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Follow-up: COVID-19 und mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen für nicht geimpfte Dienstnehmer
Mag. Georg Streit und Mag. Nikolaus Sauerschnig erläutern anhand eines aktuellen OGH-Judikats die heikle Frage, wann Unternehmen arbeitsrechtliche Schritte, wie etwa eine Kündigung oder Entlassung, gegen ungeimpfte Dienstnehmer setzen dürfen.
Im Beitrag vom 06.09.2021[1] fanden sich Überlegungen zu etwaigen Konsequenzen für nicht geimpfte Dienstnehmer am Arbeitsplatz. Seitdem gibt es einige Weiterentwicklungen, Stichwort 3G am Arbeitsplatz und die angekündigte Impfpflicht, die einen weiteren Blick auf die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen für nicht geimpfte (oder getestete) Dienstnehmer lohnen.
Kündigung
Wie schon im letzten Beitrag erörtert, ist nach herrschender Ansicht eine Kündigung eines nichtgeimpften Dienstnehmers weder sitten- noch motivwidrig. Zudem kann durch die Verweigerung der Impfung auch eine sozialwidrige Kündigung gerechtfertigt sein.[2]
Aktuelle OGH-Entscheidung
Zu diesem Themenkreis liegt nun auch eine erste Entscheidung des OGH vor (8 ObA 42/21s):
Gegenstand des Verfahrens war die Kündigung eines Krankenpflegers, der in einem Alten- und Pflegeheim arbeitete. Die zu diesem Zeitpunkt in Kraft befindlichen COVID-19-Notmaßnahmenverordnung sah vor, dass Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen ihre Arbeitsstätte nur betreten dürfen, wenn sie durchgehend einen Mund- und Nasenschutz tragen und sich zumindest einmal pro Woche einem Corona-Test unterziehen. Der Krankenpfleger weigerte sich jedoch beharrlich, einen solchen Test vornehmen zu lassen. Die Verweigerung begründete er damit, dass er die „Sinnhaftigkeit des Tests in Zweifel zog“ und nicht etwa damit, dass bei ihm etwa ein Nasenabstich vorgenommen werden sollte. Aufgrund dieser Verweigerung wurde dem Krankenpfleger gekündigt.
Diese Kündigung bekämpfte er, da seiner Ansicht nach die Corona-Tests berechtigt verweigert hätte, weil die diese anordnende Verordnung verfassungswidrig wäre und somit eine unzulässige Motivkündigung vorliegen würde.
Der OGH bestätigte hingegen die gegenteilige Rechtsansicht des Erst- und des Berufungsgerichts:
Die Dienstgeberin war als Betreiberin eines Alten- und Pflegeheims aufgrund der bestehenden Verordnung verpflichtet, dem Krankenpfleger „das Betreten der Betriebsstätte zu verwehren, ohne dass es ihr freistand, sich mit der Bereitschaft des Klägers zum Tragen einer FFP2-Maske oder seiner Beteuerung, gesund zu sein, zu begnügen.“ Infolge der Verordnung war auch der Krankenpfleger selbst (mittelbar) verpflichtet gewesen, sich testen zu lassen, damit er seine Tätigkeit beim Dienstgeber überhaupt nachkommen konnte. Die Argumente des Krankenpflegers hätten diesen nicht zur Testverweigerung berechtigt. Die Einhaltung der einen Dienstgeber treffenden Verpflichtungen und die darauf gestützte Kündigung erfolgte für den OGH daher nicht aus einem verpönten Motiv.
Grundrechtseingriff durch Testpflicht?
Der Krankenpfleger berief sich nicht (im Detail) auf einen etwaigen (unverhältnismäßigen) Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte durch das regelmäßige Testen.
Der OGH nahm aber dennoch kurz zu einem etwaigen Grundrechtseingriff Stellung:
Nach Ansicht des OGH würde die bei einem Grundrechtseingriff durchzuführende Interessensabwägung wegen der Schutzbedürftigkeit der in einer Pandemie besonders vulnerablen Heimbewohner und zum Schutz der Arbeitnehmer „jedenfalls zugunsten einer Testpflicht“ ausfallen. Der OGH vertritt damit die Auffassung, dass Grundrechtseingriffe aus diesen Gründen gerechtfertigt sind.
3G am Arbeitsplatz und Impfpflicht: Folgen der OGH-Entscheidung
Aus dieser Entscheidung des OGH lassen sich wohl zumindest Tendenzen, bezüglich möglicher Entscheidungen in arbeitsrechtlichen Verfahren zu „3G am Arbeitsplatz“ und der von der Bundesregierung angekündigten Impfpflicht erkennen:
Durch die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz besteht nun nicht nur für Krankenpfleger, sondern überhaupt für Dienstnehmer mit physischem Kontakt zu anderen Personen die Notwendigkeit, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Dienstgeber müssen diese auch kontrollieren. Wie in der angeführten Rechtsprechung gibt es daher eine durch Verordnung vorgeschriebene Verpflichtung für beide Parteien, diese umzusetzen. Eine unzulässige Motivkündigung scheidet daher – legt man die oben erwähnte Entscheidung des OGH zugrunde – wohl auch aus, wenn der Anlass die Nichteinhaltung der 3G-Pflicht durch den Dienstnehmer war. Die Einhaltung der durch Gesetz bzw Verordnung einzuhaltenden Regelungen ist auch in diesem Fall kein verpöntes Motiv.
Kündigung aufgrund Nichteinhaltung der 3G-Pflicht
Eine Kündigung aufgrund der Nichteinhaltung der 3G-Pflicht stellt zudem wohl einen Rechtfertigungsgrund bei grundsätzlicher Sozialwidrigkeit der Kündigung dar. Denn durch die Einhaltung der 3G-Pflicht schützt der Dienstgeber nicht nur die anderen Dienstnehmer, er hält das Risiko für Schäden für den Betrieb geringer (z.B: Betriebsstilllegung aufgrund von Infektionen oder längerer Krankenstände), vielmehr können Dienstnehmer, die der 3G-Pflicht nachkommen, ja ihre Arbeitsleistung gar nicht erbringen. Ohne entsprechenden Nachweis darf der Dienstnehmer schließlich seinen Arbeitsplatz nicht betreten. Da er dadurch nicht zur Arbeitsleistung fähig ist, ist es auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt, wenn der Dienstnehmer gekündigt wird. Darüber hinaus stellt die Nichteinhaltung auch einen Verstoß gegen die verordneten Regelungen dar, der mit Strafzahlungen für Dienstgeber und Dienstnehmer bedroht ist. Auch dies spricht für eine Rechtfertigung einer allenfalls auch sozialwidrigen Kündigung.
Fürsorgepflicht des Dienstgebers
In diesem Zusammenhang ist die Fürsorgepflicht des Dienstgebers hervorzuheben. Dienstgeber sind aufgrund der sie treffenden Fürsorgepflicht[3] dazu verpflichtet, das Leben und die Gesundheit der Dienstnehmer zu schützen[4]. Um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, hat der Dienstgeber alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit seiner Dienstnehmer auf angemessene Weise gewährleisten.[5] Zu diesen Maßnahmen zählen dementsprechend in erster Linie die Einhaltung der ihn treffenden gesetzlichen bzw verordneten Verpflichtungen der 3G-Pflicht zum Schutz der Dienstnehmer. Hält der Dienstgeber die 3G-Pflicht in seinem Betrieb nicht ein, steigt das Risiko, dass nicht nur die Gesundheit der Dienstnehmer, sondern sogar deren Leben gefährdet ist. Die allfällige Kündigung eines sich der 3G-Pflicht widersetzenden Dienstnehmers kann daher im Rahmen der Fürsorgepflicht nicht nur zulässig sein, sondern sogar im Einzelfall soweit gehen, dass diese als notwendige Maßnahme zum Schutz der übrigen Dienstnehmer zu qualifizieren ist.
Treuepflicht des Dienstnehmers
Umgekehrt trifft die Dienstnehmer eine Treuepflicht die betrieblichen und dienstlichen Interessen des Dienstgebers zu wahren. Sie haben alles zu unterlassen, was die unternehmerische Tätigkeit, deren Organisationswert und deren Chancen beeinträchtigt. Als solche Beeinträchtigungen sind etwa auch die Stilllegung des Betriebs infolge zu vieler Infektionen oder auch bereits das Vorhandensein zu viele Krankenstände zu werten. Dienstnehmer sind daher selbst dazu verpflichtet, alle ihnen zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um das Infektionsrisiko am Arbeitsplatz gegenüber Kollegen und Dritten (z.B: Kunden) möglichst gering zu halten.[6] Dazu zählt jedenfalls die Einhaltung der sie treffenden gesetzlichen bzw verordneten Regelungen, wie derzeit die 3G-Pflicht.
Auswirkungen der Impfpflicht am Arbeitsplatz?
Inwieweit diese Entscheidung des OGH auf eine gesetzliche Impfpflicht umzulegen ist, hängt in erster Linie davon ab, wie diese konkret ausgestaltet werden soll. Sollte die Impfung ähnlich wie die 3G-Pflicht Voraussetzung für das Betreten des Arbeitsplatzes bzw für das Ausüben eines (bestimmten) Berufs werden, was bei einer gesetzlichen Impfpflicht konsequent wäre, trifft das oben Gesagte grundsätzlich wohl auch auf diese Fälle zu, sodass eine Kündigung von Dienstnehmern, die sich gegen die Impfung entscheiden bei gesetzlicher Impfpflicht zulässig wäre.
Ohne dies näher zu vertiefen sei darauf hingewiesen, dass einige Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur eine Kündigung von nicht geimpften Dienstnehmern auch schon für zulässig erachten, wenn keine gesetzliche Impfpflicht oder sonstige Verpflichtung zum Nachweis eines geringen epidemiologischen Risikos besteht.[7]
Entlassung
Besondere Auswirkungen der 3G- und der kommenden Impfpflicht zeigen sich bei der Entlassung. Eine Entlassung ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich, durch den die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Dienstgeber unzumutbar ist. Den Entlassungsgründen ist gemein, dass sie in der Regel ein pflichtwidriges Verhalten des Dienstnehmers voraussetzen.
Aufgrund der 3G-Regel ist der Dienstnehmer verpflichtet, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Ohne einen solchen dürfen Dienstgeber ihren Dienstnehmern den Zutritt zum Arbeitsplatz nicht gewähren, wodurch diese Dienstnehmer ihre Arbeitsleistung aus ihnen zu zurechenbaren Gründen nicht erbringen können. Dies führt in erster Linie zum Verlust des Entgeltanspruchs des Dienstnehmers.
Wenn sich der Dienstnehmer in weiterer Folge beharrlich weigert, seine diesbezüglichen Pflichten zu erfüllen bzw einer diesbezüglichen Weisung des Dienstgebers zu folgen, spricht einiges für das Vorliegen des Entlassungsgrunds der beharrlichen Pflichtverweigerung.[8] Widersetzt sich der Dienstnehmer daher seinen Verpflichtungen, der Erfüllung der 3G-Regelungen nachzukommen, kann dies zur Entlassung führen.
Dasselbe gilt, wenn aufgrund der gesetzlichen Impfpflicht die Impfung Zutrittsvoraussetzung für den Arbeitsplatz wird. Weigert sich der Dienstnehmer auch beharrlich dieser Verpflichtung nachzukommen, wird ebenso eine Entlassung gerechtfertigt sein. Auch hier ist aber die letztliche Ausgestaltung der Impfpflicht und allfälliger arbeitsrechtlicher Begleitmaßnahmen (z.B. Homeoffice-Pflicht) usw., abzuwarten.
Abmahnung
Das gilt auch bei Abmahnungen, die ja darauf abzielen, ein Fehlverhalten des Dienstnehmers abzustellen. Gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, die der Dienstnehmer zur Erbringung seiner Arbeitsleistung folgen muss, wie etwa dem 3G-Nachweis oder einer etwaigen Impfpflicht, setzt er auch ein arbeitsrechtlich relevantes Fehlverhalten, wenn er sich nicht an diese hält.
Fazit
Durch die neuen gesetzlichen Entwicklungen wird es für Personen, die nicht auf eine Corona-Impfung vertrauen oder sogar Testsverweigern, in der Arbeitswelt wohl komplizierter. Der OGH hat in einer ersten Entscheidung zu diesem Themenkomplex ausgesprochen, dass die Nichteinhaltung gesetzlicher bzw durch Verordnung vorgeschriebener Regelungen durch einen Dienstnehmer eine Kündigung rechtfertigt. Zudem hat der OGH festgehalten, dass eine allenfalls durchzuführenden Interessensabwägung wohl zugunsten der zu schützenden Belegschaft bzw Kunden und gegen einen Eingriff in Persönlichkeits- und Grundrechte durch die Testpflicht ausgehen würde. Anhand dieser Rechtsprechung zeigt sich eine Tendenz, Maßnahmen zur Minimierung des Infektionsrisikos sowie zum Schutz der eigenen Dienstnehmer bzw der Kunden bei einer Abwägung mehr Gewicht einzuräumen als dem von Impf- bzw Testverweigern (zu) oft genutzte Argument eines unzumutbaren und daher unzulässigen Grundrechtseingriffs durch die verordneten und gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz gegen SARS-Cov2-Infektionen und deren Folgen.
All diese Ausführungen beziehen sich klarer Weise nicht auf Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen, weder testen noch impfen lassen können. In diesem Fall wird wohl weder eine Kündigung noch eine Entlassung gerechtfertigt, sondern vielmehr von einer unzulässigen Diskriminierung auszugehen sein, wenn der Dienstnehmer – zumal gestützt auf eine entsprechende Grundlage in Verordnung oder Gesetz – Test bzw Impfung verweigert.
Autoren
Mag. Georg Streit ist Partner, Mag. Nikolaus Sauerschnig ist Rechtsanwaltsanwärter bei Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).
Link auf die Website: https://www.h-i-p.at/
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Fußnoten:
[2] https://www.weka.at/arbeitsrecht/News/COVID-19-Wann-duerfen-arbeitsrechtliche-Konsequenzen-gegen-nicht-geimpfte-DienstnehmerInnen-gesetzt-werden; vgl auch Grimm/Wolf, Verpflichtende Tests und Impfungen in der COVID-19-Pandemie aus arbeitsrechtlicher Sicht, JMG 1/2021, 8ff; Hainz, Impfstatus im Arbeitsverhältnis, CuRe 2021/3.
[3] § 18 AngG bzw § 1157 ABGB
[4] RS 0021267, OGH 9 ObA 143/03z
[5] Mosler in Neumayr/Reissner, ZellKomm § 18 AngG Rz 27 und Rz 131
[6] Grimm/Wolf, Verpflichtende Tests und Impfungen in der COVID-19-Pandemie aus arbeitsrechtlicher Sicht, JMG 1/2021, 8ff; Hainz, Impfstatus im Arbeitsverhältnis, CuRe 2021/3.
[7] vgl auch Grimm/Wolf, Verpflichtende Tests und Impfungen in der COVID-19-Pandemie aus arbeitsrechtlicher Sicht, JMG 1/2021, 8ff; Hainz, Impfstatus im Arbeitsverhältnis, CuRe 2021/3; Hainz, Impfstatus im Arbeitsverhältnis, ecolex 2021/189.
[8] § 27 Z4 AngG