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COVID-19 – „Coronakrise 2020“: Umgang mit Zahlungsschwierigkeiten bei Gemeindeabgaben
Gastautor Robert Koch, Gemeindebund Steiermark, erläutert in diesem Beitrag, welche verschiedenen abgabenverfahrensrechtlichen Fragestellungen sich Gemeinden stellen, nachdem sich die Finanzsituation vieler Unternehmen merklich eingetrübt hat.
Die infolge der Corona-Pandemie behördlich angeordneten COVID-19-Maßnahmen haben die wirtschaftliche Situation vieler Unternehmen stark beeinträchtigt. Steuerstundungen und Stundungen von Sozialversicherungsbeiträgen sollten die Liquidität der Unternehmen möglichst aufrechterhalten. Auch die Gemeinden und ihre Organe sind als Abgabenbehörden vielfältig gefordert, durchaus beabsichtigte Unterstützungen nur in rechtlich einwandfreier Form zu gewähren.
Wirtschaftskrise als Folge einer Gesundheitskrise ist auch in den Finanzabteilungen der Gemeinden angekommen
Nach mehr als einem halben Jahr später, als die pandemische Coronakrise auch Österreich massiv erfasste und schon der erste „Lockdown“ des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens bis dahin ungeahnt ernste wirtschaftliche Auswirkungen zeitigte und vor allem die Bundesregierung Unterstützungen verschiedenster Art ins Leben rief, sind ua die finanziellen Probleme der Wirtschaft noch lange nicht gelöst. Vielmehr werden der zweite eingeschränkte Lockdown (ab 03.11.2020) und der dritte volle Lockdown (ab 17.11.2020) die wirtschaftliche Erholung weiter verzögern und erschweren. Auch die Abgabenbehörden der Gemeinden sind als Steuergläubiger mit Zahlungsschwierigkeiten jener Abgabepflichtigen, die Landes- und Gemeindeabgaben zu entrichten haben, konfrontiert, wobei die damit in Zusammenhang stehenden vielfachen Herausforderungen der gemeindlichen Verwaltungsebene in diesem Beitrag nur kurz angerissen werden können. Eine Abhandlung zum Thema mit der Untersuchung konkreter rechtlicher Lösungsansätze in mehrfacher Länge dieses Kurzbeitrages finden Sie im Handbuch „Abgabenverfahren“, Reg 7, Kap 2.10.6.
„Vorbild“ Bund und Krankenversicherungsträger?
Ohne Zweifel haben die behördlichen COVID-19-Maßnahmen (angeordnete Unternehmensschließungen, Betretungsverbote, persönliche Absonderungsmaßnahmen oder örtliche Quarantänemaßnahmen) Unternehmen durch Umsatzausfälle in ihrer Einkommenserzielung erheblich beeinträchtigt, viele Arbeitnehmer arbeitslos gemacht oder in die Kurzarbeit abgedrängt, Einkommenseinbußen und damit weithin Liquiditätsschwierigkeiten bewirkt. Bundesabgabenbehörden und Krankenversicherungsträger machen es vor und gewähren und verlängern unter nicht allzu strengen Voraussetzungen zeitlich großzügige Steuer- und Abgabenstundungen – doch dürfen diese unterstützend wirkenden „Entgegenkommen“ auch auf Gemeindeebene bedenkenlos 1:1 nachgebildet werden?
In Österreich haben die Bundes-, Landes- und Gemeindeabgabenbehörden die Bundesabgabenordnung (BAO) als subsidiär geltendes Verfahrensrecht ua für die Festsetzung, Einhebung und Einbringung von Abgaben anzuwenden, sodass es bei Landes- und Gemeindeabgaben im Detail wohl zB materiellrechtlich bedingte Abweichungen, unterschiedlich definierte Zuständigkeiten oder Rechtsmittelzüge geben kann, die wesentlichen verfahrensrechtlich-inhaltlichen Prinzipien bleiben aber von der BAO bestimmt.
Wo ein gewisser Ermessensspielraum besteht, sollten sich die Abgabenbehörden der Gemeinden in Bundesländern, wo die Gemeindeaufsichtsbehörden bevorzugte Auslegungen bestimmter BAO-Bestimmungen kundgetan haben, unbedingt an diese Empfehlungen halten.
Bewilligung beantragter Zahlungserleichterungen
Auf Grundlage des § 212 BAO können auf schriftlichen Antrag hin Stundungen oder Ratenzahlungen in rechtsmittelfähigen Bescheiden bewilligt (bzw im Sinne des Antrages teilweise bewilligt oder auch abgewiesen) werden. Wer nach der jeweiligen Gemeindeordnung zuständige Abgabenbehörde ist, richtet sich danach, ob die Verwaltung der Abgabe zu den Angelegenheiten des eigenen oder des übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinde gehört, in weiterer Folge teilweise auch nach der beantragten Zahlungserleichterungsdauer.
Voraussetzung für die Bewilligung einer Zahlungserleichterung sind erhebliche Härten für den Abgabepflichtigen, die mit der sofortigen oder mit der sofortigen vollen Entrichtung der Abgaben verbunden wären sowie die Darstellung der ungefährdeten Einbringlichkeit der Abgaben, was der Zahlungserleichterungswerber bereits aus eigenem in seinem schriftlichen Antrag überzeugend darzustellen hat.
In der aktuellen Krisensituation werden daher üblicherweise auch auf Gemeindeebene Zahlungserleichterungen bewilligt, wenn – vereinfacht und ergebnishaft dargestellt – von der „Coronavirus“-Krise konkret betroffene Steuerpflichtige in der Antragstellung wirtschaftliche Einbußen bzw Liquiditätsengpässe glaubhaft machen können, weil entsprechend der von der Finanzverwaltung geübten Handhabung in den meisten von COVID-19-Maßnahmen betroffenen Fällen auch ohne weiteres Ermittlungsverfahren vom Vorliegen einer erheblichen Härte für den Abgabepflichtigen ausgegangen werden kann.
Die Bewilligung einer Zahlungserleichterung von in der Zukunft liegenden und der Höhe nach noch nicht bestimmten Selbstberechnungsabgaben scheint eher unzulässig (oder höchstens nur unter wohlüberlegten sachgerechten Bedingungen zulässig).
Zunächst wurden beantragte Zahlungserleichterungen (wiederum nach dem „Muster“ der Finanzverwaltung) – längstens bis zum 30.09.2020 bewilligt. Die Gemeindeabgabenbehörden dürfen Entscheidungen jedenfalls nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens treffen, unterliegen der späteren Kontrolle durch die Gemeindeaufsichtsbehörden und haben die eigene Zahlungsfähigkeit im Auge zu behalten, was angesichts gesunkener Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben trotz des vom Bund geschnürten Gemeindehilfspakets zunehmend schwierig wird.
Verzicht auf Stundungszinsen, Mahngebühren, Säumniszuschlag und Verspätungszuschlag
Gemäß § 212 Abs 2 iVm § 212b BAO müssen im Fall einer bewilligten Stundung oder im Fall einer bewilligten Ratenzahlung von Abgaben in Höhe von insgesamt mehr als EUR 200,– im Nachhinein (bescheidmäßig) 6 % Stundungszinsen pa festgesetzt werden, wenn diese zumindest den Betrag von zehn Euro erreichen: Unter Bedachtnahme auf § 206 Abs 1 lit a BAO kann die Abgabenbehörde – wenn man die wirtschaftlichen Auswirkungen der vorliegenden Corona-Krisensituation als „Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes“ ansieht – im Wege einer an sich begründungspflichtigen Ermessensentscheidung von der Festsetzung von Stundungszinsen Abstand nehmen.
Die letzterwähnte Bestimmung kann in der gegebenen Situation auch begründend dazu herangezogen werden, bei verpflichtenden Mahnungen keine Mahngebühren festzusetzen und einzuheben.
Wenn Zahlungserleichterungsansuchen noch vor Eintritt der Fälligkeit gestellt werden, fällt kein Säumniszuschlag an (§ 230 Abs 3 in Verbindung mit § 217 Abs 4 lit b BAO). Ansonsten fällt für nicht fristgerechte Abgabenentrichtungen an sich immer und automatisch ein 2%iger Säumniszuschlag an, außer der Abgabepflichtige kann nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihn kein grobes Verschulden an der nicht fristgerechten Abgabenentrichtung trifft. Während dieser Nachweis nach der dazu zahlreich vorhandenen Judikatur nur in den allerwenigsten Fällen gelingen kann, erklärt die Finanzverwaltung diese Voraussetzung zur Herabsetzung oder Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages bei entsprechender wirtschaftlicher Betroffenheit des Abgabepflichtigen durch die vorliegende Corona-Krisensituation als anwendbar (§ 217 Abs 7 BAO) und werden auch die Gemeindeabgabenbehörden dieser Auslegung folgen können.
Wird die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht eingehalten, kann die Abgabenbehörde einen Verspätungszuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe auferlegen (§ 135 iVm § 135 a BAO), wobei das behördliche Ermessen dahingehend geübt werden kann, keinen Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige glaubhaft macht, dass er oder sein bevollmächtigter Vertreter aus Gründen der Coronakrisen-Situation an der rechtzeitigen Einreichung der Abgabenerklärung gehindert war.
Keine „Nachsicht“, aber vorübergehendes Unterlassen von Einbringungsmaßnahmen
Wenn entweder Einbringungsmaßnahmen erfolglos versucht worden sind oder wegen Aussichtslosigkeit zunächst unterlassen werden, aber die Möglichkeit besteht, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen können oder wenn der für die Einbringung erforderliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zum einzubringenden Betrag stehen würde, darf die zwangsweise Einbringung von Abgaben amtswegig (dh ohne jeglichen Antrag des Abgabepflichtigen) vorübergehend unterlassen (ausgesetzt) werden: Dabei handelt es sich um die Aussetzung der Einbringung im Sinne des § 231 BAO, wobei hier von vornherein keine Zinsen anfallen. Auf eine entsprechende Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Aussetzung der Einbringung, auf eine veränderte Situation, auf eine allenfalls notwendige Einhebungsverjährungsunterbrechung (zB durch Mahnungen) und auf die (formlos aufzunehmende) Fortsetzung von Einbringungsmaßnahmen zum gegebenen Zeitpunkt hat die zuständige Behörde – das ist in der Regel der Bürgermeister – zu achten. In unserem oben erwähnten Handbuch finden sich dazu nähere Erläuterungen bis hin zu einem Muster-Aktenvermerk der zuständigen Behörde mit Anordnungen an die Mitarbeiterebene (Reg 7 Kap 3.14.1. und 3.14.2).
Ein dauerhaftes Unterlassen von Einbringungsmaßnahmen – somit eine Nachsicht, ein „Erlass“, eine Teilnachsicht, eine „Ermäßigung“ von Abgaben u dgl – kommt hingegen rein aus Gründen „coronabedingter“ Liquiditätsengpässe, Umsatz- oder Ertragseinbußen grundsätzlich nicht in Betracht.
Sind sich Kollegialorgane diesbezüglich in der Entscheidungsfindung nicht einig, ist (vermeintlich rechtswidrig) überstimmten Mitgliedern eines Gremiums zum Selbstschutz dringendst anzuraten, auf einer Protokollierung des persönlichen Abstimmungsverhaltens zu bestehen!
Sonderregelungen für Bundesabgaben
Nach § 323c Abs 13 bis 15 BAO ist mittlerweile ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass bei bewilligten Zahlungserleichterungen für den Zeitraum zwischen 15.03.2020 und 15.01.2021 keine Stundungszinsen festzusetzen sind und dass für nicht fristgerecht entrichtete zwischen 15.03.2020 und 31.10.2020 fällig gewordene Abgaben keine Säumniszuschläge zu entrichten sind.
Weiters, dass nach dem 15.03.2020 bewilligte am 30.09.2020 oder am 01.10.2020 endende Stundungen automatisch als bis 15.01.2021 verlängert gelten (§ 323c Abs 11 BAO) und dass für bis zum 30.09.2020 beantragte Ratenzahlungen unter bestimmten Voraussetzungen zwölf bis 18 angemessene Monatsraten zu bewilligen sind (§ 323c Abs 12 BAO).
Für Landes- und Gemeindeabgaben gelten diese Sonderregelungen hingegen nicht.
Fazit
Aus gutem Grund sind alle Behörden bemüht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch etwas für die Wirtschaft zu tun: Angesichts des in der Hoheitsverwaltung geltenden Legalitätsprinzips darf dies unbedingt nur innerhalb denkbarer Gesetzesauslegungen erfolgen – es ist schließlich damit zu rechnen, dass viele in bester Absicht begangene Behördenhandlungen nach überstandener Krise auch noch Jahre später (etwa durch Gemeindeaufsichtsbehörden) einer kritischen rechtlichen Betrachtung unterzogen werden, wobei der einzige Maßstab auch weiterhin nur die jeweils geltende Rechtslage sein kann.
Autor
Robert Koch ist Leiter der Prüfungsabteilung des Gemeindebund Steiermark mit langjähriger Berufserfahrung im Bereich der kommunalen Unternehmensabgaben und des zugehörigen BAO-Abgabenverfahrensrechts.