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Die Tücken der Zeiterfassung und Leiharbeit
Gastautor Johann Schöffthaler, BA MA, erläutert anhand eines konkreten Beispiels, welche Probleme bei der Zeiterfassung durch Zeiterfassungssysteme in der Praxis auftreten können.
Die Erfahrungen von Auswertungen verschiedenster Aufzeichnungen von Arbeitszeiten im Jahr 2022 haben gezeigt, dass Arbeitgeber:innen sehr oft unwissentlich bzw unabsichtlich eine große Anzahl an Übertretungen begehen.
Zeiterfassungssysteme: Worin liegen die Tücken und Risiken?
Zeiterfassungssysteme haben für Unternehmen große Vorteile, da diese sehr oft eine sekundengenaue Lohnverrechnung möglich machen und somit dem Unternehmen zeitgleich Daten zur Verfügung stellen wie Produktivität, Effizienz, etc.
Aus diesen Gründen gibt es eine sehr große Auswahl von Anbietern der verschiedensten Systeme, welche in ihren Angeboten immer auch auf die möglichen, für das Unternehmen speziellen Bedürfnisse, direkt durch die Programmierung Rücksicht nimmt. Genau an dieser Stelle passieren Missverständnisse, welche dann Rechtsfolgen haben.
Beispiel:
Ein Unternehmen zB in einer Dienstleistungsbranche für KFZ-Reparaturen hat ein Zeiterfassungssystem installieren lassen. Die Firma, die dieses Zeiterfassungssystem angeboten und den Zuschlag bekommen hat, schickte einen Serviceprogrammierer, welcher die Einstellung, wie vom Kunden gewünscht, vorgenommen hat.
Das Dienstleistungsunternehmen gab an, dass die Arbeitnehmer:innen in der Früh kommen, Dienstbeginn ist 07:30 Uhr und Dienstende ist 17:30, die Pause nehmen die Arbeitnehmer:innen selbstständig zwischen 11:30 und 14:00 Uhr im Ausmaß einer Stunde.
Auftretende Probleme bei der Zeiterfassung
Folgendes wurde bei einer Überprüfung festgestellt:
- Das Zeiterfassungsterminal war in der KFZ-Reparaturhalle installiert, die gestempelten Zeiten vor Dienstbeginn (z.B. 07:24 Uhr) und nach Dienstende (Z.B. 17:32 Uhr) werden nicht als Arbeitszeit gewertet,
- der Beginn und das Ende gewährten Pausen sind nicht ersichtlich,
- die Weg- und Umziehzeiten der erforderlichen persönlichen Schutzausrüstung sowie die Reinigungszeiten der Arbeitnehmer:innen durch die Verschmutzung in Folge der Arbeitstätigkeit werden gar nicht erfasst.
Nichterfassung der Leiharbeiter
Zusätzlich wurde festgestellt, dass die beschäftigten Leiharbeiter:innen (Arbeitskräfteüberlassung) nicht im System erfasst waren. Für die Leiharbeiter:innen gab es lediglich einen Dienstplan mit einer gewährten Pause von 30 Minuten. Bezahlt wurden die Leiharbeitskräfte als „Hilfskräfte“ obwohl sie dieselben Arbeitstätigkeiten wie die angestellten KFZ-Mechaniker:innen geleistet haben.
Die Verantwortlichen des Unternehmens waren überrascht, da diese Praxis schon seit ca 18 Jahren so gehandhabt wird und es nie beanstandet wurde.
EU-Recht als Rechtsgrundlage für Zeiterfassungssysteme
Hintergrund dieser Bestimmungen ist das EU-Recht. Die Mitgliedstaaten müssen die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (EUGH Urteil in der Rechtssache C-55/18).
Das Besondere an diesem Urteil ist nicht die Feststellung der Sache an sich, sondern die Wortwahl und der Wortsinn dieser Erkenntnis, festgeschrieben in der folgenden Erklärung des EUGH:
Der Gerichtshof weist zunächst auf die Bedeutung des Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten hin, das in der Charta verbürgt ist und dessen Inhalt durch die Arbeitszeitrichtlinie weiter präzisiert wird. Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass den Arbeitnehmern die ihnen verliehenen Rechte zugutekommen, ohne dass die zur Sicherstellung der Umsetzung der Richtlinie gewählten konkreten Modalitäten diese Rechte inhaltlich aushöhlen dürfen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegt.
Der Gerichtshof stellt fest, dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden kann, so dass es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist, ihre Rechte durchzusetzen.
Die Basis einer korrekten Entgeltabrechnung ist die genaue und manipulationssichere Erfassung der Arbeitszeit, bestimmte vor kurzer Zeit das Bundesarbeitsgericht in Deutschland zu diesem Thema.
Die österreichische Rechtslage dazu
Hinzukommt, dass ein Diskriminierungsverbot und ein Gleichbehandlungsgebot für überlassene Arbeitskräfte existent ist:
§ 6a Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbote (Arbeitskräfteüberlassungsgesetz AÜG)
(1) Hinsichtlich der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers gilt auch der Beschäftiger als Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskräfte im Sinne der Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote, die für vergleichbare Arbeitnehmer des Beschäftigers gelten.
(2) Abs 1 gilt insbesondere für die Auswahl der überlassenen Arbeitskräfte und die sonstigen Arbeitsbedingungen, zu denen auch die Beendigung einer Überlassung zählt.
(3) Der Überlasser ist verpflichtet, für angemessene Abhilfe zu sorgen, sobald er weiß oder wissen muss, dass der Beschäftiger während der Dauer der Beschäftigung die Gleichbehandlungsvorschriften oder Diskriminierungsverbote nicht einhält.
(4) Führt eine Diskriminierung zu einer Beendigung der Überlassung, so kann eine in diesem Zusammenhang erfolgte Beendigung oder Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses im Sinne der §§ 12 Abs 7 und 26 Abs 7 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG), BGBl I Nr 66/2004, und gleichartiger gesetzlicher Bestimmungen angefochten und Schadenersatz gefordert werden, als wäre die Beendigung oder Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Diskriminierung erfolgt.
(5) Der Überlasser hat gegen den Beschäftiger Anspruch auf Ersatz aller aus den Abs 3 und 4 resultierenden Aufwendungen.
Das AÜG resultiert aus der RICHTLINIE 2008/104/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 19. November 2008 über Leiharbeit, in welchem unter Artikel 5 (Grundsatz der Gleichbehandlung) geschrieben steht, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären, entsprechen müssen.
Fazit
Solche mangelhafte Aufzeichnungen können auch zur Nachzahlung von Versicherungsbeiträgen an die Sozialversicherung oder zur Nachversicherung führen. Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, Aufzeichnungen der geleisteten Arbeitsstunden vorzulegen, darf der Versicherungsträger von seinem Recht auf Schätzung Gebrauch machen (§ 42 Abs 3 ASVG). Ein konkretes Ermittlungsverfahren muss in diesen Fällen nicht durchgeführt werden (VwGH 21.6.2000, GZ 95/08/0050).