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Dokument-ID: 361124

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

4.1.9.3 Betrieb

1355
Betrieb im Sinne des UmgrStG ist eine selbstständige organisatorische Einheit zur Erzielung von betrieblichen Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbstständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb); siehe EStR 2000 Rz 5507. Die Betriebseigenschaft ergibt sich nicht aus der Rechtsform; entscheidend ist vielmehr der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit. Daher fällt die Übertragung von Vermögen durch eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft, die nur kraft Rechtsform Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat (§ 7 Abs. 3 KStG 1988), nicht unter Art. IV UmgrStG, wenn nicht ein anderer Partner Vermögen im Sinne des § 23 Abs. 2 UmgrStG überträgt.

1356
Übertragen werden können sowohl in- als auch ausländische Betriebe, die die Anwendungsvoraussetzungen erfüllen.

Auch ein verpachteter – noch nicht aufgegebener – Betrieb (siehe EStR 2000 Rz 5647 bis Rz 5653) ist als begünstigtes Vermögen übertragbar. Zu einer bereits vor dem Zusammenschluss erfolgten Betriebsaufgabe siehe Rz 703.

Die Betriebseigenschaft des übertragenen Objektes muss beim Übertragenden jedenfalls zum Zusammenschlussstichtag wie auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zusammenschlussvertrages vorliegen.

1357
Nicht unter Art. IV UmgrStG fallen mangels steuerlicher Betriebseigenschaft die Übertragung eines Liebhabereibetriebes oder des Hoheitsbetriebes einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 5 KStG 1988). Siehe auch Rz 709 f.

Anders als bei einer Einbringung gemäß Art. III UmgrStG muss ein Zusammenschluss von Freiberuflern nach den Standesvorschriften nicht unbedingt zulässig sein (siehe Beispiel Rz 1297 zweiter Bulletpoint).

1358
Der Betrieb in seiner konkreten Ausgestaltung muss auf die übernehmende Personengesellschaft als funktionsfähige Einheit übergehen, dh. die bestehende Betriebseigenschaft muss erhalten bleiben. Die Rz 694 bis Rz 698 gelten sinngemäß. Jene wesentlichen Aktiva, die für die Führung des Betriebes notwendig waren, tatsächlich der Erfüllung des Betriebszweckes gedient haben und nach der Umgründung weiterhin dienen sollen, müssen von ihr grundsätzlich übernommen werden (siehe dazu auch Rz 688).

Nicht notwendig ist die Übertragung aller wesentlichen Grundlagen des Betriebes. Das Zurückbehalten von Anlagegütern, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, darf allerdings die Eigenschaft des einzubringenden Vermögens als Betrieb oder Teilbetrieb nicht verletzen. Eine Betriebsaufspaltung im Wege des Zurückbehaltens des gesamten Anlagevermögens kann daher in der Regel nicht unter Art. IV UmgrStG fallen. Das Zurückbehalten einzelner zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörender Anlagegüter bei gleichzeitiger Übertragung von zumindest einer wesentlichen Betriebsgrundlage führt zu keiner Verletzung der Anwendungsvoraussetzungen des § 23 Abs. 2 iVm § 12 UmgrStG. Dies bezieht sich in erster Linie auf das Zurückbehalten der Betriebsgrundstücke, die nach dem Zusammenschluss der übernehmenden Personengesellschaft (entgeltlich oder unentgeltlich) als Sonderbetriebsvermögen zur Nutzung überlassen werden.

Zu den ertragsteuerlichen Folgen der Zurückbehaltung von Wirtschaftsgütern siehe Abschnitt 4.2.4.5.

1358a
Werden (Teil)Betriebe freiberuflich tätiger Zusammenschlusspartner auf eine Personengesellschaft übertragen, stellt die wesentliche Betriebsgrundlage regelmäßig der Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstock dar (siehe dazu EStR 2000 Rz 5514, 5517, 5562). Für den Umfang der zu übertragenden wesentlichen Betriebsgrundlage gilt dabei Folgendes:

  • Der Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstock stellt ein einheitliches und damit unteilbares Wirtschaftsgut dar; somit kann dieser innerhalb des Art. IV UmgrStG grundsätzlich nur in seiner Gesamtheit auf die Personengesellschaft übergehen. Grundsätzlich begründet daher zB die Steuerberatungstätigkeit im Verhältnis zur Wirtschaftsprüfungstätigkeit oder die ärztliche Tätigkeit für Kassenpatienten im Verhältnis zur Tätigkeit für Privatpatienten keinen Teilbetrieb (EStR 2000 Rz 5594 dritter Absatz).
  • Liegt allerdings eine Teilbetriebseigenschaft iSd von Judikatur, Verwaltungspraxis und Lehre zu § 24 EStG 1988 aufgestellten Grundsätzen vor (siehe dazu EStR 2000 Rz 5594 erster und zweiter Absatz), kann hingegen eine Trennung beispielsweise des Wirtschaftsprüfungsteilbetriebes vom Steuerberatungsteilbetrieb im Rahmen eines Zusammenschlusses gemäß Art. IV UmgrStG erfolgen.
  • Das Vorliegen von Teilbetrieben im Bereich ärztlicher Tätigkeiten wäre denkbar, wenn die Kassen- bzw. Privatpatienten unterschiedlichen Fachrichtungen zuzuordnen sind, beispielsweise dann, wenn ein Arzt die Kassenpatienten in seiner Allgemeinpraxis und die Privatpatienten in einer neben der Allgemeinpraxis betriebenen Praxis für eine andere ärztliche Fachrichtung behandelt (vgl. EStR 2000 Rz 5594 erster Absatz zu einer neben einer Allgemeinpraxis betriebenen Zahnarztpraxis).
  • In der Regel wird den Privatpatienten im Verhältnis zu den Kassenpatienten aber keine Teilbetriebseigenschaft zukommen und auch eine vorbereitende Herstellung der Teilbetriebseigenschaft anlässlich des Zusammenschlusses gemäß Art. IV UmgrStG nicht möglich sein (siehe nachfolgenden Bulletpoint).
  • Lediglich dann, wenn innerhalb derselben ärztlichen Fachrichtung für Kassen- als auch für Privatpatienten eine Teilbetriebseigenschaft iSd Judikatur, Verwaltungspraxis und Lehre zu § 24 EStG 1988 vorliegen sollte (siehe dazu EStR 2000 Rz 5594 erster und zweiter Absatz, zB eigene Buchführung, eigenes Personal), kann eine Trennung des Patientenstockes innerhalb derselben ärztlichen Fachrichtung im Rahmen eines Zusammenschlusses gemäß Art. IV UmgrStG erfolgen. Dabei wird aber bei der Beurteilung des Vorliegens eines Teilbetriebes besonderes Augenmerk auf die örtliche und zeitliche Trennung von Privat- und Kassenpatienten zu legen sein.
  • Liegen keine Teilbetriebe vor, erleichtern unterschiedliche Tätigkeitsbereiche aber die vorbereitende Herstellung von Teilbetrieben im Vorfeld einer geplanten Umgründung. Kann somit eine Teilbetriebseigenschaft iSd EStR 2000 Rz 5594 zweiter Absatz und der an dieser Stelle zitierten Judikatur vorbereitend hergestellt werden, führt dies zur Trennbarkeit der Tätigkeitsbereiche in ertragsteuerlicher bzw. umgründungssteuerlicher Sicht. Unabdingbare Voraussetzung ist, dass diese Teilbetriebseigenschaft beim Übertragenden jedenfalls bereits zum Zusammenschlussstichtag gegeben ist.
  • Liegt eine Teilbetriebseigenschaft nicht vor und wird diese anlässlich des Zusammenschlusses gemäß Art. IV UmgrStG auch nicht vorbereitend hergestellt, gilt für die Zurückbehaltung von Teilen des Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstockes Folgendes:
    • Das Zurückbehalten von Teilen des Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstockes ist unschädlich, wenn die zurückbehaltenen Kunden, Klienten bzw. Patienten in Bezug auf den gesamten Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstock von unwesentlicher Bedeutung sind. Dabei darf es sich iSd Rz 889 nur um einzelne Kunden-, Klienten- bzw. Patientenbeziehungen handeln. Es bestehen aber keine Bedenken, von einer unwesentlichen Bedeutung der zurückbehaltenen Kunden-, Klienten- bzw. Patientenbeziehungen für den Gesamtbetrieb dann noch auszugehen, wenn deren Ausmaß bezogen auf die Parameter Kunden-, Klienten- bzw. Patientenzahl als auch Umsatz eine „doppelte“ Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nicht übersteigt (siehe auch Rz 1431).
    • Ein – über diese Wesentlichkeitsgrenze – hinausgehendes Zurückbehalten von Teilen des Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstockes steht der Anwendung von Art. IV UmgrStG auf diesen Zusammenschluss entgegen. Dies auch dann, wenn berufsrechtliche Vorschriften eine solche Trennung gebieten.

1358b
Keine wesentliche Betriebsgrundlage, sondern unselbständigen Teil der ärztlichen Tätigkeit stellt eine ärztliche Hausapotheke dar und zwar unabhängig von der Höhe des mit dieser erzielten Gewinnes oder Umsatzes (VwGH 22.5.1953, 3026/52; EStR 2000 Rz 5288 Beispiel 2; siehe auch EStR 2000 Rz 5605 zur mangelnden Teilbetriebseigenschaft einer Hausapotheke). Dessen ungeachtet ist der Unterhalt einer Hausapotheke für die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit nicht erforderlich, sodass diese anlässlich des Zusammenschlusses zurückbehalten werden kann und der Arztbetrieb trotz Trennung von der Hausapotheke jedenfalls begünstigtes Vermögen darstellt.

Da die Hausapothekentätigkeit gesetzlich untrennbar mit der kassenvertragsmäßigen ärztlichen Tätigkeit verbunden ist, stellt eine zurückbehaltene Hausapotheke Sonderbetriebsvermögen des Zusammenschlusspartners in der Ärzte-OG dar.

1358c
Wird anlässlich eines Zusammenschlusses eines freiberuflich tätigen Zusammenschlusspartners ein noch abzuwickelnder Großauftrag zurückbehalten, kann dieser schwebende Vertrag wie ein einzelnes Rechtsgeschäft bzw. eine einzelne Kundenbeziehung iSd Rz 889 zurückbehalten werden (siehe auch Rz 1431).

Beispiel:

A ist freiberuflicher Ziviltechniker (Architekt). Sein Tätigkeitsbereich umfasst ua. die Planung von Bauprojekten, die Durchführung der örtlichen Bauaufsicht sowie die Erstellung von Ausschreibungen. Diesem Tätigkeitsfeld liegen jeweils konkrete Einzelaufträge zugrunde.

Aufgrund der Teilnahme an einer Ausschreibung wird an A ein Großauftrag über ein Bauprojekt vergeben, das sich über mehrere Jahre erstrecken wird.

A möchte sich mit seinem Einzelunternehmen gemäß Art. IV UmgrStG mit einem weiteren Ziviltechniker (Architekten) zusammenschließen, wobei er sich den Großauftrag aber zurückbehalten möchte.

Das Zurückbehalten des einzelnen schwebenden Vertrages ist grundsätzlich unabhängig vom Umsatz oder der Größe des Auftrages unschädlich.

Im Einzelfall kann allerdings eine davon abweichende rechtliche Beurteilung geboten sein, wenn der Großauftrag beispielsweise die wesentliche Betriebsgrundlage der freiberuflichen Tätigkeit des Übertragenden darstellt und es ansonsten keine wesentlichen Betriebsgrundlagen gibt, die im Rahmen des Zusammenschlusses auf die Personengesellschaft übertragen werden könnten (dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn nahezu alle Mitarbeiter ausschließlich am Großauftrag arbeiten und nicht am laufenden Geschäft). Der Restbetrieb, der übergehen soll, muss jedenfalls lebensfähig sein; auch muss es sich dabei um einen ernsthaften Betrieb handeln. Trifft dies nicht zu, ist ein Zusammenschluss grundsätzlich nicht möglich, weil nicht die wesentlichen Betriebsgrundlagen übergehen.

Das zurückbehaltene Auftragsverhältnis stellt – für sich betrachtet – im Zeitpunkt der Übertragung weder einen Betrieb noch einen Teilbetrieb dar. Daher kommt es grundsätzlich zu einer Entnahmebesteuerung hinsichtlich der dem Großauftrag zuordenbaren Wirtschaftsgüter.

Da aber in der Folge dieser zurückbehaltene Bereich zu einem eigenen, „neuen“ Betrieb erstarkt, die bisherige Tätigkeit durch denselben Steuerpflichtigen fortgeführt und auch die Steuerhängigkeit der stillen Reserven dieser Tätigkeit bei diesem Steuerpflichtigen unverändert gewahrt bleibt, kann von einer Entnahmebesteuerung abgesehen werden und die Entnahme aus dem „Altbetrieb“ sowie die Einlage in den „Neubetrieb“ zu Buchwerten erfolgen (idS VwGH 19.5.2005, 2000/15/0179).

Eine Überführung des Großauftrages ins Sonderbetriebsvermögen des Zusammenschlusspartners in der OG hat daher nicht zu erfolgen.

1359
Das zu übertragende Vermögen muss genau definiert sein. Anwendungsvoraussetzung für Art. IV UmgrStG ist auf Grund des Verweises in § 23 Abs. 2 UmgrStG auf § 12 Abs. 2 UmgrStG ferner:

  • Für den übertragenen Betrieb zum Zusammenschlussstichtag muss von rechnungslegungspflichtigen Gewerbetreibenden ein Jahres- oder Zwischenabschluss unter Beachtung der Grundsätze des § 5 Abs. 1 EStG 1988 aufgestellt werden, wobei auch eine ordnungsgemäß erstellte UGB-Bilanz den Anforderungen des § 23 Abs. 2 iVm § 12 Abs. 2 UmgrStG dann genügt, wenn allfällige Abweichungen zwischen den unternehmensrechtlichen und steuerlichen Buchwerten aus einer dem Finanzamt vorgelegten Mehr-Weniger-Rechnung bzw. aus dem Zusammenschlussvertrag hervorgehen.
  • Für den übertragenen Betrieb zum Zusammenschlussstichtag muss von den übrigen Übertragenden ein den Grundsätzen des § 4 Abs. 1 EStG 1988 entsprechender Jahres- oder Zwischenabschluss erstellt werden (siehe weiters Rz 1389 ff).

Wird einer von mehreren Betrieben eines Unternehmens (zB einer Kapitalgesellschaft) übertragen, ist zum Zusammenschlussstichtag ein Jahres- oder Zwischenabschluss für das gesamte Unternehmen aufzustellen. Ebenso ist eine Zusammenschlussbilanz zu erstellen. Zum Jahres- oder Zwischenabschluss bei Fortführung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung siehe Rz 1398 ff.

Weiters gehört eine auf die Schluss- oder Zwischenbilanz aufbauende Zusammenschlussbilanz zu den Anwendungsvoraussetzungen des Art. IV UmgrStG. Die Zusammenschlussbilanz dient insbesondere der Darstellung des laut Vertrag tatsächlich zu übertragenden Vermögens zu Steuerwerten laut Schluss- oder Zwischenbilanz, berichtigt um steuerwirksame Aufwertungen und um die rückwirkenden Korrekturen und des sich daraus ergebenden Zusammenschlusskapitals.

1360
Auch Betriebe gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (siehe Rz 711) sowie steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe im Sinne des § 31 BAO zählen zu den zusammenschlussfähigen Betrieben.