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Umgründungssteuerrichtlinien 2002
5.10.1. Rückwirkende Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes
1640
Fällt die gesellschaftsvertragliche Übertragung von (Teil-)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen nicht unter Art V UmgrStG, weil
- hinsichtlich des übertragenen Vermögens die Eigenschaft eines begünstigten Vermögens im Sinne des § 27 Abs. 2 UmgrStG nicht vorliegt (Rz 1545)
- ein negativer Verkehrswert des übertragenen Vermögens am Teilungsstichtag bzw jedenfalls am Tag des Abschlusses des Teilungsvertrages besteht (siehe Rz 1546 ff)
- Ausgleichszahlungen mehr als ein Drittel des Wertes des empfangenen Vermögens betragen (siehe Rz 1530)
- eine Fristverletzung ohne Sanierung vorliegt (siehe Rz 1541 ff)
- das zu teilende Vermögen den Mitunternehmern zum geplanten Teilungsstichtag noch nicht zuzurechnen ist (Rz 1544)
- ein fiktiver Teilbetrieb nicht vorliegt (siehe Rz 1553, Rz 1560, Rz 1561)
- eine missbräuchliche Umgründung im Sinne des § 44 UmgrStG anzunehmen ist (siehe Rz 1907 ff),
ist ein Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 zu ermitteln. Dieser Gewinn ist rückwirkend zum gewählten Teilungsstichtag zu ermitteln (§ 24 Abs 7 EStG 1988), wenn die Realteilung bei der jeweils zuständigen Behörde (Firmenbuchgericht oder FA) innerhalb der Neunmonatsfrist (an-)gemeldet wurde; andernfalls ist der Tag des Abschlusses des Teilungsvertrages maßgebend.
In gleicher Weise wie bei nicht unter Art IV UmgrStG fallenden Zusammenschlüssen (siehe Rz 1353) bestehen keine Bedenken, von einer Gewinnverwirklichung abzusehen, wenn Vorsorgemaßnahmen nicht zu treffen sind und damit ein Übergang von allfälligen Reserven auf andere Personen nicht stattfindet.
1641
Eine Vermögensübertragung, die nicht unter Art. V UmgrStG fällt, ist nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen. Dabei liegt eine steuerwirksame Veräußerung oder Aufgabe des Mitunternehmeranteils dann vor, wenn ein Mitunternehmer mit Gesellschaftsvermögen abgeschichtet wird oder wenn die Mitunternehmerschaft auf Grund der Vermögensübertragung liquidiert wird. Der Veräußerungsgewinn ist nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu ermitteln:
- Erfolgt die Aufgabe des Mitunternehmeranteils gegen Bargeld, stellt dieses den Veräußerungserlös dar.
- Erfolgt die Veräußerung des Mitunternehmeranteils gegen Sachvermögen aus der Mitunternehmerschaft, ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes in zwei Schritten vorzugehen (siehe EStR 2000 Rz 5964a): Im ersten Schritt erfolgt die Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils. Veräußerungserlös ist dabei der gemeine Wert des Abfindungsvermögens. Im Rahmen der Betriebsveräußerung liegt hinsichtlich des im Gesellschaftsvermögen befindlichen Sachwertes (steuerlich) eine (anteilige) Veräußerung vor, die zu einer Aufdeckung allfälliger stiller Reserven führt (siehe dazu EStR 2000 Rz 5975). In einem zweiten Schritt überträgt die Gesellschaft (steuerlich die Gesellschafter) das Abfindungsvermögen als Leistung an Zahlungs statt an den ausscheidenden Gesellschafter und tilgt damit die gegenüber diesem bestehende Verbindlichkeit. Eine Leistung an Zahlungs statt stellt einen Veräußerungsvorgang dar (siehe auch EStR 2000 Rz 6156). Veräußerungserlös ist die getilgte Verbindlichkeit.
Beispiel 1:
A, B und C sind zu je einem Drittel an der ABC-OG beteiligt. In dieser Mitunternehmerschaft befinden sich seit der Gründung der OG durch A, B und C im Jahr 01 drei Teilbetriebe (Teilbetrieb 1 BW: 90, gemeiner Wert: 300; Teilbetrieb 2 BW: 180, gemeiner Wert: 420; Teilbetrieb 3 BW: 180, gemeiner Wert: 540).
A scheidet aus der OG aus und wird mit Teilbetrieb 2 von B und C abgeschichtet. Das Abschichtungsguthaben des A beträgt 420. Die Gesellschafter kommen überein, dass A das Abschichtungsguthaben durch Überlassung des Teilbetriebes 2 „ausbezahlt“ werden soll. Art. V UmgrStG kommt wegen einer Fristverletzung ohne Sanierung nicht zur Anwendung.
Die Kapitalkonten von A, B und C betragen jeweils 150; in der Differenz zum Abschichtungsbetrag in Höhe von 420 liegt bei A ein Gewinn aus einer Mitunternehmeranteilsveräußerung vor (270). Der Veräußerungserlös des A entfällt dabei im Verhältnis 10:14:18 auf Teilbetrieb 1, Teilbetrieb 2 und Teilbetrieb 3. Somit ergibt sich bei A
- für Teilbetrieb 1 ein Veräußerungsgewinn von 70 (100 – 30),
- für Teilbetrieb 2 ein Veräußerungsgewinn von 80 (140 – 60) und
- für Teilbetrieb 3 ein Veräußerungserlös von 120 (180 – 60).
In weiterer Folge wird der Anspruch des A auf Auszahlung des Abschichtungsguthabens durch die Übertragung des Teilbetriebes 2 entrichtet. Damit kommt es bei B und C zu einer Veräußerung dieses Teilbetriebes an A durch Überlassung an Zahlungs statt. Hinsichtlich des von B und C erworbenen Drittels am Teilbetrieb 2 decken sich Anschaffungskosten und Veräußerungserlös, weshalb der Veräußerungsgewinn für B und C hinsichtlich dieses Drittels bei 0 liegt.
Hinsichtlich der bisher B und C zuzurechnenden Drittelanteile am Teilbetrieb 2 werden durch die Überlassung an Zahlungs statt die stillen Reserven in Höhe von jeweils 80 aufgedeckt. Im Ergebnis kommt es somit zur vollständigen Aufdeckung und steuerlichen Erfassung der in Teilbetrieb 2 befindlichen stillen Reserven in Höhe von 240.
Dies gilt auch, wenn die Mitunternehmerschaft untergeht, weil der vorletzte Mitunternehmer mit Vermögen aus der Gesellschaft abgeschichtet wird, und der Betrieb der Mitunternehmerschaft vom letzten „verbleibenden“ Mitunternehmer als Einzelunternehmen weitergeführt wird.
Beispiel 2:
A und B sind je zur Hälfte an der AB-OG beteiligt. In dieser Mitunternehmerschaft befinden sich seit der Gründung der OG durch A und B im Jahr 01 ein Betrieb und ein Grundstück.
A scheidet aus der OG aus und wird mit dem Grundstück von B abgeschichtet; es kommt zur Anwachsung gemäß § 142 UGB und B führt den Betrieb der Mitunternehmerschaft nun als Einzelunternehmen fort.
Zunächst liegt bei A eine Veräußerung seines Mitunternehmeranteils vor. In einem zweiten Schritt wird A das Grundstück von B an Zahlungs statt übertragen, wodurch bei B eine Veräußerung des Grundstücks stattfindet (und nun auch die auf B entfallenden stillen Reserven im Grundstück aufgedeckt werden).
Bei B kommt es zu keiner (weiteren) Veräußerungsbesteuerung im Hinblick auf seinen MU-Anteil.
Die Nachfolgeunternehmer können die Begünstigungen gemäß § 12 EStG 1988 nicht beanspruchen.
Die übrigen Wirkungen des UmgrStG betreffend Arbeitsverhältnisse, Umsatzsteuer, Gebühren und Verkehrsteuern sind im Falle verunglückter Realteilungen nicht anwendbar (vgl. EStR 2000 Rz 5719).