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11.04.2022 | Arbeitsrecht | ID: 1112997

Einvernehmliche Kündigung – wichtige Tipps für die Praxis

WEKA (red)

Dieser Beitrag fasst die wichtigsten rechtlichen Fragestellungen zur einvernehmlichen Kündigung zusammen. Welche Ansprüche auf Entgelt und Sonderzahlungen bestehen? Was gilt für den Ausbildungskostenrückersatz und die Urlaubsersatzleistung?

Das Wesen der einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses (einvernehmliche Kündigung) liegt darin, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer übereinstimmende Willenserklärungen abgeben, wonach das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin aufgelöst sein soll. Arbeitgeber forcieren den Abschluss der Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung oft in Fällen, in denen sie sonst zu Kündigungen, zB wegen Einsparungsmaßnahmen, gezwungen wären. Zumeist liegt es am Verhandlungsgeschick des betroffenen Arbeitnehmers, inwieweit er eine Einigung auf einen seinen Interessen entsprechenden Inhalt erreicht. Der Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auch durch einen Rechtsanwalt oder Vertreter einer beruflichen Interessenvertretung beraten und allenfalls auch vertreten zu lassen. Ebenso kann der Arbeitnehmer auf seinen Wunsch den für seinen Betrieb bestehenden Betriebsrat zu den Verhandlungen beiziehen.

Hinweis:

Verlangt der Arbeitnehmer vor der Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebsinhaber nachweislich, sich mit dem Betriebsrat zu beraten, so kann innerhalb von zwei Arbeitstagen nach diesem Verlangen eine einvernehmliche Lösung rechtswirksam nicht vereinbart werden (§ 104a Abs 1 ArbVG). Um den Eintritt der zweitägigen Sperrfrist zu bewirken, muss der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsinhaber die Beratung mit dem Betriebsrat „verlangen“. Verlangt der Arbeitnehmer zB nachweislich die Beratung mit einem Rechtsanwalt oder der Arbeiterkammer, so gilt die zweitägige Sperrfrist nicht.

Auf die Möglichkeit bzw Pflicht zum Abschluss eines Sozialplanes sei hingewiesen, da sich dessen Anwendungsbereich auch auf einvernehmliche Auflösungen von Arbeitsverhältnissen erstrecken kann.

Wie muss eine einvernehmliche Kündigung erfolgen?

Grundsätzlich ist die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses formfrei und kann daher sowohl mündlich, schriftlich wie auch schlüssig erfolgen.

Praxistipp:

Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten empfiehlt es sich jedoch, die einvernehmliche Lösung schriftlich zu gestalten.

Von einer einmal unterfertigten Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung kann grundsätzlich nicht mehr einseitig abgegangen werden. Nur im Fall, dass sich der Arbeitnehmer nachweislich mit dem Betriebsrat beraten will, kann innerhalb von zwei Arbeitstagen nach diesem Verlangen eine einvernehmliche Lösung nicht rechtswirksam vereinbart werden. Die Ungültigkeit einer dennoch abgeschlossenen Vereinbarung ist innerhalb einer Woche nach Ablauf der 48-Stunden-Frist schriftlich geltend zu machen. Eine gerichtliche Geltendmachung hat innerhalb von drei Monaten zu erfolgen (§ 104a ArbVG).

Einvernehmliche Kündigung bei Schwangeren, Müttern und anderen besonderen Personengruppen

Gem § 10 Abs 7 MSchG bedarf die einvernehmliche Lösung während des besonderen Kündigungsschutzes bei Schwangeren und Müttern zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Dies gilt gem § 7 VKG auch für Väter.

Bei minderjährigen Arbeitnehmerinnen muss der einvernehmlichen Lösung über die Schriftform hinaus eine Bescheinigung eines Gerichtes oder einer gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmerin über die erfolgte Belehrung bezüglich des besonderen Kündigungsschutzes beigelegt sein.

Diese Bestimmungen dienen dem Schutz des Arbeitnehmers vor Übereilung. Eine schlüssige Vereinbarung kommt in diesem Fall nicht in Betracht. Gleiches gilt aufgrund der identen Interessenlage auch im Bereich des erstreckten Schutzzeitraumes während aufrecht bestehender Elternteilzeitarbeit (OLG Wien 29.05.2008, 8 Ra 49/08x). Im Fall, dass die Arbeitnehmerin im Zeitpunkt der Unterzeichnung der einvernehmlichen Vertragsauflösungsvereinbarung – aus Gründen, die nicht von ihr zu vertreten sind – noch keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, kann sie die Unwirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung zum vereinbarten Termin geltend machen, sofern sie

  • ihrem Arbeitgeber unverzüglich ihre Schwangerschaft bekannt gibt und
  • sofort eine Bestätigung der Schwangerschaft an ihren Arbeitgeber übermittelt.

Gem § 10a MSchG verlängert sich das Arbeitsverhältnis dann bis zum Beginn des generellen oder individuellen Beschäftigungsverbotes. Die übrigen Bestimmungen der einvernehmlichen Auflösungsvereinbarung bleiben aber im Zweifel unberührt (OGH 23.11.2006, 8 ObA 176/06v). Gleiches gilt auch im Fall, dass eine Arbeitnehmerin, die Lehrling ist, während des für die Dauer der Behaltepflicht befristeten Arbeitsverhältnisses eine einvernehmliche Auflösungsvereinbarung unterzeichnet, ohne dabei von ihrer Schwangerschaft Kenntnis zu haben (OLG Wien 18.05.2006, 10 Ra 30/06i; OGH 02.03.2007, 9 ObA 10/06w).

Gem § 16 APSG bedarf die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses eines Präsenz- oder Zivildieners während des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes zu ihrer Gültigkeit ebenfalls der Schriftform. Wie bei minderjährigen Schwangeren und Müttern ist bei Minderjährigkeit des Arbeitnehmers eine qualifizierte Bescheinigung über die Belehrung hinsichtlich des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes beizubringen.

Gem § 15 BAG bedarf die einvernehmliche Lösung eines Lehrverhältnisses der Schriftform und der qualifizierten Belehrung über den bestehenden Kündigungs- und Entlassungsschutz. Darüber hinaus muss bei minderjährigen Lehrlingen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegen (nicht jedoch eine vormundschaftsbehördliche Genehmigung).

Anfechtung einer einvernehmlichen Kündigung

Eine einvernehmliche Kündigung kann jedoch angefochten werden, wenn diese unter Androhung einer sonstigen Entlassung erfolgte. Schließt der Arbeitnehmer unter dem Eindruck der Ankündigung des Arbeitgebers, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es darauf an, ob für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren. Liegen solche Gründe vor, dann kann sich der Arbeitnehmer nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei auf ihn ungerechtfertigter Druck ausgeübt worden (vgl OGH 8 ObA 2/21h). Dh die Chancen einer erfolgreichen Anfechtung einer einvernehmlichen Auflösung durch den Arbeitnehmer sind umso geringer, desto gravierender die Anhaltspunkte für einen Entlassungsgrund sind.

Entgelt und Sonderzahlungen

Auch bei einer einvernehmlichen Kündigung hat der Dienstnehmer selbstverständlich Anspruch auf Entgelt bis zum letzten Tag des Dienstverhältnisses. Ob ihm auch anteilige Sonderzahlungen für das letzte Dienstjahr zustehen, regelt für Arbeiter der jeweils geltende Kollektivvertrag. IdR werden Dienstnehmern aber aliquote Sonderzahlungen für das Dienstjahr der Beendigung zugestanden. Angestellte haben nach § 16 AngG Anspruch auf aliquote Sonderzahlungen für das letzte Dienstjahr, wenn ihnen ansonsten Sonderzahlungen zu teil werden.

Eine Verzichtserklärung des Arbeitnehmers vor Erhalt seiner Endabrechnung sowie seiner noch ausstehenden Entgeltansprüche ist unwirksam. Dieser muss daher auch nicht widersprochen werden. Eine wirksame Verzichtserklärung des Arbeitnehmers kann jedoch von diesem innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Aushändigung und Auszahlung der Endabrechnung rechtswirksam widerrufen werden (OGH 29.3.2016, 8 ObA 11/16z).

Abfertigung alt

Im System der Abfertigung „Alt“ gebührt dem Dienstnehmer grundsätzlich auch bei Beendigung durch eine einvernehmliche Auflösung die gesetzliche Abfertigung, sofern er drei Jahre beim Dienstgeber beschäftigt war.

In vielen einvernehmlichen Auflösungserklärungen ist ein Verzicht auf die Abfertigung alt enthalten. Dies ist allerdings nicht rechtswirksam: der Abfertigungsanspruch ist durch dienstvertragliche Regelungen nicht abdingbar, und die Beendigung eines Dienstverhältnisses gehört zum Dienstvertrag.

In Einzelfällen hat sich der OGH für die Wirksamkeit eines Verzichts auf Abfertigung ausgesprochen (etwa, wenn die einvernehmliche Auflösung anstatt einer Entlassung erfolgte, was für den Dienstnehmer positiver war oder wenn eine Dienstnehmerkündigung auf Wunsch des Dienstnehmers in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt wurde).

Grundsätzlich sollten Dienstgeber aber vorsichtig sein, was Verzichtserklärungen auf die Abfertigung betrifft. Sie müssen in einem Prozess möglicherweise beweisen können, dass der Abfertigungsanspruch in ihrem Fall verwirkt wurde. Im Zweifel ist es für sie einfacher, einer Dienstnehmerkündigung mit verkürzter Kündigungsfrist zuzustimmen, wenn etwa der Dienstnehmer deswegen eine einvernehmliche Auflösung wünscht, weil er die Kündigungsfrist umgehen will. In diesem Fall bleibt die Kündigung nämlich eine Kündigung und der Dienstnehmer hat keinen Anspruch auf Abfertigung.

Abfertigung Neu

Der Dienstnehmer hat bei Vorliegen von drei Beitragsjahren auch nach einvernehmlicher Auflösung einen Auszahlungsanspruch gegen die Mitarbeitervorsorgekasse.

Urlaubsersatzleistung

Auch nach einer einvernehmlichen Kündigung gebührt dem Dienstnehmer eine Ersatzleistung für Urlaub, den der Dienstnehmer bis zum Ende des Dienstverhältnisses nicht konsumieren konnte.

Für die Ersatzleistung für das Dienstjahr der Beendigung ist zunächst der aliquote Urlaubsanspruch des Dienstnehmers in diesem Dienstjahr zu errechnen. Dann wird dieser aliquote Anspruch mit dem tatsächlich in Anspruch genommenen Urlaub verglichen.

Hat der Dienstnehmer nun weniger Urlaub konsumiert, als er aliquoten Anspruch gehabt hätte, so gebührt ihm das Urlaubsentgelt, das er in dieser Zeit erhalten hätte. Ein Anspruch des Dienstgebers auf Rückzahlung für zuviel verbrauchten Urlaub besteht bei einer einvernehmlichen Auflösung nicht. Diesen hat der Dienstgeber nur bei einem unberechtigten vorzeitigen Austritt oder einer verschuldeten Entlassung.

Für noch nicht verbrauchten Urlaub aus vergangenen Dienstjahren gebührt dem Dienstnehmer der volle Ersatz.

Ausbildungskostenrückersatz

Hat der Dienstgeber Kosten für die Ausbildung seines Dienstnehmers aufgewendet, so kann dieser wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, ihre Rückerstattung bei Beendigung des Dienstverhältnisses verlangen.

Eine Beendigung durch einvernehmliche Auflösung kann einen Ausbildungskostenrückersatz möglich machen, wenn

  • es sich um Kosten (Lohnkosten während einer Ausbildung, wenn wirklich keine Dienstvertraglich geschuldete Leistung erbracht wird, Kurs- und Reisekosten) handelt, die der Dienstnehmer bei anderen Dienstgebern verwerten kann. Einschulungskosten sind niemals ersatzfähige Ausbildungskosten.
  • die Rückerstattung schriftlich zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer vereinbart wurde. Grundsätzlich werden nur Ausbildungskosten rückerstattet, nicht Lohnkosten. Eine Ausnahme ist, wenn der Dienstnehmer während der Ausbildung Lohn erhielt und dienstfrei gestellt war. In diesem Fall können auch die Lohnkosten rückgefordert werden.
  • das Dienstverhältnis nicht während der Probezeit beendet wurde.

Jedenfalls kann eine Rückerstattung nicht verlangt werden, wenn

  • der Dienstnehmer bei Abschluss der Vereinbarung minderjährig war und keine Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters vorliegt,
  • das Dienstverhältnis länger als fünf (bei sehr kostenintensiven Ausbildungen wie für Piloten länger als acht) Jahre gedauert hat,
  • die Rückerstattung nicht mit der nach der Ausbildung tatsächlich geleisteten Dienstzeit beim Dienstgeber aliquot zusammenhängend vereinbart war. Dh
    • die Rückerstattung muss anteilig niedriger werden, je länger der Dienstnehmer nach der Ausbildung gearbeitet hat. So können die Kosten bei einer Bindungsfrist von fünf Jahren etwa in 60 Teile geteilt werden, jeder geleistete Dienstmonat verringert den Rückersatz um einen Teil. Hat der Dienstnehmer nach der Ausbildung noch 30 Monate für den Dienstgeber gearbeitet, hat der Dienstgeber Anspruch auf Ersatz der Hälfte der Ausbildungskosten.
    • Diese Rückzahlungsmodalitäten müssen bereits in der Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz festgelegt worden sein.

Postensuchtage und Dienstzeugnis

Auch nach einer einvernehmlichen Kündigung ist dem Dienstnehmer ein Dienstzeugnis auszustellen, wenn er dies verlangt. Zudem hat er Anspruch auf eine Dienstbescheinigung, einen Lohnzettel und eine Kopie der Abmeldung von der Sozialversicherung.

Ob Dienstnehmern bei einer einvernehmlichen Kündigung Freizeit für Postensuchtage zusteht, ist strittig. Analog zur Regelung bei der Kündigung könnte man davon ausgehen, dass bei einer vom Dienstgeber ausgehenden einvernehmlichen Auflösung Postensuchtage zu gewähren sind, bei einer vom Dienstnehmer ausgehenden nicht.

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