400.000*27,5 %) sowie zu einer entsprechenden, rückwirkenden Erhöhung der Anschaffungskosten führt.
Variante 4:
Die den Kapitalanteil vormals übernehmende Körperschaft D-GmbH wird steuerneutral in die D-OG umgewandelt. Der Anteil an der D-OG kann diesfalls nicht an die Stelle des Kapitalanteils treten (siehe dazu grundsätzlich Rz 461), weshalb ein steuerneutraler Untergang der Gegenleistungsanteile vorliegt, der die Festsetzung der Steuerschuld bei A auslöst.
Variante 5:
Die den Kapitalanteil vormals übernehmende Körperschaft D-GmbH wird steuerneutral auf ihre 75-prozentige Anteilsinhaberin, die deutsche E-AG verschmolzen (up-stream-Verschmelzung). Da der für die Festsetzung maßgebliche Gegenleistungsanteil dadurch nicht (ersatzlos) untergeht und weiterhin innerhalb der EU steuerhängig ist (Anteil des A an der E-AG), bleibt der Antrag auf Nichtfestsetzung bei A weiterhin aufrecht.
Variante 6:
A bringt seinen einbringungsbedingt erhaltenen Gegenleistungsanteil an der deutschen D-GmbH in die deutsche C-GmbH gegen Gewährung von Gegenleistungsanteilen nach Art. III UmgrStG ein. Der für die Festsetzung der Steuerschuld maßgebliche Gegenleistungsanteil des A bleibt weiterhin innerhalb der EU steuerhängig und besteht künftig ersatzweise im wiederum zu Anschaffungskosten fortzuführenden Anteil an der deutschen C-GmbH. Hinsichtlich der durch die Folgeeinbringung dem Grunde nach ausgelösten Entstrickungsbesteuerung kann A abermals einen Antrag auf Nichtfestsetzung stellen. Kommt es in weiterer Folge beispielsweise zu einer Veräußerung des Anteils an der C-GmbH, kommt es bei A zur Festsetzung der im Rahmen der Ersteinbringung ursprünglich nicht festgesetzten Steuer. Festsetzungsbedingt erhöhen sich zunächst die Anschaffungskosten des Anteils an der D-GmbH rückwirkend; dadurch entfällt bei A in weiterer Folge insoweit die Entstrickungsbesteuerung hinsichtlich des Anteils an der C-GmbH. Die rückwirkende Erhöhung der Anschaffungskosten vermindert den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn des A.
Beispiel 2 (siehe auch Beispiel 3b Rz 860b):
Die in Frankreich ansässige F-GmbH bringt ihre 30-prozentige Beteiligung an der österreichischen B-GmbH (Anschaffungskosten 100.000; Fremdvergleichswert 500.000) zum 31.12.X1 in die deutsche D-AG ein. Als Gegenleistung erhält die F-GmbH eine Beteiligung in Höhe von 15 % an der D-AG, für die Österreich jedoch schon dem Grunde nach kein Besteuerungsrecht zukommt.
Aufgrund des DBA mit Frankreich hat Österreich ein Besteuerungsrecht am eingebrachten Kapitalanteil, das durch die Einbringung eingeschränkt wird. Da es sich um einen nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehörenden Kapitalanteil handelt, ist dieser gemäß § 17 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 2 Z 1 iVm § 16 Abs. 1 UmgrStG mit dem Fremdvergleichswert anzusetzen. Allerdings kann die F-GmbH gemäß § 17 Abs. 1a UmgrStG einen Antrag auf Nichtfestsetzung der sich durch Ansatz des Fremdvergleichswertes ergebenden Steuerschuld in Höhe von 100.000 (= 400.000*25 %; ab 1.1.2023 *24 % bzw. ab 1.1.2024 *23 %) stellen. Der eingebrachte Kapitalanteil ist in der Einbringungsbilanz zu Anschaffungskosten (100.000) anzusetzen. Auch die Gegenleistungsanteile – an denen Österreich kein Besteuerungsrecht zukommt – sind (vorerst) mit den Anschaffungskosten in Höhe von 100.000 anzusetzen.
Folgeumgründungen:
Variante 1:
Die vormals einbringende, in Frankreich ansässige F-GmbH bringt nunmehr ihren Gegenleistungsanteil an der deutschen D-AG steuerneutral in die ebenfalls in Deutschland ansässige X-AG ein (Österreich hat vor wie nach der Einbringung kein Besteuerungsrecht am Gegenleistungsanteil). Da der Gegenleistungsanteil nach wie vor innerhalb der EU weiterhin steuerhängig ist, bleibt auch der Nichtfestsetzungsantrag bei der F-GmbH weiterhin bestehen.
Variante 2:
Die deutsche D-AG wird auf die im Drittstaat ansässige X-GmbH verschmolzen (Drittstaatsverschmelzung). Es liegt – unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen dieses Vorgangs – ein sonstiges Ausscheiden des Gegenleistungsanteils vor und es kommt zu einer Festsetzung der Steuerschuld bei der F-GmbH.
Variante 3:
Die deutsche D-AG wird auf die vormals einbringende, in Frankreich ansässige F-GmbH verschmolzen (up-stream-Verschmelzung). Es liegt – unabhängig von den steuerlichen Auswirkungen dieses Vorgangs – ein sonstiges Ausscheiden des Gegenleistungsanteils vor und es kommt zu einer Festsetzung der Steuerschuld bei der F-GmbH.
860gc
Einbringungen, die bis zum 31.12.2015 beschlossen oder unterfertigt wurden („alte“ Nichtfestsetzung, Rz 860c):
- Im Anwendungsbereich des Nichtfestsetzungskonzeptes aufgrund einer gänzlichen Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich führt erst eine spätere Veräußerung oder ein sonstiges Ausscheiden des eingebrachten Vermögens durch die übernehmende Körperschaft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO zu einer Festsetzung der Steuerschuld (zur Durchbrechung der absoluten Verjährungsfrist siehe Rz 44c).
Fortsetzung von Beispiel in Rz 860c:
Veräußert die Y-GmbH nach der Einbringung den Anteil an der X-GmbH (zB um 30.000), kommt es gemäß § 295a BAO zu einer Festsetzung der Steuerschuld für die Veranlagung des Jahres 01 sowie einer Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung an der Y-GmbH von 50.000 auf 65.000.
Auch eine bis zum 19.7.2022 beantragbare vorzeitige Festsetzung der Steuerschuld (3. Teil Z 30 UmgrStG idF StRefG 2020; siehe Rz 44c) stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar und löst den Eintritt der daran geknüpften Rechtsfolgen aus.
Zu einer Steuerfestsetzung kommt es jedoch nicht nur anlässlich der tatsächlichen Veräußerung des eingebrachten Vermögens oder aufgrund eines bis zum 19.7.2022 beantragbaren Antrages auf vorzeitige Festsetzung, sondern auch bei einer nach ausländischem Abgabenrecht steuerwirksamen (realisierenden) Umgründung oder bei einer (auch steuerneutralen) Folgeumgründung in einen Drittstaat. Bleibt hingegen das betreffende Vermögen im Zuge einer weiteren steuerneutralen Umgründung innerhalb des EU/EWR-Raumes (ersatzweise) erhalten und weiter steuerhängig, ist die nicht festgesetzte Steuerschuld weiterhin nicht festzusetzen. Ein sonstiges Ausscheiden mit vorzeitiger Festsetzung der Steuerschuld kann dabei aber vorliegen, wenn im Zuge der Folgeumgründung die Kapitalgesellschaft, hinsichtlich deren Anteile vormals ein Antrag auf Nichtfestsetzung gestellt wurde, als übertragende Gesellschaft up-stream verschmolzen wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Folgeumgründung steuerneutral erfolgt, oder nicht (siehe sinngemäß die Ausführungen zur Ratenzahlung in Rz 860ga).
Beispiel:
Im Zuge einer grenzüberschreitenden Umgründung wurde hinsichtlich des Kapitalanteils an der in Deutschland ansässigen X-GmbH ein Antrag auf Nichtfestsetzung gestellt; die den Kapitalanteil an der X-GmbH übernehmende Körperschaft Y-GmbH ist ebenfalls in Deutschland ansässig.
Folgeumgründungen:
Variante 1:
Die X-GmbH wird auf ihre ebenfalls in Deutschland ansässige Schwesterngesellschaft Z-GmbH steuerneutral verschmolzen (side-stream-Verschmelzung).
Das mit Nichtfestsetzung behaftete Vermögen bleibt ersatzweise innerhalb der EU weiterhin steuerhängig (Anteil der Y-GmbH an der Z-GmbH), weshalb kein die Festsetzung der Steuerschuld auslösendes Ereignis vorliegt.
Variante 2:
Die X-GmbH wird auf ihre ebenfalls in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft Z-GmbH steuerneutral verschmolzen (down-stream-Verschmelzung).
Das mit Nichtfestsetzung behaftete Vermögen bleibt ersatzweise innerhalb der EU weiterhin steuerhängig (Anteil der Y-GmbH an der Z-GmbH), weshalb kein die Festsetzung der Steuerschuld auslösendes Ereignis vorliegt.
Variante 3:
Die X-GmbH wird steuerneutral auf die Y verschmolzen (up-stream-Verschmelzung). Es liegt ein sonstiges Ausscheiden des mit Nichtfestsetzung behafteten Anteils an der X-GmbH vor und es kommt zur Festsetzung der Steuerschuld.
- Wurde aufgrund von § 16 Abs. 2 Z 1 iVm § 16 Abs. 1 UmgrStG jeweils idF AbgÄG 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, anlässlich einer "teilweisen Einschränkung" des Besteuerungsrechtes ein Antrag auf Nichtfestsetzung (bemessen mit 25 %; ab 1.1.2023 24 % bzw. ab 1.1.2024 23 %; bis 2015 bzw. mit dem Hälftesteuersatz vor 31.3.2012) gestellt, ist von einer Festsetzung anlässlich der Veräußerung der Gegenleistung oder des eingebrachten Vermögens abzusehen (vgl. dazu VwGH 18.10.2018, Ro 2016/15/0032, wonach in diesen Fällen keine Einschränkung des Besteuerungsrechtes vorlag). Die tatsächliche Veräußerung stellt diesfalls kein rückwirkendes Ereignis gemäß § 295a BAO dar; eine Anzeige bzw. Meldung der Veräußerung beim zuständigen Finanzamt kann daher unterbleiben. Dies gilt nicht für laufende Ratenzahlungen anlässlich einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes aufgrund von § 16 Abs. 2 Z 1 UmgrStG iVm § 16 Abs. 1 UmgrStG idF AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, (siehe dazu Rz 860ga).
860gd
Einbringungen infolge einer Einschränkung des Besteuerungsrechts gemäß § 27 Abs. 6 EStG 1988 unter Stellung eines Antrages auf Nichtfestsetzung:
Wird aufgrund einer Einschränkung des Besteuerungsrechts Österreichs hinsichtlich eines Kapitalanteils ein Antrag auf Nichtfestsetzung gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 gestellt (zB Wegzug natürliche Person) und wird dieser Kapitalanteil in der Folge gemäß Art. III UmgrStG in eine ausländische Gesellschaft eingebracht, führt in weiterer Folge neben der tatsächlichen Veräußerung des übertragenen, mit dem Antrag auf Nichtfestsetzung behafteten Vermögens (Kapitalanteil) auch die tatsächliche Veräußerung der anlässlich der Einbringung gewährten Gegenleistung zu einer Festsetzung der Steuerschuld gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988.
Beispiel:
Die im Inland ansässige natürliche Person A hält einen Kapitalanteil an der inländischen A-GmbH. Anlässlich des Wegzugs von A nach Deutschland stellt dieser gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 einen Antrag auf Nichtfestsetzung der Steuerschuld hinsichtlich der im Kapitalanteil enthaltenen stillen Reserven. In der Folge bringt A seinen Kapitalanteil an der A-GmbH in die deutsche D-GmbH gemäß Art. III UmgrStG ein und erhält als Gegenleistung dafür eine 100-prozentige Beteiligung an der D-GmbH. Veräußert A in weiterer Folge seinen Anteil an der D-GmbH, bevor die D-GmbH den Anteil an der A-GmbH veräußert, wird die anlässlich des Wegzugs nicht festgesetzte Steuerschuld gemäß § 27 Abs. 6 Z 1 lit. a EStG 1988 bei A festgesetzt.