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Brandschutz bei Fassadenbegrünungen – Anforderungen nun in der OIB-Richtlinie 2
Die neue OIB-Richtlinie 2 regelt die Anforderungen an den Brandschutz bei Fassadenbegrünungen. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Bestimmungen in Abhängigkeit von der Gebäudeklasse zusammen.
Begrünungsmaßnahmen, im speziellen Fassadenbegrünungen, rücken gerade für Großstädte wie Wien immer mehr in den Fokus. So hat die Stadt Wien im Jahre 2014 begonnen, sich – auch brandschutztechnisch - intensiv mit diesem Thema auseinander zu setzen. Erste Regelungen auf Basis von Studien der Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle (MA 39) fanden sich im Fassadenbegrünungsleitfaden der Stadt Wien sowie anschließend in einer Richtlinie der Wiener Baubehörde (MA 37). Mit der Aufnahme von zielorientierten Regelungen in der OIB-Richtlinie 2, Ausgabe 2023 sowie weitergehenden Überlegungen zu nachweisfreien Ausführungen liegt mit Februar 2023 eine aktuelle Fassung vor.
Vorab ist festzuhalten, dass es sich bei den angesprochenen Fassadenbegrünungen um boden- oder fassadengebundene Begrünungen aus bzw mit Pflanzen, die unter bestimmten Bedingungen brennbar sind, handelt. Bodengebundene Begrünungen können mit oder ohne Rankhilfe, auch Kletterhilfe genannt (zB Seile, Stahlgerüste) ausgestaltet werden. Bei fassadengebundenen Begrünungen ist die Konstruktion so an einem Außenbauteil (Wandbildner) montiert, dass zwischen dem Pflanzenträger und dem natürlichen Boden keine feste Verbindung besteht, sie umfassen flächige, punktuelle oder lineare Systeme. Pflanzen stellen zwar keine Bauprodukte im Sinne der Europäischen Bauprodukteverordnung dar, dennoch unterliegen Fassadenbegrünungen, egal ob boden- oder fassadengebunden, den brandschutztechnischen Schutzzielen, die an Fassaden gemäß Tabelle 1a sowie Kapitel 3.5 der OIB-Richtlinie 2 [2] gestellt werden.
Diese beziehen sich sowohl auf das Brandverhalten der verwendeten Materialien als auch auf eine wirksame Einschränkung einer Brandweiterleitung über die Fassadenbegrünung.
Grundlagenstudien
Ergebnisse von Klein- und Großbrandversuchen an Fassadenbegrünungen, die seitens der Universität für Bodenkultur und der MA 39 durchgeführt wurden, bilden die Grundlage für die brandschutztechnische Einschätzung einer Fassadenbegrünung. Die Studien der MA 39 sind unter
- https://www.wohnbauforschung.at/index.php?id=480 (aus dem Jahr 2018),
- https://www.wohnbauforschung.at/index.php?id=502 (aus dem Jahr 2020) und
- https://www.wohnbauforschung.at/index.php?id=512 (aus dem Jahr 2021) frei downloadbar.
Anforderungen – Gebäudeklassen 1 bis 3
Bei Fassadenbegrünungen an Gebäuden der Gebäudeklasse 1 bis 3 werden analog zu Punkt 3.5.1 der OIB-Richtlinie 2 lediglich Anforderungen an das Brandverhalten, ausgenommen sind die Pflanzen, gestellt. Darüber hinausgehende Anforderungen werden bei Gebäuden bis zur Gebäudeklasse 3 nicht definiert, da bis zur Gebäudeklasse 3 auch brennbare Fassadenbekleidungen (zB Holz Wärmedämmverbundsysteme mit expandiertem Polystyrol) uneingeschränkt zulässig sind.
Anforderungen – Gebäudeklassen 4 und 5
Rankhilfen (zB Netze, Seile, Gitter) müssen der Brandverhaltensklasse A2 entsprechen. Sonstige Materialien ausgenommen Pflanzen, sind entsprechend Punkt 1.2 der Tabelle 1a der OIB-Richtlinie 2 auszuführen.
In Analogie zu Punkt 3.5.1 der OIB-Richtlinie 2 muss, bezogen auf das zweite über dem Brandherd liegende Geschoß, eine Brandweiterleitung und das Herabfallen großer Fassadenbegrünungsteile wirksam eingeschränkt werden. Dieser Nachweis kann mittels einer Prüfung gemäß ÖNORM B 3800-5 [3] erfolgen. Unabhängig davon ist ein vertikaler Schutzabstand der Begrünung zu einer brennbaren Dachkonstruktion von 100cm einzuhalten.
Nachweisfreie Ausführungen– Gebäudeklassen 4 und 5
Zudem definiert die Richtlinie der Wiener Baubehörde eine Vielzahl von nachweisfreien Varianten, die sich aus den Ergebnissen der Grundlagenstudien ableiten ließen. Exemplarisch seien folgende genannt:
- Fassadenbegrünung höchstens über die ersten drei oberirdischen Geschoße
- zwischen den Geschoßen Ausführung einer Brandabschottung aus einem durchgehenden Profil aus Stahlblech (Mindestdicke 1,0 mm) oder brandschutztechnisch Gleichwertigem, das mindestens 30 cm auskragt
- Bei einer vertikal durchgehenden Fassadenbegrünung ohne dazwischenliegenden Fensteröffnungen ein horizontaler Abstand zwischen Pflanzen und Fensteröffnungen von mindestens 20 cm
- Unmittelbar über/unter oder bis zu 20 cm über/unter dem Fenster Ausführung einer Brandabschottung aus einem Profil aus Stahlblech (Mindestdicke 1,0 mm) oder brandschutztechnisch Gleichwertigem, das mindestens 30 cm auskragt und mindestens 20 cm seitlich überragt
- Fensterlaibungsbereich aus einem Profil aus Stahlblech (Mindestdecke 1,0 mm) oder brandschutztechnisch Gleichwertigem, das mindestens 30 cm auskragt und seitlich im Laibungsbereich mindestens 20 cm hinuntergezogen ist.
- Ausführung von Begrünungen vor Balkonen bzw offenen Laubengängen
Anforderungen - Gebäude mit einem Fluchtniveau von mehr als 22 m
Die Ausführung von Fassadenbegrünungen ist grundsätzlich unzulässig, ausgenommen bei Gebäuden mit einem Fluchtniveau von nicht mehr als 22 m
- an öffnungslosen Fassadenbereichen, in denen im Brandfall nicht mit einer Brandübertragung in das Gebäude, Gebäudeteile oder in die Dachkonstruktion zu rechnen ist. Dabei sind alle Materialien ausgenommen Pflanzen, in der Brandverhaltensklasse mindestens A2 auszuführen.
- An Fronten mit Fenstern im Bereich der ersten drei oberirdischen Geschoße, wenn Maßnahmen entsprechend der nachweisfreien Ausführungen eingehalten werden.
Pflegemaßnahmen
Da gewachsene Verholzungs- oder Totholzbereiche höhere Brandlast darstellen, die einen Brandüberschlag bzw die Brandausbreitung über die Fassade begünstigen kann, sind Fassadenbegrünungen unabhängig von der Gebäudeklasse zu pflegen und in einem vitalen, funktionalen Zustand zu erhalten. Ein regelmäßiges Monitoring der Fassadenbegrünung wird empfohlen, wobei als Orientierung die Ausführungen zu Erhalt und Kontrolle von Vertikalbegrünungen gemäß ÖNORM L1136 [4] herangezogen werden können.
Erforderliche Pflegemaßnahmen mit eventuell notwendigem Bewässerungskonzept sind bereits in der Planung zu berücksichtigen und gegebenenfalls im Bauwerksbuch festzuhalten.
OIB-Richtlinie 2:2023
In der aktuellen Ausgabe aus dem Mai 2023 finden sich nun erstmals auch zwei Punkte zum Brandschutz bei Fassadenbegrünungen, dies sind die Kapitel 3.5.12 und 3.5.13 (siehe [2]). Sie basieren auf den bereits oben beschriebenen Anforderungen aus der Richtlinie der Wiener Baubehörde.
Literatur- und Normenverzeichnis
[1] Richtlinie der MA37: Fassadenbegrünung, brandschutztechnische Anforderungen, 23. Februar 2023, https://wien.gv.at/wohnen/baupolizei/pdf/fassadenbegruenung.pdf
[2] OIB-Richtlinie 2: Brandschutz, Mai 2023
[3] ÖNORM B 3800-5: Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen. Teil 5: Verhalten von Fassaden im Brandfall – Anforderungen, Prüfungen und Bewertungen. 1. März 2023
[4] ÖNORM L 1136: Vertikalbegründung im außenraum Anforderungen an Planung, Ausführung, Pflege und Kontrolle, 1. April 2021.