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Ruhezeit oder besser „die tägliche Ruhezeit“: Was gilt es zu beachten?
Gastautor Johann Schöffthaler, BA MA, erläutert, was Unternehmen bezüglich der täglichen Ruhezeit beachten sollten. Besteht ein Vergütungsanspruch, wenn die Ruhezeit durch einen Arbeitseinsatz gestört wird?
Anschließend an die Tagesarbeitszeit ist dem Arbeitnehmer eine ununterbrochene Ruhezeit von im Normalfall 11 Stunden zu gewähren (§ 12 Abs 1 Arbeitszeitgesetz – AZG). Ruhezeit ist – ihrem gesetzlichen Zweck entsprechend, dem Arbeitnehmer Erholung und Freizeitgestaltung nach seiner freien Wahl zu bieten – eine Zeit, die von dienstlichen Verpflichtungen frei zu sein hat.
Ausnahme:
Für Zeiten der Ruhezeit kann Rufbereitschaft vereinbart werden (§ 20a AZG). Der Kollektivvertrag kann die ununterbrochene Ruhezeit auf mindestens acht Stunden verkürzen, sofern innerhalb der nächsten zehn Kalendertage eine andere (tägliche oder wöchentliche) Ruhezeit entsprechend verlängert wird. Eine Verkürzung auf unter zehn Stunden ist allerdings nur möglich, wenn der Kollektivvertrag weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Erholung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorsieht.
Wird eine Tagesarbeitszeit durch eine oder mehrere Ruhezeiten unterbrochen, die weniger als 11 Stunden dauern, handelt es sich bei den Arbeitszeitstücken weiter um Teile ein und derselben Tagesarbeitszeit (vgl. Gerda Heilegger, Christoph Klein).
Die 11-stündige ununterbrochene Ruhezeit hat an den letzten Tagesarbeitszeitteil anzuschließen. Erst wenn eine Unterbrechung einmal 11 Stunden oder länger dauert, liegt eine tägliche Ruhezeit gemäß § 12 Abs 1 AZG und somit die Grenze zur nächsten Tagesarbeitszeit vor. Der Einsatz der nachfolgenden Arbeitszeit ist demnach gleichzeitig der Beginn der nächsten Tagesarbeitszeit (vgl. § 2 AZG). Vergleichbar ist diese „Auslegung“ mit der EG-VO 561/2006 bei den Lenker_innen, wonach gemäß Artikel 4 g) „tägliche Ruhezeit“ den täglichen Zeitraum, in dem ein Fahrer oder Fahrerin frei über seine oder ihre Zeit verfügen kann und der eine „regelmäßige tägliche Ruhezeit“ und eine „reduzierte tägliche Ruhezeit“ umfasst.
Bestimmungen des AZG
Wichtig ist dieser Vergleich, da im AZG die Tagesarbeitszeit definiert wird mit folgender Bestimmung:
§ 2. (1) AZG: Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist:
- Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen
- Tagesarbeitszeit die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von vierundzwanzig Stunden
Die Gewichtung liegt darin, dass wie bei der EG-VO 561/2006 (Verordnung (EG) Nr 561/2006 des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr) klar geregelt ist, dass nach einer Arbeitszeit von maximal 12 Stunden eine Ruhezeit von 11 Stunden innerhalb eines 24-stündigen Zeitraums erreicht wird.
Beispiel:
Wenn eine Lenkerin als Beispiel am Freitag ihre Einsatzzeit überschreitet, unterschreitet sie automatisch die tägliche Ruhezeit, selbst wenn sie am Samstag und Sonntag frei hat, da die tägliche Ruhezeit ebenso innerhalb des 24-Stundenzeitraums, welcher mit dem tatsächlichen Beginn der Arbeitszeit startet, zu konsumieren hat.
Dies im Sinne: „man braucht das Rad nicht ein zweites Mal erfinden!“. Hier kommt noch dazu, dass Gesetzestexte nicht nur nach dem Wortsinn, sondern eben auch nach Zweck und Schutzziel sowie historische Bedeutung zu interpretieren sind. Die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist vom 4. November 2003, die „Lenkerrichtlinie“ EG-VO 561/2006 vom 15. März 2006, entstand also ca 3 Jahre später.
Somit sind dies zwei verschiedene Straftatbestände gemäß der EG-VO 561/2006 sowie dem AZG!
Erkenntnis des VwGH
Dies wird bestätigt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit Erkenntnis VwGH 97/11/0188 vom 24.2.1998:
„Bei der Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit und der Unterschreitung der Mindestruhezeit handelt es sich um zwei verschiedene Delikte und nicht um ein fortgesetztes Delikt, weshalb eine gesonderte Bestrafung zu erfolgen hat.“
Die Folgen hiervon können teuer werden. Wird als Beispiel eine Arbeitnehmerin an 4 Tagen in der Woche jeweils 14 Stunden mit einer Ruhezeit von 7 Stunden dazwischen beschäftigt, haben wir folgende Situation:
Die Ruhezeit wurde vier Mal nicht gewährt mit einer Unterschreitung von jeweils 4 Stunden.
Die Tagesarbeitszeit wurde bei diesem Beispiel aber nicht vier Mal überschritten mit einer Überschreitung von jeweils 2 Stunden, sondern einmal, aber dafür in einem Ausmaß der Überschreitung von 44 Stunden (!), da ja erst die Gewährung einer Ruhezeit gemäß § 12 Abs 1 AZG den Beginn einer neuen Tagesarbeitszeit darstellt.
Hinweis zur Vergütung: Entgeltfortzahlungsanspruch
Wird die Ruhezeit durch einen Arbeitseinsatz gestört, bevor die vorgeschriebene Mindestdauer erreicht wurde, ist wegen der zwingend vorgeschriebenen Ununterbrechbarkeit der Ruhezeit die tägliche Ruhezeit im vorgeschriebenen Mindestmaß an den Arbeitseinsatz anzuschließen. Die dadurch am nächsten Arbeitstag allenfalls versäumte Arbeitszeit ist so abzugelten, als ob sie geleistet worden wäre:
Die Begründung für diesen Entgeltfortzahlungsanspruch liegt in § 1155 Abs 1 ABGB, wonach dem Arbeitnehmer das Entgelt auch dann zusteht, wenn er an der Arbeitsleistung „durch Umstände, die auf der Seite des Dienstgebers liegen“, gehindert worden ist. Da den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Gewährung der ununterbrochenen täglichen Ruhezeit trifft und ein aus betrieblichen Gründen erforderlich gewordener Arbeitseinsatz während dieser Ruhezeit ebenfalls dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, fällt der Grund für die Arbeitsversäumnis am folgenden Arbeitstag eindeutig in die Sphäre des Arbeitgebers.
Entgeltfortzahlungsanspruch ist nicht abdingbar
Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist nicht abdingbar (Manche Firmen probieren die Abdingbarkeit zu rechtfertigen wegen der Nichtnennung von § 1155 ABGB im Rahmen der Aufzählung der zwingenden Vorschriften des arbeitsrechtlichen Teils des ABGB in § 1164 ABGB). Es kann nicht vereinbart werden, dass dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die versäumten Stunden vom Entgelt abgezogen werden. Das Arbeitnehmerschutzrecht, zu dem § 12 Abs 1 AZG selbstverständlich zu zählen ist – verpflichtet ausschließlich den oder die Arbeitgeberin dadurch entstehenden Kosten zu übernehmen. Ansonsten würde dies die grundlegende Rollenverteilung im Arbeitnehmer_innenschutzrecht auf den Kopf stellen und zudem einen Anreiz für den oder die Arbeitnehmerin darstellen, sich aktiv gegen die Einhaltung des Arbeitnehmer_innenschutzrechts zu wenden, in diesem Falle die erforderliche Dauer der ununterbrochenen Ruhezeit nicht einzuhalten.
Fazit
Die zwingende Natur von Rechtsvorschriften ergibt sich im Arbeitsrecht häufig nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext, sondern aus Sinn und Zweck der jeweiligen Norm. Das Zusammenspiel von § 12 AZG und § 1155 ABGB verlangt unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks die Unabdingbarkeit von § 1155 ABGB in dieser Konfiguration.