23.08.2024 | Arbeitsrecht | ID: 1183238

„Kündigung“ eines Lehrlings: Probezeit, Ausbildungsübertritt, Weiterverwendung

Redaktion WEKA

In diesen Tagen beginnt für zahlreiche Jugendliche in österreichischen Betrieben das neue Lehrjahr. Aber welche Möglichkeiten zur „Kündigung“ eines Lehrlings stehen Ausbildungsbetrieben zur Verfügung, falls es doch nicht passt?

Auflösung während der Probezeit

Während der ersten drei Monate (Probezeit) kann sowohl der Lehrberechtigte als auch der Lehrling das Lehrverhältnis jederzeit einseitig auflösen (§ 15 Abs 1 BAG).

Erfüllt der Lehrling während der ersten drei Monate seine Schulpflicht in einer lehrgangsmäßigen Berufsschule, kann das Lehrverhältnis während der ersten sechs Wochen der Ausbildung im Lehrbetrieb bzw in der Ausbildungsstätte jederzeit einseitig aufgelöst werden.

Für die Auflösung ist weder die Angabe eines Auflösungsgrundes noch die Einhaltung einer Frist oder eines Termins notwendig. Die Auflösung des Lehrvertrages während der Probezeit muss allerdings schriftlich erfolgen. Will ein minderjähriger Lehrling den Vertrag auflösen, braucht er dazu die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

Außerordentliche Auflösung – „Ausbildungsübertritt“

Bei der außerordentlichen Auflösung gem § 15a BAG handelt es sich um eine wechselseitige Auflösungsmöglichkeit des Lehrverhältnisses.

Sowohl der Lehrberechtigte als auch der Lehrling können das Lehrverhältnis zum Ablauf des letzten Tages des zwölften Monats der Lehrzeit und bei Lehrberufen mit einer festgelegten Dauer der Lehrzeit von drei, dreieinhalb oder vier Jahren überdies zum Ablauf des letzten Tages des 24. Monats der Lehrzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Monat einseitig außerordentlich auflösen (§ 15a Abs 1 BAG).

Dabei kommt es nicht auf die im Lehrvertrag individuell vereinbarte Dauer des Lehrverhältnisses, sondern auf die für den Lehrberuf generell festgelegte Lehrzeit an.

Schritte zur außerordentlichen Auflösung

Die vom Lehrberechtigten zu setzenden Schritte zur außerordentlichen Auflösung sind:

  • Der Lehrberechtigte muss die beabsichtigte außerordentliche Auflösung (samt der geplanten Aufnahme eines Mediationsverfahrens) dem Lehrling, der Lehrlingsstelle und (sofern im Betrieb vorhanden) dem Betriebsrat und dem Jugendvertrauensrat spätestens am Ende des 9. bzw 21. Lehrmonats (dh also spätestens drei Monate vor Ende des betreffenden Lehrjahres) mitteilen.
  • Das Erfordernis eines Mediationsverfahrens entfällt, wenn der Lehrling die Teilnahme am Mediationsverfahren schriftlich ablehnt. Diese Ablehnung kann vom Lehrling innerhalb einer Frist von 14 Tagen schriftlich widerrufen werden.
  • Der Lehrberechtigte hat dem Lehrling einen Mediator gem Zivilrechts-Mediations- Gesetz vorzuschlagen. Der Vorschlag sollte möglichst rasch erfolgen, da der Lehrling den Vorschlag unverzüglich ablehnen kann und diesfalls der Lehrberechtigte zwei weitere Mediatoren vorschlagen muss; der Lehrling kann zwischen den angebotenen Alternativvorschlägen auswählen; falls er niemanden auswählt, gilt der erste Vorschlag.
  • Der Lehrberechtigte hat den ausgewählten Mediator spätestens am Ende des 10. bzw 22. Lehrmonats zu beauftragen.
  • Für die Wirksamkeit der Auflösung durch den Lehrberechtigten ist – sofern der Lehrling dieses nicht schriftlich abgelehnt hat – die Durchführung eines Mediationsverfahrens erforderlich. In die Mediation sind der Lehrberechtigte, der Lehrling, bei dessen Minderjährigkeit auch der gesetzliche Vertreter und auf Verlangen des Lehrlings auch eine Person seines Vertrauens einzubeziehen. Zweck der Mediation ist insbesondere die Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Fortsetzung des Lehrverhältnisses möglich ist.
  • Das Mediationsverfahren muss vor Ausspruch der Auflösungserklärung beendet sein. Das Mediationsverfahren kann auf eine der folgenden Arten beendet werden:
    • Es wird ein Ergebnis erzielt, zB die Erklärung des Lehrlings, nicht weiter auf der Fortsetzung des Lehrverhältnisses zu bestehen.
    • Die Mediation wird vom Mediator für beendet erklärt.
    • Beendigung durch Zeitablauf: Wenn zumindest ein Mediationsgespräch unter Beteiligung des Lehrberechtigten oder des beauftragten Lehrlingsausbilders stattgefunden hat, endet das Mediationsverfahren mit Beginn des 5. Werktages vor Ablauf des 11. oder 23. Lehrmonats.
  • Wenn das Mediationsverfahren beendet wurde oder aufgrund der schriftlichen Ablehnung des Lehrlings nicht notwendig war, ist die Bahn für den Lehrberechtigten zum Ausspruch einer außerordentlichen Auflösung frei. Die außerordentliche Auflösung hat schriftlich und spätestens ein Monat vor dem beabsichtigten Ende des Lehrverhältnisses zu erfolgen.

Der Lehrberechtigte hat der Lehrlingsstelle den Ausspruch der außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses unverzüglich mitzuteilen.

Die Kosten des Mediationsverfahrens hat der Lehrberechtigte zu tragen.

Keine Kündigung

Die außerordentliche Auflösung gem § 15a BAG ist keine Kündigung, sondern eine Beendigungsform eigener Art gem § 15a Abs 8 BAG ist allerdings vorgesehen, dass dennoch auf die außerordentliche Auflösung durch den Lehrberechtigten die besonderen Kündigungsschutzbestimmungen

  • für Schwangere, Wöchnerinnen und weibliche Karenzurlauber nach dem MSchG sowie männliche Karenzurlauber nach dem VKG,
  • für Präsenz/Zivildiener nach dem APSG und
  • für Betriebsratsmitglieder oder Jugendvertrauensräte nach dem ArbVG

anzuwenden sind.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass andere Kündigungsschutzbestimmungen für die außerordentliche Auflösung gem § 15a BAG nicht gelten:

  • Der allgemeine Kündigungsschutz findet somit keine Anwendung. Die in § 105 Abs 1 ArbVG für geplante Kündigungen vorgesehene Verständigung des Betriebsrats ist daher nicht notwendig. Eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit ist nicht möglich.
  • Auch der Kündigungsschutz nach dem BEinStG findet auf die außerordentliche Auflösung gem § 15a BAG keine Anwendung.

Kündigung während Weiterverwendung

Der Lehrberechtigte ist in der Regel verpflichtet, den Lehrling nach Beendigung des Lehrverhältnisses im Betrieb drei Monate im erlernten Beruf weiterzuverwenden (§ 18 Abs 1 BAG). Bei Zurücklegung der festgesetzten Lehrzeit bis maximal zur Hälfte dieser Zeit beim Lehrberechtigten gilt die Verpflichtung nur im halben Ausmaß. Eine Kündigung während der Behaltefrist auf den ersten in Betracht kommenden Kündigungstermin nach Ablauf der Behaltepflicht ist zulässig.

Antrag auf Erlassung der Wiederverwendungsverpflichtung

Der Lehrberechtigte kann aber bei der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft den Antrag stellen, dass ihm die Wiederverwendungsverpflichtung erlassen wird (§ 18 Abs 3 BAG).

Die Wirtschaftskammer hat – im Einvernehmen mit der Arbeiterkammer – binnen 14 Tagen ab Antrag dem Lehrberechtigten die Weiterverwendungsverpflichtung zu erlassen und die Bewilligung zur Kündigung vor Ablauf der vorgeschriebenen Beschäftigungsdauer zu erteilen, wenn die Verpflichtung zur Weiterverwendung aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere bei Saisongewerben, nicht erfüllt werden kann.

Wird die Entscheidung nicht innerhalb der 14-Tage-Frist getroffen, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde über diesen Antrag endgültig zu entscheiden.

Neuaufnahmestopp

Wird dem Antrag des Lehrberechtigten entsprochen, darf dieser seinen Lehrling trotz gesetzlicher Weiterbeschäftigungsverpflichtung kündigen. Vor Ablauf der vorgeschriebenen Weiterbeschäftigungsdauer darf er aber keinen neuen Lehrling aufnehmen.

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